Protokollauszug aus der Sitzung des Bundestages am 21.05.2015
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Matthias Gastel auf:
“Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass sich das Land Baden-Württemberg an der Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen an der Rheintalbahn beteiligt, die eigentlich in der Zuständigkeit des Bundes liegt (vergleiche www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/Txt/15_6723.pdf), und inwieweit teilt die Bundesregierung die Kritik an der Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen durch die Länder insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Finanzstärken der Bundesländer (bitte begründen)?”
Bitte schön, Herr Kollege.
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Gastel fragt danach, ob die Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen, die an der Rheintalbahn getätigt worden sind, und zwar von Dritten, in dem Fall vom Land Baden-Württemberg, obwohl eigentlich der Bund zuständig ist, sinnvoll ist. Dazu gebe ich folgende Antwort: Die Finanzierungszuständigkeit des Bundes bezüglich der Lärmvorsorge im Rahmen von Maßnahmen des Bedarfsplans Schiene ist auf den in den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften verankerten Umfang begrenzt. Zur Umsetzung darüber hinausgehender Forderungen bedarf es, wie im Falle der Rheintalbahn, auch künftig zusätzlicher Finanzierungsquellen und eines expliziten Auftrags des Haushaltsgesetzgebers.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Herr Kollege, Sie haben die Möglichkeit, nachzufragen. – Bitte schön.
Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das muss ich auch tun, weil der zweite Teil der Frage nicht beantwortet wurde. Herr Staatssekretär, ich bitte da um Antwort. Zu dem ersten Teil meiner Frage, den Sie teilweise beantwortet haben: Ich habe nicht in Abrede gestellt, mir um die Frage: Wer finanziert die Maßnahmen? Denn letztlich geht es darum – und das betrifft den zweiten Teil meiner Frage –, dass sich Länder, die finanziell besser dastehen, über die gesetzlichen Normen hinausgehende Lärmschutzmaßnahmen für ihre Bürgerinnen und Bürger leisten können und andere nicht. Das führt dann dazu, dass es in den Bundesländern unterschiedliche Lärmstandards gibt. Deswegen die Frage: Betrachtet die Bundesregierung dies als ein Problem?
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Das betrachten wir nicht als ein Problem. Ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass es eine Unterscheidung gibt zwischen Ländern, die sich das leisten können, und Ländern, die sich das nicht leisten können. Das ist eine Frage der Prioritätensetzung der Länder.
Es gibt klare Grundlagen für den Lärmschutz in Deutschland, die die Bundesregierung auch einhält. Über diesen Rahmen dürfen wir nur hinausgehen, wenn Dritte diese Maßnahmen finanzieren oder wenn der Deutsche Bundestag uns über diesen gesetzlichen Rahmen hinausgehende Lärmschutzmaßnahmen bewilligt. Das tun wir auch, und in aller Regel gibt es dann, wie im Fall der Rheintalbahn, eine Mitfinanzierung: 50 Prozent Bund, 50 Prozent Land. Das ist durchaus üblich, und das konnten sich bisher auch alle Länder leisten, wenn sie die Priorität entsprechend gesetzt haben.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Herr Kollege Gastel, möchten Sie noch eine weitere Frage stellen? – Bitte schön.
Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja, das möchte ich; vielen Dank für die Möglichkeit. – Nach meiner Wahrnehmung wird beim Lärmschutz an der Schiene immer häufiger über die gesetzlichen Standards hinausgegangen, indem die Kommunen oder die Länder eigene Mittel in die Hand nehmen und damit eine Aufgabe übernehmen, die eigentlich eine Bundesaufgabe oder eine Aufgabe der DB ist. Meine Frage lautet: Kann man das aus Sicht der Bundesregierung so interpretieren, dass die geltenden Gesetze und Lärmschutzverordnungen – all das, was es in dieser Richtung gibt – nicht ausreichen, oder wie kann man es sich erklären, dass immer häufiger über die geltenden Normen hinaus Lärmschutzmaßnahmen finanziert werden?
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Herr Staatssekretär, bitte.
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Frau Präsidentin, das waren viele Fragen in einer Frage. Es wäre ein abendfüllendes Kolloquium, das alles zu beantworten; aber ich bemühe mich einmal, das in der Kürze der Zeit zu tun. Die Bundesregierung freut sich über jeden Euro, den ein Dritter zum Lärmschutz beiträgt. Ob es nun Kommunen in der Bürgerschaft und in den Ländern und Kommunen über den bestehenden Schallschutz hinausgehen will. Warum möchten die Menschen das? Es gibt beim Schienengüterverkehr ein Akzeptanzproblem hinsichtlich des Lärmschutzes. Deswegen forciert die Bundesregierung massiv die Umrüstung am Rad-Schiene-System mittels anderer Bremssysteme, um den Schienenlärm in Deutschland bis 2020 flächendeckend zu halbieren. Das ist die Maßnahme, die am weitesten geht. Die Menschen haben aber heute erhöhte Anforderungen – vor allem bei Neubaumaßnahmen –, wofür wir nach unseren gesetzlichen Normen keinen Anlass sehen. Wenn diese Anforderungen erfüllt werden sollen, dann muss eben ein Dritter dafür bezahlen. Das ist die derzeitige Lage. Ich teile nicht Ihre Einschätzung, dass das überall der Fall ist; aber es gibt einige Strecken, zu denen eine Diskussion in besonderem Maße tobt, und das ist unter anderem die Rheintalbahn.