Wir brauchen mehr Kreativität und Konsequenz bei der Verbesserung der Pünktlichkeit im Bahnverkehr. Die Geduld der Fahrgäste wurde schon viel zu lange überstrapaziert. Vorschläge wie das willkürliche und pauschale Herabsetzen von Geschwindigkeiten in Fahrplänen gehen an den Ursachen der Unpünktlichkeit vollkommen vorbei. Tatsächlich gibt es aber Potentiale für Maßnahmen im Bahnbetrieb, um die Pünktlichkeit zu verbessern. Störungen im Bahnbetrieb werden immer eintreten – selbst nach den laufenden Sanierungen. Der Fokus muss daher darauf liegen, die Ausbreitung dieser Störungen innerhalb des Netzes zu isolieren, statt eine Übertragung in große Netzteile zuzulassen. In meinem Team wurden fünf Ideen formuliert, die sich schnell umsetzen lassen. Der Aus- und Neubau der Schienen-Infrastruktur wird damit natürlich nicht hinfällig und bleibt die wirkungsvollste Maßnahme für mehr Zuverlässigkeit in einem wachsenden Bahnverkehr.
Die Pünktlichkeit im deutschen Bahnverkehr ist auf einem Tiefpunkt angekommen und verharrt dort seit längerem. Die erhöhten Investitionsmittel müssen erst noch verbaut werden, sodass die Probleme bei der Infrastruktur nicht sofort gelöst werden können. Allerdings gibt es neben dem überwiegend schlechten Zustand der Infrastruktur mit zahlreichen Störungen auch andere Ursachen für die schlechte Pünktlichkeit. Einige davon können zeitnah gelöst werden:
- Aktuell verlängert die DB die Länge ihrer Fernverkehrslinien immer weiter. Grund dafür sind auch Regulierungen bei der Trassenvergabe. Dadurch werden Unpünktlichkeiten durch ganz Deutschland geschleppt. Diese Linien müssen wieder auf eine verträgliche Länge reduziert werden, solange die gesamte Pünktlichkeit auf dem aktuellen Niveau steht. Hier braucht es einfache gesetzliche Anpassungen, die im Rahmen des Moderne-Schiene-Gesetz vorgenommen werden können.
- Die Häufigkeit von verspäteten Bereitstellungen nimmt deutlich zu. Die Unternehmen insbesondere im Fernverkehr müssen dafür konsequenter sanktioniert werden. Vor allem dürfen andere Züge dadurch nicht mehr so stark beeinträchtigt werden. Das Vorbild ist hier die Schweiz. Sollten Züge außerhalb der geplanten Fahrplanlage – abgesehen von einigen wenigen Minuten Verspätung fahren – wird der Zug entweder ausfallen und mit einem Ersatzzug weitergeführt. Die Alternative ist, dass der Zug mit den anderen Zügen mitschwimmt, aber keinen Vorrang erhält. Das erhöht zwar die Verspätung einzelner Züge, reduziert aber die Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Die Verspätung wird weniger übertragen, wodurch Dominoeffekte vermieden werden. Ebenso dürfen Züge nicht länger als unbedingt nötig in großen Bahnhöfe abgestellt werden. Dadurch gehen wertvolle Gleiskapazitäten verloren.
- Die Taktung im Nahverkehr darf erst weiter erhöht werden, wenn die entsprechende Kapazität vorhanden ist. Bei fehlenden Kapazitäten müssen zuerst Alternativen wie längere Züge umgesetzt werden. Insbesondere, wenn sich Bundesländer dringend benötigen Infrastrukturprojekten verweigern, können sie nicht mehr erwarten, dass sie trotzdem das Angebot im Nahverkehr auf Kosten der Pünktlichkeit erhöhen können. Ziel ist weiterhin die Verbesserung des Nahverkehrs. Das geht aber nur mit entsprechender Infrastruktur.
- Engpässe im Fernverkehr wie die Hauptbahnhöfe in Köln und Frankfurt müssen vorläufig mehr umfahren werden, bis die Infrastrukturmaßnahmen fertig gestellt sind. Es gibt jeweils andere Haltemöglichkeiten in den Städten wie Frankfurt Süd oder Köln Deutz. Dadurch werden diese Verspätungsquellen teilweise umfahren und entlastet.
- Der Bundestag hat in der Novellierung des Bundesschienenwegeausbaugesetz die Voraussetzungen für eine Entbürokratisierung von kleinen und mittleren Maßnahmen getroffen. Das Verkehrsministerium muss jetzt die entsprechenden Verwaltungsvorschriften umsetzen. Mit diesen Maßnahmen wird die Infrastruktur robuster gegen Verspätungen und Ausfälle. Das ist der erste Schritt, der aber keine der weiteren Erweiterungsvorhaben ersetzen kann.