Für eine gesunde und umweltbewusste Ernährung

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Bei­trag von Mat­thi­as Gastel; Aus: Kreis­rund­brief von Bünd­nis 90/DIE GRÜNEN; Juni 2013

Über­vol­le Rega­le in den Super­märk­ten mit nahe­zu allen Pro­duk­ten zu jeder Jah­res­zeit, heil­ver­spre­chen­de Wer­bung für Lebens­mit­tel mit angeb­li­chen Zusatz­wir­kun­gen, ein zuneh­men­des Ange­bot an Fer­tig­pro­duk­ten, Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­teln und Vit­amin­prä­pa­ra­ten – all dies zeigt, dass vie­le Men­schen das Gefühl für eine natür­li­che und aus­ge­wo­ge­ne Ernäh­rung ver­lo­ren haben. Und wenn es dann einen Skan­dal um ver­seuch­te Erd­bee­ren aus Chi­na gibt, empö­ren sich alle schnell. Lei­der ver­ges­sen die meis­ten eben­so rasch wie­der, dass sie doch bewuss­ter ein­kau­fen woll­ten. Wie sieht der All­tags­ein­kauf bei Lidl, Rewe und Co. aus, wie ernäh­ren wir uns und wor­auf soll­ten wir ver­stärkt ach­ten?

Vege­ta­ri­er leben umwelt­be­wuss­ter und oft auch gesün­der

„Des Beseel­ten ent­hal­te dich!“ for­der­te Pytha­go­ras. Heu­te, etwa 2.500 Jah­re spä­ter, wäre es gut, eini­ge Men­schen mehr wür­den dem Rat des grie­chi­schen Phi­lo­so­phen fol­gen. Denn mit durch­schnitt­lich 60 Kilo­gramm Fleisch pro Jahr essen wir Deut­schen dop­pelt so viel, wie die Gesell­schaft für Ernäh­rung maxi­mal emp­fiehlt. Vege­ta­ri­er sind sel­te­ner über­ge­wich­tig und damit weni­ger anfäl­lig für Dia­be­tes und Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen. Gesün­der leben des­we­gen aber nicht alle Vege­ta­ri­er: So ver­zich­ten bei­spiels­wei­se die „Pud­ding-Vege­ta­ri­er“ zwar auf Fleisch, ach­ten jedoch nicht auf eine aus­ge­wo­ge­ne Ernäh­rung. Wer gesund leben möch­te, soll­te also nicht nur wenig Fleisch, son­dern aus­rei­chend fri­sches Obst und Gemü­se essen sowie auf genü­gend Bewe­gung ach­ten. Umwelt­grün­de spre­chen in jedem Fall für eine deut­li­che Ver­rin­ge­rung des Fleisch­kon­sums. Inzwi­schen die­nen drei Vier­tel des glo­ba­len Acker­lan­des der Erzeu­gung von Tier­fut­ter. Und die Pro­duk­ti­on eines Kilo­gramms Rind­fleisch ver­braucht 15.500 Liter Was­ser. Für ein Kilo Wei­zen wird nicht ein­mal ein Zehn­tel davon benö­tigt. Die Land­wirt­schaft ver­ur­sacht mit ihrer Tier­hal­tung, aber auch mit den Flä­chen­aus­wei­tun­gen in frü­he­re Wald- und Moor­ge­bie­te, annä­hernd so viel kli­ma­schäd­li­che Gase wie der Stra­ßen­ver­kehr.

Die ver­steck­ten tie­ri­schen Inhalts­stof­fe

Sich wirk­lich kon­se­quent vege­ta­risch oder gar vegan zu ernäh­ren ist gar nicht so ein­fach. All­zu oft fin­den sich in unver­däch­ti­gen Lebens­mit­teln tie­ri­sche Inhalts­stof­fe: Dass sich Lab (der Magen­schleim­haut jun­ger Käl­ber ent­nom­men) im Käse und  Schwei­ne­schar­ten­ge­la­ti­ne in Gum­mi­bär­chen befin­den dürf­te weit­ge­hend bekannt sein. Nicht so oft berich­tet wird über E 120 (aus­ge­koch­te Schild­läu­se) als Farb­stoff in Joghurts mit Erd­beer- oder Him­beer­ge­schmack und Gela­ti­ne in Frucht­säf­ten. Die Begrif­fe „vege­ta­risch“ und „vegan“ sind übri­gens recht­lich nicht defi­niert – eine Geset­zes­lü­cke, die geschlos­sen wer­den soll­te!

Kin­der wer­den ver­führt

Der Berufs­ver­band der Kin­der- und Jugend­ärz­te schlägt Alarm: Bereits 15 Pro­zent der Kin­der sind über­ge­wich­tig und über sechs Pro­zent gel­ten als fett­lei­big. Der Anteil dicker Kin­der hat sich durch Bewe­gungs­man­gel und fal­sche Ernäh­rung bin­nen drei­ßig Jah­ren um die Hälf­te erhöht. Eine Mit­schuld wird der Lebens­mit­tel­in­dus­trie zuge­schrie­ben. So ging der Gol­de­ne Wind­beu­tel 2013, ver­lie­hen von der Ver­brau­cher­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on Food­watch, an Capri Son­ne. Vor­wurf: Ein 200-Mil­li­li­ter-Beu­tel des Getränks ent­hält umge­rech­net sechs­ein­halb Stück Wür­fel­zu­cker – so viel wie Fan­ta. Und mit der Wer­bung für den Geträn­ke­beu­tel wer­den gezielt Kin­der ange­spro­chen. Der Vor­wurf, dass gera­de Kin­der als Ziel­grup­pe für nicht kin­der­ge­rech­te Pro­duk­te aus­ge­sucht wer­den, ist nicht neu. Er ist aber lei­der gerecht­fer­tigt und schreit gera­de­zu nach einer gesetz­li­chen Rege­lung. Pro­duk­te, die nicht einer aus­ge­wo­ge­nen Ernäh­rung die­nen, soll­ten nicht län­ger als Kin­der­pro­duk­te bewor­ben wer­den dür­fen. Ver­brau­cher­ver­bän­de for­dern die Lebens­mit­tel­am­pel. Begrün­dung: Gera­de jun­ge Eltern haben meist nicht die Zeit, lang­wie­rig klein­ge­druck­te Zuta­ten­lis­ten zu lesen. Außer­dem habe die Ernäh­rungs­kom­pe­tenz als Grund­la­ge für gesund­heits­be­wuss­tes Ein­kau­fen stark abge­nom­men. Eine Ampel, die Hin­wei­se auf die gesund­heit­li­che Bewer­tung eines Pro­duk­tes gibt, kön­ne eine hilf­rei­che Ein­kaufs­hil­fe sein.

Bio – bes­ser, aber nicht immer gut genug

Lebens­mit­tel mit dem Bio-Sie­gel sind, wenn sie trotz ihrer höhe­ren Prei­se treue und sogar immer mehr Abneh­mer fin­den wol­len, in beson­de­rer Wei­se auf das Ver­brau­cher­ver­trau­en ange­wie­sen. Im Gro­ßen und Gan­zen ver­die­nen sie es zu Recht: Bio­pro­duk­te wei­sen aus che­misch-ana­ly­ti­scher Sicht häu­fig bes­se­re Qua­li­täts­merk­ma­le auf als kon­ven­tio­nel­le. So las­sen sich bei Obst und Gemü­se aus bio­lo­gi­schem Anbau kei­ne oder meist nur sehr gerin­ge Rück­stän­de von Pflan­zen­schutz­mit­teln und weni­ger Nitrat als bei kon­ven­tio­nell Ange­bau­tem nach­wei­sen. 95 Pro­zent aller Bio-Lebens­mit­tel tra­gen ihr Label zu Recht. Und ver­ar­bei­te­te Bio-Lebens­mit­tel wei­sen ein gerin­ge­res All­er­gie­po­ten­ti­al aus. Für den wach­sen­den Kreis von Men­schen mit Lebens­mit­tel­un­ver­träg­lich­keit ist wich­tig, dass allei­ne bei den Zusatz­stof­fen „nur“ 47 von über 300 für Bio-Pro­duk­te zuge­las­sen sind. Ein­zel­ne Erzeu­ger­ver­bän­de (Bio­land, Deme­ter) schrän­ken die Aus­wahl an Zusatz­stof­fen noch wei­ter ein. Ein wei­te­rer Aspekt spricht für Bio: Für tie­ri­sche Pro­duk­te aus dem öko­lo­gi­schen Land­bau hat die art­ge­rech­te Hal­tung und Füt­te­rung der Tie­re einen ent­schei­den­den Stel­len­wert. Und der Ein­satz von Anti­bio­ti­ka ist stren­ger gere­gelt als bei der kon­ven­tio­nel­len Tier­hal­tung.

Lebens­mit­tel mit dem Bio-Sie­gel wei­sen also sowohl für die Gesund­heit als auch für den Tier­schutz Vor­tei­le auf. Dass Bio-Lebens­mit­tel immer häu­fi­ger impor­tiert wer­den müs­sen belas­tet hin­ge­gen die Umwelt­bi­lanz und erschwert die Kon­trol­len auf Ein­hal­tung der Bio-Stan­dards. Bio, regio­nal und sai­so­nal ist daher unter allen Aspek­ten die bes­te Kom­bi­na­ti­on – für eine gesun­de und umwelt­be­wuss­te Ernäh­rung.

Quel­len: Green­peace Maga­zin 02/2013 sowie die Inter­net­sei­ten von Food­watch, Minis­te­ri­um für den Länd­li­chen Raum und Ver­brau­cher­schutz B‑W, Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ernäh­rung, Land­wirt­schaft und Ver­brau­cher­schutz, Bun­des­ver­band der Kin­der- und Jugend­ärz­te sowie Dt. Gesell­schaft für Ernäh­rung e. V.