02.01.2018 – Als Gastbeitrag im Handelsblatt erschienen
Da muss mehr Zug rein
Die Deutsche Bahn trägt nicht an allen Verspätungen und Zugausfällen die Schuld. Doch sie verbaut sich selbst ihre Chance, mehr Fahrgäste zu gewinnen. Der Konzern sollte sich endlich auf sein Kerngeschäft konzentrieren.
Die Deutsche Bahn hat vor zwei Jahren eine Qualitätsoffensive angeschoben. Doch in den letzten Wochen, zwischen Herbststürmen und der Inbetriebnahme der ICE-Strecke zwischen Berlin und München, kamen die altbekannten Probleme zurück. Störungen, Zugausfälle und stundenlange Verspätungen verhagelten den Herbst. Trotz vieler Anstrengungen gelingt es der Bahn in Deutschland nicht, der Straße relevante Marktanteile abzunehmen.
Erstens liegt das an der deutschen Verkehrspolitik: Über Jahre waren die Bahn und ihr Netz von der Politik vernachlässigt worden. Die so entstandenen Engpässe sollten schneller beseitigt werden, um Kapazität im Netz wieder aufzubauen.
Zweitens: Das Baustellenmanagement selbst ist eine Dauerbaustelle. Kürzlich wies die für ihre Zurückhaltung bekannte Bundesnetzagentur auf die Mängel hin: Baumaßnahmen laufen selten wie geplant ab, sind häufig schlecht kalkuliert und schlecht kommuniziert. Kurzfristige Umplanungen sind die Folge, über die sich der Fahrgast ärgert.
Drittens: Der Baumschnitt entlang der Bahnstrecken muss regelmäßiger erfolgen. Während der Herbststürme im Oktober sind über 6.000 Züge ausgefallen, fast 400.000 Reisende waren betroffen. Eine gute Vegetationspflege sorgt dafür, dass keine Bäume auf die Gleise stürzen und keine Oberleitungen reißen.
Viertens: Die Reparatur der Züge muss verbessert werden. Dass wegen fehlender Werkstattkapazitäten zum morgendlichen Betriebsbeginn Züge mit fehlenden Wagen und mit Störungen aufs Gleis gesetzt werden, spricht Bände. So verzögern defekte Türen den Ein- und Ausstieg und kosten wichtige Zeit.
Fünftens: Die Deutsche Bahn muss sich endlich auf ihr Kerngeschäft, die Eisenbahn in Deutschland, konzentrieren. Töchter und Beteiligungen, die dafür keine oder nur untergeordnete Beiträge leisten, sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Denn der Konzern ist derzeit schwerfällig und kaum zu führen. Die Erlöse aus dem Verkauf von Töchtern wie Schenker und Arriva sind für Investitionen ins Netz gut angelegt.
Die Bahn ist nicht für alle Verspätungen verantwortlich. Aber es sind noch viele Potenziale für eine verlässlichere Bahn vorhanden. Diese zu heben, das sind die Hausaufgaben von Bahn und Politik.
Denn die Störungen bei der Bahn kosten Zeit, im Pendlerverkehr wie auf Reisen. Der Bahn selber raubt die Störanfälligkeit die Aussicht auf relevante Marktzuwächse im Verkehrsmarkt. Die Wachstumspotenziale sollte sie aber heben können. Daher braucht es mehr Zug für die Bahn.
Der Autor ist Verkehrspolitiker der Grünen- Bundestagsfraktion.