04.01.2019
Mit Verbesserungen für S‑Bahn nicht auf Stuttgart 21 warten
Brief an den Verband Region Stuttgart (VRS, Aufgabenträger für die S‑Bahn)
die Fahrgäste in den beiden Außenästen der S1 (Kirchheim u. T. bzw. Nürtingen) und der S2 (Filderstadt) warten sehnlichst auf den Viertelstundentakt der S‑Bahn. Die Region hat diese Ziele bereits definiert.
Wir, die beiden unterzeichnenden Abgeordneten, sind der Meinung, dass die Umsetzung zu dem Zeitpunkt anvisiert werden sollte, ab dem die hierfür erforderlichen Fahrzeuge vorhanden sind. Dies wird bis Ende 2022 der Fall sein. Wir bitten also den VRS als Aufgabenträger für die S‑Bahn, den Viertelstundentakt ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2022 nach Filderstadt sowie nach Nürtingen bzw. Kirchheim unter Teck zu planen und die Voraussetzungen für eine zeitnahe Umsetzung zu schaffen.
In unserer Region, die so stark von Staus und noch immer zu hoher Luftbelastung geprägt ist, sollten Fahrgäste auf allen Abschnitten des S‑Bahn-Netzes so schnell wie möglich von attraktiveren Taktangeboten profitieren. Dies gilt für den Filderbereich genauso wie für Kirchheim unter Teck sowie den Raum Nürtingen, der erstmals an die S‑Bahn angebunden werden würde.
S‑Bahn nach Nürtingen:
Hierzu ist zu ergänzen, dass die Menschen in Oberboihingen seit Jahren enormen Belastungen durch die Großbaustelle für Stuttgart 21 bzw. die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm inklusive der Wendlinger Kurve ausgesetzt sind und möglichst frühzeitig von Angebotsverbesserungen auf der Schiene profitieren sollten. Wenn eine Prüfung bestätigt, dass zusätzliche S‑Bahnen der Linie S1 neben den Zügen des Regional- und Fernverkehrs fahren können, sollte die Taktverdichtung vorgenommen werden. In Nürtingen sind dafür voraussichtlich Anpassungen am Bahnsteig und gegebenenfalls auch an der Gleislage erforderlich, die zügig final geklärt und angegangen werden sollten.
Verbesserte Bahnanbindung für Kirchheim unter Teck
Wir sehen zwei Möglichkeiten, die beide näher untersucht werden sollen:
- Möglichkeit eins: Ausweitung des Taktes auf der Bestandsstrecke:
Wie uns von Seiten der Deutschen Bahn AG mitgeteilt wurde und eigene Überprüfungen bestätigen, ist ein Viertelstundentakt auf der S1 nach Kirchheim unter Teck grundsätzlich technisch machbar. Alleinige Voraussetzungen für die Realisierung des Viertelstundentakts auf der S1 nach Kirchheim unter Teck seien die Ertüchtigung des vorhandenen zweiten Gleises samt vorhandenem Bahnsteig in der Station Ötlingen, die selbige Ertüchtigung des bereits vorhandenen zweiten Durchfahrtsgleises samt Bahnsteig in der Station Kirchheim sowie die Bereitstellung eines weiteren S‑Bahn-Zuges für eine sog. überschlagene Wende im Bahnhof Kirchheim unter Teck. Die Infrastrukturmaßnahmen ließen sich unseres Erachtens rasch realisieren. Wir bitten Sie daher um Prüfung, bis wann der Viertelstundentakt auf der S1 nach Kirchheim unter Teck eingeführt werden könnte.
- Möglichkeit zwei: Teckbahn nach Wendlingen /Flügeln der S1:
- Durchbindung der „Teckbahn“, die derzeit zwischen Oberlenningen und Kirchheim verkehrt, bis Wendlingen am Neckar. Voraussichtlich lässt sich dadurch in Wendlingen ein besserer Anschluss in Richtung Tübingen ermöglichen (die Wartezeit beträgt heute meist ca. 20 Minuten). Für Fahrgäste aus Lenningen entfiele ein Umstieg. In Kirchheim und Wendlingen könnten sich darüber hinaus möglicherweise bessere Anschlüsse auf die Busse ergeben.
- Sollte die Region sowohl den Halbstundentakt der S‑Bahn nach Nürtingen (ergänzend zu den Regionalbahnverbindungen) und den Viertelstundentakt nach Kirchheim unter Teck favorisieren, so könnte jede zweite S‑Bahn der Linie S1 in Plochingen geflügelt werden. Dann könnten der eine Zugteil nach Nürtingen und der andere nach Kirchheim unter Teck fahren. Auf dem Rückweg nach Stuttgart würden die Zugteile wieder gekuppelt werden und als ein Zug weiterfahren. Die halbstündige S1, die nicht in Plochingen geteilt wird, fährt wie bisher nach Kirchheim unter Teck.
Schrankenschließzeiten in Wendlingen
Kritiker des Viertelstundentakts auf der S1 nach Kirchheim unter Teck tragen vor, dass mit einem Viertelstundentakt lange Schließzeiten der Bahnübergänge in Wendlingen am Neckar einhergehen würden. Diesem Argument verschließen wir uns nicht, sehen gleichwohl hierfür Lösungsansätze: Wir bitten wir Sie bzw. die Deutsche Bahn um Prüfung, welche Möglichkeiten bestehen, die Schrankenschließzeit auf das gesetzliche Mindestmaß zu beschränken. Hierfür sehen wir mit einer Ausstattung von Strecke und Fahrzeugen mit der elektronischen Zugsteuerung ETCS (European Train Control System) eine Möglichkeit, um zu kürzeren Schrankenschließzeiten zu gelangen. Wie Ihnen bekannt ist, hat die Landesregierung hierfür eine umfangreiche Ko-Finanzierung zugesagt. Entsprechende Beschlüsse des Ministerrats liegen vor. Eine andere Möglichkeit kann in der neuen SCI-LX-Schnittstelle liegen, mit der die Annäherungsstrecken im Hinblick auf die Anrückmeldung optimiert werde und die Schließzeit des Bahnübergangs auf die jeweilige Zugfahrt zeitoptimiert wird (siehe Bundestags-Drucksache 19/11370).
Zwei Anmerkungen zur S‑Bahn nach Filderstadt:
- Die Taktverdichtung lässt sich höchstwahrscheinlich ohne Anpassungen der Infrastruktur umsetzen. Die für Stuttgart 21 erforderlichen Infrastrukturanpassungen abzuwarten macht aus unserer Sicht keinen Sinn, da die S‑Bahnen in den Hauptverkehrszeiten schon heute stark ausgelastet sind und die Bauarbeiten für Stuttgart 21 frühestens im Jahr 2024, möglicherweise aber auch später, starten werden. Der VRS ist Aufgabenträger für die S‑Bahn und sollte nicht länger mit der Angebotsverdichtung warten, sollte aber „Stuttgart 21“ bei der Fahrplanplanung berücksichtigen. Umgekehrt sollte die Taktverdichtung bei der S‑Bahn zwischen Flughafen und Filderstadt, die eine veränderte Taktlage auf dem Abschnitt zwischen Rohr und Flughafen zur Folge hat, bei den infrastrukturellen Anpassungen an der Strecke mitbedacht werden. Dazu gehört, dass kapazitätserweiternde Maßnahmen wie ein 3. Gleis von der „Rohrer Kurve“ bis Oberaichen entsprechend der Empfehlung Prof. Hohnacker (der im Auftrag der Stadt Leinfelden-Echterdingen tätig wurde) untersucht wird.
- Eine weitere Bitte bezieht sich auf das Zugsicherungssystem ETCS, nachdem nun klar ist, dass der neue Bahnknoten Stuttgart ausschließlich mit ETCS ausgerüstet werden soll und damit auch alle S‑Bahnen mit der hierfür erforderlichen Hard- und Software ausgestattet werden müssen. Wir begrüßen diese Entscheidung. Nun sollte auch untersucht werden, welche weiteren Streckenabschnitte der S‑Bahn davon profitieren könnten und ausschließlich damit (unter Verzicht auf ortsfeste Signale; in der Ausschreibung wird unseres Wissens auf „ETCS L2mS; Anzahl Lichtsignale ggf. reduziert“ gesetzt) ausgestattet werden sollten. Auf dem Streckenabschnitt bis zum Flughafen könnte das System von Vorteil sein, da es hier zu Zugkreuzungen kommen soll, die mittels ETCS möglicherweise mit geringeren Sperrzeiten verbunden wären.
Fazit: Ab dem Zeitpunkt der Auslieferung zusätzlicher Fahrzeuge für die S‑Bahn wollen wir die Taktangebote nach Filderstadt, Nürtingen und Kirchheim unter Teck verbessert haben. Für Filderstadt soll der Viertelstundentakt der S‑Bahn realisiert werden. Die S‑Bahn der Linie S1 soll auf einen Viertelstundentakt verdichtet werden, so dass jeder zweite Zug nach Nürtingen fährt. Für Kirchheim unter Teck sind zwei Möglichkeiten zur Taktverbesserung denkbar: Entweder wird die „Teckbahn“ von Oberlenningen bis Wendlingen durchgebunden oder die zusätzlichen S‑Bahnen nach Nürtingen werden in Plochingen geteilt, so dass ein Zugteil nach Nürtingen und der andere Zugteil nach Kirchheim unter Teck fährt.
Wir sehen Ihrer Antwort mit Interesse entgegen und bedanken uns im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Hintergrundinfo zum Viertelstundentakt nach Filderstadt: https://www.matthias-gastel.de/s‑bahn-filderstadt/