Gedanken über Aktionen der „Letzten Generation“

Kli­ma­schutz wird erschwert

Als Grü­ne Kli­ma­par­tei freu­en wir uns im Grund­satz über jede Unter­stüt­zung für den Kli­ma­schutz. Über jede? Die Akti­ons­for­men der „Letz­ten Gene­ra­ti­on“ lösen teils hef­ti­ge Debat­ten aus. War­um wir als Grü­ne dar­über alles ande­re als glück­lich sein kön­nen füh­re ich nach­fol­gend aus.

Mein Ein­druck ist, dass wir uns in der Bun­des­tags­frak­ti­on in sehr wei­ten Tei­len einig sind, dass wir die Akti­ons­for­men der “Letz­ten Gene­ra­ti­on” (LG) ableh­nen müs­sen. Wir begrün­den das immer wie­der: Ein wesent­li­cher Grund ist, dass wir Beschä­di­gun­gen von Kul­tur­gü­tern und Akti­ons­for­men, die weit über spo­ra­di­sche und sym­bo­li­sche Aktio­nen hin­aus­ge­hen, aber wie­der­hol­te und andau­ern­de Geset­zes­brü­che dar­stel­len, als Rechts­staats­par­tei nicht gut­hei­ßen kön­nen. Zwei­tens: Wir müs­sen bereits mäch­tig für poli­ti­sche Mehr­hei­ten und um die gesell­schaft­li­che Akzep­tanz von Kli­ma­schutz­maß­nah­men kämp­fen. Immer wie­der in einen Topf mit der LG und deren Akti­ons­for­men gewor­fen zu wer­den, macht uns das Leben als Grü­ne noch schwe­rer. Man sieht ja, dass bei der LG alle über die Akti­ons­for­men reden, aber man kaum mehr mit der Begrün­dung durch­dringt für die Not­wen­dig­keit von wirk­sa­mem Kli­ma­schutz und den dafür erfor­der­li­chen Maß­nah­men. Weni­ger Debat­te um Akti­ons­for­men und mehr über die Not­wen­dig­keit, Treib­haus­gas­emis­sio­nen redu­zie­ren zu müs­sen, ist nötig. Bei­des von­ein­an­der zu tren­nen ist einem Groß­teil von Poli­tik und Öffent­lich­keit ganz offen­sicht­lich nicht mög­lich.

Die Akti­ons­for­men der LG sto­ßen auf har­te gesell­schaft­li­che Ableh­nung. 85 Pro­zent der Bürger*innen leh­nen die­se einer reprä­sen­ta­ti­ven Befra­gung zufol­ge ab.[1] Vor allem unter den Anhänger*innen der­je­ni­gen Par­tei­en, die erst noch für einen wirk­sa­men Kli­ma­schutz gewon­nen wer­den müs­sen, ist die Ableh­nung beson­ders groß. Die Fri­days for Future-Akti­vis­tin Lui­sa Neu­bau­er kommt ange­sichts des­sen zum Schluss: „Stand jetzt hat die Ent­wick­lung von Pro­test­for­men, von eini­gen Bewe­gun­gen […] ten­den­zi­ell dazu geführt, dass Poli­ti­ke­rin­nen das Gefühl haben, sie pro­fi­lie­ren sich eher dadurch, indem sie sich von Kli­ma­schutz, von gutem, strin­gen­tem Kli­ma­schutz abwen­den, und das ist gefähr­lich. Und in mei­nen Augen ein rie­sen­gro­ßes Argu­ment dafür, die Mehr­heit nicht aus dem Blick zu ver­lie­ren.“ Dem kann ich mich anschlie­ßen. Zurecht weist Neu­bau­er aber auch dar­auf hin, dass es die Kli­ma­be­we­gung ist, die auf die Ein­hal­tung gel­ten­den Rechts drängt, näm­lich auf Basis des deut­schen Kli­ma­schutz­ge­set­zes, des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts-Urteils aus dem Jahr 2021 und das Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men. Gegen all die dar­aus resul­tie­ren­den Pflich­ten wird seit Jah­ren ver­sto­ßen, indem aus­rei­chen­de Kli­ma­schutz­maß­nah­men ver­wei­gert und ver­bind­li­che Kli­ma­zie­le ver­fehlt wer­den. Wer also die Let­ze Gene­ra­ti­on für ihre Geset­zes­ver­stö­ße kri­ti­siert, muss dem­nach sich selbst fra­gen, was sie/er für das Errei­chen von Kli­ma­zie­len bei­trägt. Hier ist ins­be­son­de­re die Poli­tik gefor­dert, ihre eige­ne Rol­le selbst­kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Sie ver­pflich­tet sich näm­lich zu dem, wor­an sie sich anschlie­ßend nicht hält.

Die­ser Link führt zu kli­ma­schutz­re­le­van­ten Bei­trä­gen auf mei­ner Home­page: https://www.matthias-gastel.de/zum-thema/klimaschutz/

Es stellt sich mir eine viel­leicht ent­schei­den­de Fra­ge: Wel­che Kon­se­quen­zen wird die LG dar­aus zie­hen, wenn der Erfolg beim Kli­ma­schutz aus­bleibt? Der eige­nen Logik nach müss­ten dann die Akti­ons­for­men ver­schärft wer­den, um die Auf­merk­sam­keit wei­ter zu erhö­hen. Eine absur­de Logik, die Was­ser auf die Müh­len derer kippt, die kein Inter­es­se an wirk­sa­mem Kli­ma­schutz haben.

Bei aller Ableh­nung der Akti­ons­for­men der LG: Vie­le Reak­tio­nen dar­auf gehen weit über das ange­mes­se­ne und erträg­li­che Maß hin­aus. Ver­glei­che mit der RAF sind bei­spiels­wei­se völ­lig abstrus. Die lG ope­riert in aller Öffent­lich­keit und ver­steckt sich nicht. Sie ist ansprech­bar (auch für Kri­tik) und übt kei­ne Gewalt gegen Men­schen aus. Der Prä­si­dent des Bun­des­ver­fas­sungs­schut­zes, Tho­mas Hal­den­wang, sieht daher auch kei­ne „hin­rei­chen­den Anhalts­punk­te für eine Gefähr­dung der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung.“ Damit sind staat­li­che Maß­nah­men wie Abhör­ak­tio­nen durch Ermitt­lungs­be­hör­den frag­wür­dig.

Abzu­leh­nen ist auch, wie lei­der vie­le Auto­fah­ren­de auf Blo­cka­den reagie­ren. Ein Ein­schrei­ten ist aus­schließ­lich der Poli­zei vor­be­hal­ten. Demons­trie­ren­de, die auf der Fahr­bahn sit­zen, unter Hin­zu­fü­gung von Schmer­zen weg­zu­zie­hen, zu schla­gen oder mit Far­be zu besprü­hen ist nichts ande­res als Kör­per­ver­let­zung und muss straf­recht­lich ver­folgt wer­den. Es ist noch dar­auf hin­zu­wei­sen, dass im Umgang mit Blo­cka­den immer ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen wie Demons­tra­ti­ons­frei­heit und Kli­ma­schutz abzu­wä­gen sind. Dar­auf ver­wei­sen Juris­ten. Ein Grund mehr, den Umgang mit Demons­trie­ren­den dem Staat zu über­las­sen statt Selbst­jus­tiz aus­zu­üben.

Fazit:

FFF strahl­te mit ihren Demos Freu­de und Lust auf Zukunft aus. Das moti­vier­te Men­schen, sich auf Ver­än­de­run­gen zuguns­ten von mehr Kli­ma­schutz ein­zu­las­sen. Die LG wirkt offen­bar nicht nur auf mich ver­bit­tert. Das bewirkt gesell­schaft­lich das Gegen­teil. Letzt­lich macht die LG mit ihren Aktio­nen poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che Mehr­hei­ten für dem Kli­ma­schutz erheb­lich schwe­rer.

Die­ser Text stellt die Über­ar­bei­tung eines Bei­trags von mir aus dem April dar

[1] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/klima-proteste-umfrage-aktivisten-letzte-generation-100.html