Geplante Änderung der Straßenverkehrsordnung

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Tempo 30 Bild 126.02.2016

Der Bund plant eine Ände­rung der Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung (StVO). Dabei geht es um die Aus­wei­sung von Tem­po 30 durch die Kom­mu­nen, das Rad­fah­ren mit Kin­dern und den Umgang mit E‑Bikes. Was völ­lig fehlt ist eine Stra­te­gie zur Ver­mei­dung von Rechts­ab­bie­ge­un­fäl­len.

Tem­po 30 inner­orts

Künf­tig sol­len die Städ­te und Gemein­den aus Sicher­heits­grün­den vor Kitas, Schu­len oder Senio­ren­ein­rich­tun­gen auch dann Tem­po 30 aus­wei­sen dür­fen, wenn es sich um Bundes‑, Lan­des- oder Kreis­stra­ßen han­delt. Der Nach­weis eines Unfall­schwer­punk­tes ist dafür nicht mehr erfor­der­lich. Ent­ge­gen vie­ler Bericht­erstat­tun­gen in Medi­en han­delt es sich jedoch kei­nes­wegs um die erleich­ter­te Ein­bin­dung von Haupt­durch­gangs­stra­ßen in Tem­po 30-Zonen. Viel­mehr muss die Tem­po 30-Rege­lung auf kur­ze, bis zu 300 Meter lan­ge Abschnit­te beschränkt blei­ben (um „den Ver­kehrs­fluss nicht zu gefähr­den“). Als ob dies noch nicht Büro­kra­tie genug wäre, gibt es wei­te­re Vor­ga­ben. So sol­len die Anord­nun­gen „so weit mög­lich“ auf die Öff­nungs­zei­ten der Kitas und Schu­len (und was ist mit den Pfle­ge­ein­rich­tun­gen?) beschränkt wer­den. Und Tem­po 30 darf aus­drück­lich nur aus Ver­kehrs­si­cher­heits­grün­den, nicht aber etwa zur Lärm­re­du­zie­rung, ver­hängt wer­den. Die Län­der haben bei der Tem­po­re­ge­lung mehr Rech­te für die Kom­mu­nen erkämpft. Das was jetzt vom Bund kommt ist ein rich­ti­ger, aber lei­der nur halb­her­zi­ger Schritt. Wir Grü­nen for­dern, dass die Kom­mu­nen nicht nur an ein­zel­nen aus­ge­wähl­ten Stel­len, son­dern inner­orts gene­rell über Tem­po­li­mits ent­schei­den dür­fen. Die Kom­mu­nen kön­nen die Ange­mes­sen­heit vor Ort selbst am bes­ten ein­schät­zen und leis­ten damit einen wesent­li­chen Bei­trä­ge für die Sicher­heit aller Ver­kehrs­teil­neh­mer.

Rad­fah­ren mit jün­ge­ren Kin­dern

Bis Kin­der acht Jah­re alt wer­den, dür­fen sie nicht auf der Fahr­bahn, son­dern müs­sen auf dem Geh­weg fah­ren (Ach­tung: Der Rad­weg ist für Kin­der die­ses Alters nicht erlaubt! Sie­he § 2 Abs. 5 StVO). Die fol­gen­den zwei Jah­re dür­fen sie frei zwi­schen Fahr­bahn und Gehweg/Radweg wäh­len, anschlie­ßend wird der Geh­weg tabu.

Und was machen die Eltern, die ihre Kin­der beim Rad­fah­ren beglei­ten wol­len und müs­sen? Sie ste­cken häu­fig im Dilem­ma: Auf dem Geh­weg dür­fen sie nicht radeln. Und von der Fahr­bahn aus kann schnell mal durch par­ken­de Fahr­zeu­ge die Sicht auf den Nach­wuchs ver­sperrt wer­den. Es gab sogar schon den Fall, dass Eltern stra­ßen­ver­kehrs­recht­lich alles kor­rekt gemacht haben, nach einem Unfall ihres Kin­des auf dem Geh­weg aber wegen Ver­nach­läs­si­gung der Auf­sichts­pflicht ver­ur­teilt wur­den.

Längst über­fäl­lig ist es, die absur­de Situa­ti­on auf­zu­lö­sen, dass Kin­der und ihre Auf­sichts­per­so­nen in Deutsch­land nicht rechts­si­cher gemein­sam auf einem Weg Rad­fah­ren kön­nen. Mit der Ände­rung der StVO wird beab­sich­tigt, „eine geeig­ne­te Auf­sichts­per­son“ im Min­dest­al­ter von 16 Jah­ren mit den Kin­dern gemein­sam auf den Geh­we­gen fah­ren zu las­sen. Die gemein­sa­me Geh­weg­nut­zung wird jedoch in vie­len Fäl­len die Kon­flik­te zwi­schen Rad­fah­rer- und Fuß­gän­ge­rIn­nen ver­stär­ken. Bes­ser wäre es, Auf­sichts­per­so­nen und Kin­dern auch frei­zu­stel­len, gemein­sam einen Rad­weg zu benut­zen. Rea­li­täts­fern bleibt die Rege­lung, dass auf dem Geh­weg radeln­de Kin­der (und damit auch die beglei­ten­den Eltern) beim Über­que­ren der Fahr­bahn abstei­gen müs­sen.

E‑Bikes auf Rad­we­gen

Der Bund beab­sich­tigt, E‑Bikes künf­tig mit Mofas ver­hal­tens­recht­lich gleich­zu­stel­len. Was das Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um jedoch genau unter „E‑Bike“ ver­steht bleibt unklar. Im Ver­ord­nungs­ent­wurf heißt es dazu: „E‑Bikes im Sin­ne die­ser Ände­rung sind ein­spu­ri­ge Fahr­zeu­ge, die sich mit Hil­fe des Elek­tro­an­triebs durch einen Dreh­griff oder Schalt­knopf mit einer Geschwin­dig­keit von bis zu 25 km/h fah­ren las­sen, auch ohne dass der Fah­rer gleich­zei­tig in die Peda­le tritt.“ Die­se for­mu­lie­rungs­tech­ni­sche Meis­ter­leis­tung lässt selbst Ver­kehrs­ju­ris­ten etwas rat­los zurück. Es bleibt unklar, ob Elek­tro­mo­fas (beschränkt auf 25 km/h) oder die deut­lich schnel­le­ren S‑Pedelecs (Elek­tro­un­ter­stüt­zung bis 45 km/h, wenn zugleich in die Peda­le getre­ten wird; die­se sind recht­lich Kraft­fahr­zeu­ge) gemeint sind.

Was auch immer gemeint ist: Inner­orts dür­fen die Kom­mu­nen mit­tels eines neu­en Zusatz­zei­chens „geeig­ne­te Rad­we­ge“ frei­ge­ben. Außer­orts dür­fen die­se Fahr­zeu­ge künf­tig gene­rell auf Rad­we­gen fah­ren.

Ver­mei­dung von Rechts­ab­bie­ge­un­fäl­len

Was in der StVO-Novel­le völ­lig fehlt sind Maß­nah­men zur Ver­mei­dung von Rechts­ab­bie­ge­un­fäl­len. Zum Hin­ter­grund: Mit die häu­figs­ten und schwer­wie­gends­ten Rad­ver­kehrs­un­fäl­le sind die, bei denen Auto- und vor allem Bus- und LKW-Fah­rer in Mün­dungs- und Kreu­zungs­be­rei­chen rechts neben ihnen war­ten­de oder von hin­ten her­an­fah­ren­de Rad­fah­rer beim rechts Abbie­gen über­se­hen (toter Win­kel!). Eini­ge Staa­ten und Städ­te haben dar­auf reagiert, indem sie Rad­fah­ren­den unter bestimm­ten Umstän­den das Abbie­gen bei Rot erlau­ben. Klingt gefähr­lich, redu­ziert aber tat­säch­lich das Unfall­ri­si­ko. Eine der Bedin­gun­gen kann sein: Die/der Rad­fah­ren­de muss am Mün­dungs­be­reich stop­pen und sich davon über­zeu­gen, dass von links kein Fahr­zeug kommt und von gera­de­aus nie­mand nach links abbie­gen möch­te. Die rote Ampel wird also für den Rad­ver­kehr zum Stopp­schild. Es ist bedau­er­lich, ja sogar erbärm­lich, dass die Bun­des­re­gie­rung noch nicht ein­mal bereit ist, sich mit den Erfah­run­gen andern­orts zumin­dest mal aus­ein­an­der zu set­zen. Zumal sich auch deut­sche Kom­mu­nen dafür ein­set­zen.