Gespräch: Klinik- und Apothekenalltag in Pandemiezeiten

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04.12.2020

„Corona zwingt uns zum Improvisieren“

Wie hat ein Apo­the­ker und wie haben Beschäf­tig­te einer Kli­nik das Coro­na-Jahr 2020 erlebt? Wo ste­hen wir heu­te und wie fällt der Blick auf die nächs­ten Wochen aus? Dar­über sprach ich bei einer öffent­li­chen Ver­an­stal­tung mit Praktiker*innen.

Cars­ten Wag­ner ist Apo­the­ker in Fil­der­stadt. Mit sei­ner Frau betreibt er vier Apo­the­ken. Er hat sehr früh zu spü­ren bekom­men, wie im März plötz­lich die Nach­fra­ge nach Des­in­fek­ti­ons­mit­teln rasant anstieg. Eine sei­ner Apo­the­ken befin­det sich neben einem Hotel mit vie­len chi­ne­si­schen Über­nach­tungs­gäs­ten. Durch sie setz­te der Run auf Des­in­fek­ti­ons­mit­tel bereits zu einem Zeit­punkt ein, als die­ser anders­wo noch nicht zu ver­spü­ren war. Wag­ner hat­te sich in einem Zei­tungs­in­ter­view mit den Wor­ten geäu­ßert, er habe noch nie erlebt, dass es in Deutsch­land kein Des­in­fek­ti­ons­mit­tel mehr gebe. Daher hat er zur Selbst­hil­fe gegrif­fen und es sel­ber pro­du­ziert. Die Infra­struk­tur dafür sei bereits vor­han­den gewe­sen. Doch selbst an Alko­hol, Gly­ce­rin und an die Fla­schen fürs Abfül­len zu kom­men sei nicht ein­fach gewe­sen. Über die klas­si­schen Lie­fe­ran­ten sei nichts mehr gelau­fen. Man habe auch nachts und an Wochen­en­den gear­bei­tet und allei­ne bis Ende März schon 500 Liter pro­du­ziert. Aus der Bevöl­ke­rung habe es immer wie­der Ange­bo­te gege­ben, die hei­mi­schen Schnaps­vor­rä­te zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die­se habe man jedoch nicht anneh­men kön­nen. Knapp gewe­sen sei­en auch Hand­schu­he und Mas­ken sowie bestimm­te Medi­ka­men­te.

Knapp zuge­gan­gen ist es manch­mal auch in der Fil­der­kli­nik, wie Dr. med. Ste­fan Hil­ler, Ärzt­li­cher Direk­tor und lei­ten­der Arzt der Fil­der­kli­nik und deren Pfle­ge­dienst­lei­te­rin Caro­la Riehm berich­te­ten. FFP 2- und noch mehr FFP 3‑Masken  sei­en knapp gewe­sen. Damit sei es schwer gewe­sen, das eige­ne Per­so­nal immer opti­mal vor den Infek­ti­ons­ri­si­ken zu schüt­zen. Die zuneh­men­de Anzahl an mit Coro­na Erkrank­ten sei im Früh­jahr eine gro­ße Belas­tung gewe­sen. Dies habe mit ver­schie­de­nen Fak­to­ren zu tun gehabt. So sei­en die Krank­heits­ver­läu­fe häu­fig schwer und lang­wie­rig gewe­sen. Das Arbei­ten in Schutz­aus­rüs­tung sei über­dies beson­ders anstren­gend. Den gan­zen Som­mer über sei die Iso­lier­sta­ti­on betrie­ben wor­den, eine wirk­li­che Ent­las­tung habe es daher nicht gege­ben. Urlaub sei das gan­ze Jahr über nicht plan­bar gewe­sen und vie­le Über­stun­den hät­ten sich ange­sam­melt. Das Per­so­nal sei sehr ent­täuscht dar­über gewe­sen, dass es zunächst von der Coro­na-Prä­mie des Bun­des nicht pro­fi­tiert habe (Hin­weis: Die Prä­mie war ursprüng­lich aus­schließ­lich für das Pfle­ge­per­so­nal in Pfle­ge­hei­men beschlos­sen wor­den).

Wie konn­te das Per­so­nal in den Apo­the­ken vor mög­li­chen Infek­tio­nen geschützt wer­den? Cars­ten Wag­ner berich­te­te, dass schon sehr früh Ple­xi­glas­schei­ben auf­ge­stellt und das Per­so­nal in fes­ten Schicht­grup­pen ein­ge­teilt wor­den sei, um zu ver­mei­den, dass im Extrem­fall alle in Qua­ran­tä­ne müss­ten. Die Kun­den wür­den sich ver­nünf­tig ver­hal­ten, Mas­ke tra­gen und Abstand hal­ten. Vor einer sei­ner Apo­the­ken sei ein Zelt auf­ge­baut wor­den, um das War­ten vor der Türe zu erleich­tern.

Zurück zur Fil­der­kli­nik: Die Zah­len der durch Coro­na Erkrank­ten, die sta­tio­när behan­delt wer­den müs­sen, steigt deut­lich und liegt über dem Niveau des Früh­jahrs. Auf der Coro­na-Sta­ti­on lie­gen gegen­wär­tig 12 bis 14 Per­so­nen. Hin­zu kom­men drei bis vier Patient*innen auf der Inten­siv­sta­ti­on, die zumeist beatmet wer­den müs­sen. Die Betreu­ungs­in­ten­si­tät die­ser Patient*innen sei über­durch­schnitt­lich hoch. Die Pfle­ge und medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung auf­recht zu erhal­ten sei durch einen hohen Kran­ken­stand beim Per­so­nal (teil­wei­se Coro­na-Fäl­le) zusätz­lich erschwert. Vie­le Pfle­ge­kräf­te sei­en erschöpft. Die Sor­ge, ob die Situa­ti­on wei­ter zu bewäl­ti­gen sei, sei groß. Die Kli­nik erhal­te kei­ne Frei­hal­te­prä­mie, wes­halb der Kli­nik­be­trieb weit­ge­hend nor­mal wei­ter lau­fen müs­se. Die Corona-Patient*innen sei­en also zusätz­lich zu ver­sor­gen. Es gebe aber täg­lich die Dis­kus­si­on, ob ande­re Kli­nik­be­rei­che her­un­ter­ge­fah­ren wer­den müs­sen, da sich der Inten­siv-Bereich zuneh­mend voll auf die schwer Coro­na-Erkrank­ten kon­zen­trie­ren müs­se.

Zum Schluss des sehr inter­es­san­ten Gesprächs dank­te ich allen, die sich für die Ver­sor­gung von an Coro­na erkrank­ten Men­schen enga­gie­ren. Dan­ke an alle in Art­pra­xen, Kli­ni­ken, Apo­the­ken, Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und ande­ren Berei­chen des Gesund­heits­we­sens Beschäf­tig­ten, die sich für unse­re Gesund­heit und die Gene­sung der Erkrank­ten ein­brin­gen!