Plenarrede zum “Europäischen Jahr der Schiene”
Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es könnte alles so schön sein: Europa und die Bahn, beides passt wunderbar zusammen. – Was nicht zusammenpasst, ist die Koalition von CDU/CSU und SPD auf der einen und die Bahn auf der anderen Seite.
Schauen wir mal in den Antrag der beiden Koalitionsfraktionen und auf die praktizierte Bahnpolitik hier in Deutschland. Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Aufwuchs der Mittel im Schienenetat“. Bei einem Blick in den Etat 2020 stellen wir dann fest: 1,6 Milliarden Euro für Aus- und Neubau der Schienenwege und doppelt so viel für neue Straßen.
Sie schreiben in Ihrem Antrag: „Ausbau der Schienenwege … schreitet weiter voran“. Die Realität? Leider nicht in Deutschland. 2020, im letzten Jahr: 125 Kilometer Straßenzubau – alleine Straßen des Bundes -, 0 Kilometer neue Schienenwege. Wir haben verschiedene Verträge mit Nachbarstaaten für den Ausbau des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs. Die Nachbarstaaten haben ausgebaut, Deutschland nicht. Seit den Vertragsunterzeichnungen sind viele Jahre vergangen, und nichts wurde gebaut: Frankfurt–Nürnberg–Prag 30 Jahre, die Oberrheinstrecke Richtung Schweiz 45 Jahre. Deutschland ist Nachzügler.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Welch ein unschönes Wort für diese Fakten! Viel versprochen und nichts gehalten.
Sie schreiben in Ihrem Antrag: Ein Schwerpunkt muss die Elektrifizierung sein. – Sie haben kürzlich 173 Bahnstrecken bezüglich ihrer Tauglichkeit oder Notwendigkeit für die Elektrifizierung untersucht. Gerade mal zwei davon wollen Sie tatsächlich mit einer Oberleitung versehen.
Meine Damen und Herren, wir als grüne Bundestagsfraktion haben über einen langen Zeitraum intensiv an einem eigenen Bahnkonzept gearbeitet und haben heute einen entsprechenden Antrag dazu vorgelegt. Wir wollen, dass sich die Deutsche Bahn wieder auf ihr Kerngeschäft Eisenbahn konzentriert. Wir wollen, dass Infrastruktur gewinnfrei betrieben wird. Wir wollen den Deutschlandtakt mit deutlich besseren Angeboten für die Fahrgäste umsetzen.
Anders als Sie sagen wir auch, wie wir das konkret umsetzen wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren, die Bahn wieder in die Fläche bringen. Wir wollen Nachtzüge zwischen europäischen Metropolen. Wir sagen, wie wir es machen wollen. Sie können sich noch nicht mal dazu hinreißen, zu sagen: Wir senken die Trassenpreise. – Sie reden nur und tun nichts dafür.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen ökologisch schädliche Subventionen abbauen. Warum verzichtet der deutsche Staat jährlich auf über 7 Milliarden Euro an Dieselsteuer? Warum subventioniert der deutsche Staat Regionalflughäfen, die schon vor der Coronakrise nicht wirtschaftlich gearbeitet haben? Wir als Grüne wollen Verkehre auf die Schiene verlagern. Wir wollen den Menschen barrierefreie, bezahlbare, nachhaltige Mobilitätsangebote auf der Schiene machen.
Ich sage ganz bewusst und gezielt in Richtung SPD: Man kann aus der Bahn mit Blick auf einen großen, wachsenden Arbeitsmarkt so viel machen. Sie lassen all die Chancen liegen, jede Menge zukunftsfähige, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Sie als Union und SPD bremsen gemeinsam beim Klimaschutz wie auch beim Ausbau der Schienenwege. Sie bremsen den Arbeitsmarkt im Bahnsektor, der wesentlich größer werden könnten, als er es derzeit ist. Gehen Sie runter von der Bremse, -
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Gastel.
Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
- für eine starke Bahn in Europa und in Deutschland.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)