Auch in diesem Jahr war ich wieder auf der Nutzfahrzeugmesse der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Hannover. Angesagt hatten sich fast 1.700 Aussteller. Bereits im Vorfeld war vom Veranstalter, dem Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) verkündet worden, dass alle großen Lkw-Hersteller rein elektrische Lkw zeigen würden, einige wenige wie Mercedes-Benz würden auch Vorführmodelle mit Brennstoffzelle präsentieren. Doch selbst, wenn immer klarer wird, wohin die Entwicklung der alternativen Antriebe führen wird, bleiben sehr spannende Fragen: Wie wird sich die Produktpalette entwickeln, für welche Anwendungen reichen die aktuellen Reichweiten, wie entwickeln sich die Reichweiten, wie schneiden E‑Lkw wirtschaftlich im Vergleich mit Dieseltrucks ab und welche Voraussetzungen braucht es für den Hochlauf? Als Frage bleibt auch, für welche Anwendungen Wasserstoff (ob mit oder ohne Brennstoffzelle) und HVO (Kraftstoff, der aus Abfall-/Reststoffen hergestellt wird) einen Markt im Straßengüterverkehr finden wird. Wie auch immer: Fahrzeugbauer und Transportunternehmen berichten immer häufiger, sie würden von ihren Kunden aufgefordert, klimaneutrale Transporte anzubieten.[1] Im Vorfeld der IAA wurden einige Studien vorgestellt, die Antworten oder zumindest Einschätzungen liefern sollen: So stellen unabhängige Wissenschaftler fest, dass E‑Lkw schon heute bei einigen Anwendungen die Kosten von Diesel-Lkw unterbieten könnten. Dies gelte auch für Fahrzeuge mit mehr als 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht.[2] Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC geht davon aus, dass bereits im Jahr 2030 mehr als jeder fünfte Lastwagen und Bus weltweit batterieelektrisch fahren wird. Ab dem Jahr 2040 könnten es dann bereits 90 Prozent sein. Wichtigster Treiber der Entwicklung seien Vorschriften zur Reduzierung des CO 2‑Ausstoßes, die ab 2030 in allen wichtigen Weltregionen spürbar verschärft würden. Eine Voraussetzung sei der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Wenige Tage vor Eröffnung der IAA ist die Autobahn GmbH hierfür einen großen Schritt gegangen: Sie hat für die 130 nicht bewirtschafteten Rastanlagen an Autobahnen das Ausschreibungsverfahren gestartet.[3] Das Öko-Institut geht für das Jahr 2030 davon aus, dass unter den Neuzulassungen die Hälfte rein batterieelektrisch unterwegs sein werden. Der CO2-Preis inklusive der Maut sei der Treiber.[4]
Besonders konsequent setzt die Volkswagen-Tochter MAN auf die Batterie. Der MAN-Chef Vlaskamp verwies darauf, dass viele „Kunden unserer Kunden“ nachhaltige Transportwege einfordern. Zwar seien die Anschaffungskosten von E‑Lkw höher als die von Diesellastern. Die Betriebskosten stellten sich aber andersherum dar. Mit dem Emissionshandel verstärke sich der Trend weiter zugunsten des alternativen Antriebs. Der E‑Truck rechne sich in drei bis fünf Jahren. Dem Wasserstoff-Verbrenner räumt er eine Nische ein. Die gegenwärtige Flaute beim Absatz von Lastwagen nutze MAN, um Teams für den Bau von Elektrotrucks zu schulen. Lastwagen mit Batterie und die mit Diesel würden auf dem gleichen Band gebaut. Interessant fand ich den Hinweis, dass die Transportkosten (bezogen auf die Sozialprodukte) in Deutschland niedriger seien als in den USA und in China.[5]
Auch im Hause Daimler tut sich etwas. Das Unternehmen mir Firmensitz in Leinfelden-Echterdingen (meinem Wahlkreis!) nimmt im November die Produktion des E‑Actros 600 mit einer angegebenen Reichweite von 500 Kilometer auf. Doch es sind Klagen über den schleppenden Absatz zu vernehmen. Es sei keine ausreichende Lade-Infrastruktur vorhanden. Daimler Truck setzt in einem ersten Schritt auf batterieelektrische Lastwagen und dann im Zielbild auch auf Wasserstoff. E‑Lkw brächten nur ein Drittel der Energie im Vergleich zu einem Diesel-Lkw.[6]
Mein durch den Verband Deuscher Automobilindustrie geführter Rundgang über die IAA führte mich zu acht Unternehmen. Bei Volvo setzt man auf drei Technologien (Batterie, Brennstoffzelle und HVO). Zu sehen bekam ich einen Lkw mit Brennstoffzellenantrieb. Das Unternehmen verwies aber darauf, dass der batterieelektrische Antrieb der mit der frühesten Verfügbarkeit sei. Bei ZF Friedrichshafen sprachen wir auch über die wirtschaftlichen Probleme. Es gebe zu viele Standorte und zudem würden Abbestellungen bei batterieelektrischen Lkw das Zuliefergeschäft belasten. Gut laufe, was für den batterieelektrischen Bus entwickelt und produziert werde. Daimler setzt auf die Batterie und die Brennstoffzelle. Vorteil der Brennstoffzelle sei, dass diese eine gegenüber dem Diesel-Lkw nahezu unveränderte Nutzlast ermögliche und man hierbei weniger abhängig von China sei. Die Brennstoffzelle sei aber noch in der Entwicklung, während batterieelektrische Lkw marktreif verfügbar seien. Anders läuft es bei MAN: Hie setzt man eindeutig auf die Batterie und für einige Märkte (so Nordeuropa) auch auf den Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Kritisiert wurden Debatten rund um E‑Fuel. Notwendig sei stattdessen Verlässlichkeit in den Rahmenbedingungen. Zu sehen waren auch batterieelektrische Baustellenfahrzeuge. Gut würden batterieelektrische Nahverkehrsbusse laufen. Der nächste Schritt seien elektrische Reisebusse. Weitere Unternehmen, die ich besucht habe: Schmitz Cargobull, Mahle, BPW und Adasky.
Immer wieder habe ich Speditionen und andere Unternehmen besucht, um auch über alternative Antriebe zu sprechen. Nachfolgend zwei dazu passende Links:
https://www.matthias-gastel.de/bei-logistik-dienstleister-mosolf/
https://www.matthias-gastel.de/metallische-rohstoffe-per-bahn-oder-lkw/
[1] VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel in Tagesspiegel Background vom 16.09.2024
[2] Prof. Beert Leerkampf von der Universität Wuppertal, siehe Tagesspiegel Background vom 13.09.2024
[3] Tagesspiegel Background vom 17.09.2024
[4] Der Studie liegen Gespräche mit Herstellern wie Daimler, MAN und Tesla sowie Einschätzungen von Wissenschaftlern zugrunde. Siehe Tagesspiegel Background vom 13.09.2024
[5] Interview im Handelsblatt vom 13.09.2024
[6] FAZ vom 17.09.2024