Wandel zu spüren, aber wenig zu sehen
Die Internationale Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt hat ihre „besten“ Zeiten hinter sich. Viele Autobauer wie Toyota wollen ihre Autos nicht mehr in Frankfurt ausstellen. Aus Japan ist nur noch Honda anwesend. Auch Volvo, Renault und Kia haben keinen eigenen Stand. Füllten vor wenigen Jahren noch 1.100 Aussteller die Hallen, sind es heuer nur noch 800. Zwischen den Lücken, die die fehlenden Aussteller hinterlassen, prallen die alte und die neue Welt aufeinander. Zu sehen sind noch immer zahlreiche PS-Protze mit Verbrennungsmotor oder zunehmend als Plug-In-Variante. Auch die zunehmende Kritik an der Autoverherrlichung kratzt am Lack der Messe.
Präsentiert wird aber auch die wachsende Modellpalette von Autos mit alternativen Antrieben. Letztere waren es, über die ich mich auf der Ausstellung informiert habe. Auffällig: Gezeigt werden überwiegend Plug-In-Hybride, deren Umweltbilanz fraglich ist. Mit reinen Stromern, zumal mit solchen, die es bereits zu kaufen gibt, geizen die Hersteller nach wie vor. Für die bereits erhältlichen Modelle müssen die Kunden meist von längeren Lieferzeiten ausgehen.
VW
Der ID.3 ist – anders als es der Name vermuten lassen könnte – das erste Modell der neuen E‑Palette. Dem Konzern liegen bereits 30.000 Vorbestellungen mit Vorauszahlungen in Höhe von je 1.000 Euro vor. Die günstigste Basisversion soll unter 30.000 Euro kosten und eine Reichweite von 330 Kilometer, mindestens jedoch von 230 Kilometer, schaffen. Die mittlere Variante soll es auf 300 bis 420 und die größte auf 390 bis 550 Kilometer bringen. VW übernimmt für die Batterie eine Garantie über acht Jahre oder 160.000 Kilometer. An der Schnellladesäule kann in rund einer halben Stunde geladen werden.
Weil der Elektromotor weniger Platz beansprucht als der eines Verbrennerfahrzeuges, bietet der ID.3 mehr Innenraum. Produziert werden soll CO 2‑neutral ab November in Zwickau. Die Auslieferung soll Mitte des kommenden Jahres starten. Neben dem ID.3 sind mehr als 20 weitere E‑Modelle geplant. Damit ist VW die Marke, die die Elektrifizierung ihrer Produktpalette mittels Batterie am energischsten vorantreibt. Die Brennstoffzelle hält VW-Chef Diess erst in zehn Jahren für sinnvoll.
Auf der Messe konnte ich im ID.3 Probe sitzen, den E‑Bully „Buzz“, der ab 2023 erhältlich sein soll, sehen und mit den Unternehmensvertretern über die Herkunft der Rohstoffe für die Akkus diskutieren.
Opel
Bei Opel gab es so manche Widersprüche zu sehen. Einerseits die Neuauflage des Corsa mit einem um rund 100 Kilogramm reduzierten Gewicht – aber Verbrennungsmotor. Ihm gegenüber steht der SUV „Grandland X Hybrid“, der erste Plug-In-Hybrid von Opel. Er ist mit 200 PS (300 PS elektrisch) ausgestattet und wiegt 1,9 Tonnen. Rein elektrisch schafft er bestenfalls 52 Kilometer.
Erfreulicher ist da der rein batterieelektrische Corsa‑e, der Anfang 2020 auf den Markt kommen soll und dessen Reichweite offiziell mit 330 Kilometer angegeben wird. Kosten soll er 30.000 €. Die Produktion erfolgt in Saragossa.
Der Unternehmensvertreter am Stand, mit dem ich ein längeres Gespräch führte, bezeichnete die Übernahme von Opel durch PSA als „Glücksfall“, weil hier eine große Offenheit für E‑Mobilität vorhanden sei und sich das Unternehmen wieder globaler aufstellen dürfe als dies unter GM möglich war. Zukünftig gebe es nur noch zwei Fahrzeugplattformen (klein und groß), die beide elektrifizierbar seien. Ziel sei, dass jedes Modell sowohl als Verbrenner als auch als E‑Variante erhältlich sei. Man habe auch noch den Diesel im Blick, selbst für Kleinfahrzeuge.
Wie sieht es bei Opel mit dem Erreichen des CO2-Flottenziels aus? Die 93 Gramm., die PSA ab 2020 einhalten müsse, werde leicht unterschritten werden, bekomme ich als Antwort. Und was hält Opel von der Brennstoffzelle? Antwort: Sehr teuer, ohne Subvention nicht unter 100.000 € anzubieten und mache nur für leichte Nutzfahrzeuge Sinn.
Hyundai
Das Unternehmen wartete mit 13 ausgestellten Fahrzeugen auf. Darunter waren Kleinwagen ebenso wie ein Koloss namens i30 N Project C, das fast 180 Gramm CO2 ausstößt. Zu sehen waren auch der Kona Hybrid, der batterieelektrische Ioniq und ein Brennstoffzellenfahrzeug, von dem 6.000 Stück pro Jahr produziert und für 69.000 € (wohl vom Unternehmen subventioniert) verkauft werden sollen. Interessant war der Vergleich zwischen zwei im Grunde nahezu gleichen Fahrzeugen, von den das eine etwas höher ausfällt – und gleich mal sieben Prozent mehr Energie verbraucht.
Daimler
Daimler plant seine batterieelektrische EQ-Serie. Darüber ist noch sehr wenig bekannt. So hat der Konzern Fragen nach dem Start der Serienproduktion auf Presseanfragen im Vorfeld der IAA offen gelassen. Kein Wunder, dass der Daimler-Chef erklären musste, er sei sich nicht sicher, ob die EU-Vorgaben für die CO“-Emissionen im Jahr 2021 eingehalten werden. An rein batterieelektrischen Autos sind drei Smart-Modelle sowie zwei weitere bereits erhältlich. Dazu gesellt sich ein Brennstoffzellenfahrzeug, das es aber nur zu mieten gibt.
Am Stand erfahre ich von Unternehmensvertretern, dass Daimler ab 2022 CO2-frei produzieren wolle. Das ist gut. Mindestens genauso wichtig ist aber, was produziert wird – siehe oben.
Ich habe auch einige Zulieferbetriebe besucht.
EDAG
Das Unternehmen aus Wiesbaden erwirtschaftet mit knapp 9.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von 800 Millionen Euro. Es bezeichnet sich selber als „weltweit größter unabhängiger Entwicklungspartner der Automobilindustrie“. Im Angebot ist bspw. ein System zur Absicherung von Fahrassistenzsystemen. Das, was das Unternehmen umtreibt, bewegt sich teilweise noch im Bereich der Visionen. Dazu zählen Ideen für gemeinschaftlich nutzbare und autonom fahrende Fahrzeuge, die den Pkw im Privatbesitz überflüssig machen und den Fahrzeugbestand um 80 Prozent reduzieren soll.
Schaeffler
Homepage: „Die Schaeffler Gruppe leistet mit Präzisionskomponenten und Systemen in Motor, Getriebe und Fahrwerk sowie Wälz- und Gleitlagerlösungen für eine Vielzahl von Industrieanwendungen einen entscheidenden Beitrag für die „Mobilität für morgen“. Zu den wesentlichen Produkten zählen, so die Eigendarstellung, Fahrwerkkomponenten und ‑Systeme, Technologien für Kupplungen und Getriebe sowie Motorenelemente und darüber hinaus Antriebe für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Schaeffler-Präzisionsprodukte tragen dazu bei, weniger Kraftstoff zu verbrauchen und Schadstoffe zu emittieren. Gleichzeitig verlängern sie die Lebensdauer von Motoren und Getrieben und erhöhen Fahrkomfort und ‑dynamik. Einen Großteil der Komponenten konnte ich am Stand erläutert bekommen. Ab 2021 will das Unternehmen E‑Motoren vollständig selber bauen.
Mann und Hummel
Das Unternehmen habe ich erst vor wenigen Monaten an seinem Stammsitz in Ludwigsburg besucht. Im Fokus standen Filteranlagen für den Straßenrand, die Schadstoffe aus der Luft ziehen. Die Wirkungsweise und die Anwendungsfelder verschiedener Filtertechniken wurden mir am Stand näher erläutert.
Continental
Das Unternehmen sieht drei Trends: „Null Unfälle, null Emissionen und null Stress dank intelligenter Vernetzung und Komfort.“ (Homepage). Das Unternehmen hat dafür ein weit breiteres Angebot als Reifen, für die es bekannt ist.
Zu sehen gab es u. a. selbst entwickelte E‑Motoren, die noch im laufenden Jahr in die Serienproduktion gehen sollen. Die Produktion wird in China erfolgen. Begründung des Unternehmensvertreters auf meine Nachfrage: Diese Entscheidung habe nichts mit den Lohnstückkosten in China zu tun, sondern alleine damit, dass China einen verlässlichen Markt für E‑Mobilität darstelle.
Exkurs: Beschäftigung
Von Porsche ist bekannt, dass an den Standorten im Raum Stuttgart 1.500 neue Stellen für die Produktion von E‑Autos geschaffen wurden. Das Nebeneinander verschiedener Antriebsformen wirkt sich positiv aus. Für E‑Autos wird jedoch weniger Arbeit anfallen, da weniger Teile verbaut werden müssen. Außerdem übernehmen in modernen Fabrikationshallen automatisierte Maschinen Aufgaben, die bisher von Menschen verrichtet wurden. Dennoch sind aus der IG Metall auch positive Stimmen zu hören. „Die Zuversicht in den Wechsel zur Elektromobilität hat zugenommen“, wird beispielsweise die Gewerkschaft im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen zitiert. Skepsis werde der Digitalisierung entgegen gebracht. Ich verweise auf Continental (siehe oben): Die Produktion von E‑Motoren wird in China stattfinden, da dort ein verlässlicher Markt für E‑Fahrzeuge besteht. Fazit: Die E‑Autos werden kommen und die Verbrenner ablösen. Die entscheidende Frage ist, wo die Produktion von Teilen und die Endmontage stattfinden. Daran macht sich dann die Arbeitsplatzfrage fest. Mit dem Festhalten am Alten wird man alles verlieren. Es ist daher dringend geboten, sich aufs „Neue“ einzulassen und schnellstmöglich den Rahmen zu schaffen, in dem sich der Markt verlässlich entwickeln kann.