Im Gespräch mit „Fahrrad-Professorin“!

31.03.2025

An der Hoch­schu­le in Karls­ru­he ist eine Stif­tungs­pro­fes­sur „Rad­ver­kehr“ ein­ge­rich­tet und mit Frau Prof. Clau­dia Hil­le besetzt wor­den. Gemein­sam mit Mit­glie­dern der Grü­nen Jugend und des „Arbeits­kreis Ver­kehr“ der Grü­nen in Karls­ru­he habe ich die Pro­fes­so­rin für ein Gespräch besucht.

An der Hoch­schu­le wer­den zwei ver­kehrs­be­zo­ge­ne Stu­di­en­gän­ge ange­bo­ten: Ver­kehrs­sys­tem­ma­nage­ment (Bache­lor) und Mobi­li­täts­ma­nage­ment (Mas­ter). Dar­über hat­te ich mich bereits bei einem frü­he­ren Besuch infor­miert, sie­he https://www.matthias-gastel.de/mobilitaet-als-studienfach/.

Dies­mal stan­den die Arbeits­be­rei­che der „Fahr­rad­pro­fes­so­rin“ im Mit­tel­punkt. Ein The­ma waren die ent­schei­den­den Fak­to­ren, mit denen mehr Men­schen fürs Rad­fah­ren gewon­nen wer­den kön­nen. Die­se sind:

Die Infra­struk­tur muss objek­tiv sicher sein und sich sicher anfüh­len.

Park­ver­bo­te müs­sen durch­ge­setzt wer­den (Rad­we­ge frei hal­ten von Autos).

Es braucht Vor­bil­der und ein posi­ti­ves Image.

Fahr­rad und öffent­li­cher Nah­ver­kehr soll­ten mit­ein­an­der ver­knüpft sein (Fahr­rad­mit­nah­me und Abstell­mög­lich­kei­ten).

Es braucht aus­rei­chend gesi­cher­te Abstell­an­la­gen.

Kon­flik­te zum Fuß­ver­kehr soll­ten best­mög­lich ver­mie­den wer­den.

Die Ver­kehrs­er­zie­hung (ins­be­son­de­re an Schu­len) soll­te gestärkt wer­den.

For­schungs­vor­ha­ben waren oder sind rund ums Fahr­rad: „Hit­ze und Rad­fah­ren“ (Unter­the­men bspw. Nut­zungs­ver­hal­ten bei gro­ßer Hit­ze und mög­li­che Abhil­fen durch Beschat­tung und Sprüh­ne­bel) sowie „Sicher­heit beim Fah­ren mit Las­ten­rä­dern“.

Frau Pro­fes­sor Hil­le befasst sich auch mit wei­te­ren The­men, so der Wir­kung des Deutsch­land­ti­ckets. Dar­über haben wir uns eben­falls aus­ge­tauscht. Dafür wur­den in Karls­ru­he und Erfurt mit­tels Fra­ge­bö­gen in Papier­form Men­schen befragt, von denen 1.200 teil­ge­nom­men haben. Die Aus­wer­tung der zahl­rei­chen Fra­gen läuft noch. Eini­ge Zwi­schen­er­geb­nis­se in Stich­wor­ten: Der Preis und das Abo­sys­tem stel­len für einen Teil der Nutzer*innen eine hohe Hür­de dar und der höchs­te Effekt auf die Frei­zeit­mo­bi­li­tät stellt sich bei den unte­ren Ein­kom­men dar (Stich­wort „Mobi­li­täts­ar­mut“).

Was es sonst noch zum Rad­ver­kehr zu sagen gibt …

Unab­hän­gig vom Gespräch mit der Fahr­rad­pro­fes­so­rin las­sen sich eini­ge Trends fest­stel­len:

Die neue Stu­die „Mobi­li­tät in Deutsch­land“[1] zeigt die Ent­wick­lung der Ver­kehrs­mit­tel­an­tei­le an den zurück­ge­leg­ten Wegen (der soge­nann­te Modal-Split): Dem­nach gab es zuletzt einen leich­ten Bedeu­tungs­rück­gang beim MIV und leich­te Stei­ge­run­gen beim Wege­an­teil des öffent­li­chen Ver­kehrs (10 Pro­zent der Wege in 2017 auf 11 Pro­zent in 2023) sowie Sta­bi­li­tät im Rad­ver­kehr (11 Pro­zent). Dies könn­te mit der Infra­struk­tur zu tun haben, die nicht all­zu hoch ist. Am höchs­ten ist sie noch in den Mit­tel­städ­ten (50 Pro­zent), in den länd­li­chen Regio­nen am gerings­ten. Ver­gleich zum Auto: Hier sind kon­stant über­all über die Hälf­te mit der Infra­struk­tur zufrie­den, sogar bis zu 81 Pro­zent. Genutzt wird das Fahr­rad am inten­sivs­ten in den grö­ße­ren Städ­ten.

Der Rad­ver­kehr pro­fi­tiert von einer immer grö­ße­ren Zahl an elek­trisch unter­stütz­ten Rädern (Pedelecs). Deren Anteil hat zuge­nom­men und macht bun­des­weit mitt­ler­wei­le ein Drit­tel der Fahr­rad-Kilo­me­ter aus. Die Fahr­rad­flot­te wuchs von 75 Mil­lio­nen Rädern in 2017 auf 80 Mil­lio­nen Räder in 2023, davon mitt­ler­wei­le ein Vier­tel mit Elek­tro­mo­tor.

Dazu passt: Die in Deutsch­land pro­du­zier­ten Fahr­rä­der sind inzwi­schen mehr­heit­lich Pedelecs (1,3 Mil­lio­nen vs. 0,6 Mil­lio­nen)[2].

Stra­ßen­ver­kehrs­recht geän­dert

Für das von der „Ampel­ko­ali­ti­on“ über­ar­bei­te Stra­ßen­ver­kehrs­ge­setz gibt es inzwi­schen auch eine ange­pass­te Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung. Kom­mu­nen ver­fü­gen nun für Maß­nah­men, die der Ver­kehrs­si­cher­heit und dem Kli­ma­schutz die­nen, mehr Spiel­räu­me. So kön­nen Rad­we­ge, Rad­fahr­strei­fen, Fahr­rad­stra­ßen und Abstell­an­la­gen für Fahr­rä­der sowie Tem­po 30-Abschnit­te nun ein­fa­cher her­ge­stellt bzw. ange­ord­net wer­den. Der Nach­weis einer Gefah­ren­la­ge ist nicht mehr erfor­der­lich. Die kürz­lich vor­ge­leg­te Ver­wal­tungs­vor­schrift über­nimmt den Geist von Gesetz und Ver­ord­nung und stellt nun klar, wie die Kom­mu­nen han­deln kön­nen, um den Rad­ver­kehr zu stär­ken.

Aus­blick

Der sich anbah­nen­den Koali­ti­on aus CDU/CSU und SPD scheint der Rad­ver­kehr nicht son­der­lich wich­tig zu sein. In dem, was vom Koali­ti­ons­ver­trag bis­her bekannt ist, steht dazu nichts Kon­kre­tes. Die Finan­zie­rung eines auf­zu­bau­en­den durch­gän­gi­gen und lücken­frei­en Rad­ver­kehrs­net­zes erfor­dert es, dass Deutsch­land sich der Ziel­mar­ke von Inves­ti­tio­nen in Höhe von 30 Euro pro Kopf und Jahr nähert.

[1] Bun­des­wei­te Befra­gung von 218.000 zufäl­lig aus­ge­wähl­ten Haus­hal­ten zu ihrem all­täg­li­chen Ver­kehrs­ver­hal­ten im Auf­trag des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Digi­ta­les und Ver­kehr (BMDV). Sie wur­de bereits in den Jah­ren 2002, 2008 und 2017 erho­ben.

[2] Wirt­schafts­wo­che Nr. 13/2025