Im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern

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In den letz­ten vier­zehn Tagen hat­te ich sehr vie­le Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tun­gen mit Schu­len. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler kamen ent­we­der zu Besuch nach Ber­lin oder ich war in den Schu­len. Es erga­ben sich jedes Mal span­nen­de, leb­haf­te Dis­kus­sio­nen über das welt­po­li­ti­sche Gesche­hen, die Zukunft Euro­pas nach dem Brexit, die Lage in der Tür­kei und den Umgang mit dem Land.  Vie­le Fra­gen bezo­gen sich aber auch auf mein Schwer­punkt­the­ma, die Ver­kehrs­po­li­tik. Mir sind die­se Ver­an­stal­tun­gen mit jun­gen Leu­ten beson­ders wich­tig. Und ich bin immer wie­der über­rascht über vie­le gut durch­dach­te, vor­be­rei­te­te und tief­sin­ni­ge Fra­gen.

Hier gebe ich einen Bericht der Fil­der-Zei­tung, ver­fasst von U. Voll­mer, erschie­nen am 13. Juli, wie­der:

 

Besuch aus Ber­lin im hei­mi­schen Wahl­kreis

Der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Grüne) lässt sich von Gymnasiasten zu seiner Sicht auf die politischen Verhältnisse befragen.

Mit sei­nem roten Ruck­sack, den Mat­thi­as Gastel am Diens­tag ins Imma­nu­el-Kant-Gym­na­si­um mit­ge­bracht hat, wäre er pro­blem­los auch als Mit­glied der Schul­ge­mein­schaft durch­ge­gan­gen. Aller­dings hat­te der Mitt­vier­zi­ger weder Bücher noch Manu­skrip­te ein­ge­packt, son­dern eher ein paar Kla­mot­ten: Unmit­tel­bar vor dem Auf­bruch zu einer Drei-Tages-Wan­de­rung durch die Böb­lin­ger Gefil­de sei­nes Wahl­krei­ses schau­te der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te der Grü­nen bei den ört­li­chen Gym­na­si­en vor­bei – am Vor­mit­tag mach­te Gastel in Ech­ter­din­gen Sta­ti­on, der Nach­mit­tag gehör­te dem IKG in Lein­fel­den. Etwa 80 Schü­le­rin­nen und Schü­ler der Jahr­gangs­stu­fen 10 und 11 erwar­te­ten dort den Gast mit Fra­gen, die im Unter­richt vor­be­rei­tet wor­den waren oder sich spon­tan aus dem Zusam­men­hang erga­ben.

Soll­te Gastel erwar­tet haben, 90 Minu­ten lang in sei­nem Fach­ge­biet gelö­chert zu wer­den, sah er sich getäuscht: Die Bahn­po­li­tik oder Aspek­te des Nah­ver­kehrs und der digi­ta­len Infra­struk­tur spiel­ten allen­falls Neben­rol­len. Viel­mehr beschäf­tig­ten glo­ba­le oder zumin­dest euro­päi­sche The­men die jun­gen Leu­te. Wel­che Zukunft hat die EU nach dem bri­ti­schen Brexit-Votum, wie könn­te der nächs­te Bun­des­prä­si­dent hei­ßen, war­um las­sen sich die Waf­fen­ge­set­ze in den USA nicht ver­schär­fen, soll­ten Flücht­lin­ge an natio­na­len Gren­zen auf­ge­hal­ten wer­den – der ehe­ma­li­ge Fil­der­städ­ter Stadt- und Kreis­rat blieb kei­ne Ant­wort schul­dig. „Die Pro­ble­me sind kom­plex“, sag­te er und ver­lang­te gera­de des­halb von der Poli­tik, einen Sach­ver­halt in sei­ner gan­zer Band­brei­te zu kom­mu­ni­zie­ren und nicht auf popu­lis­ti­sche State­ments ein­zu­damp­fen.

„Nicht die Tür zuschlagen“

Die EU sieht Gastel unge­ach­tet des auch für ihn über­ra­schen­den Brexits nicht nur als Wirt­schafts­raum, son­dern als Frie­dens­pro­jekt. Aller­dings müss­ten die Sozi­al­stan­dards ange­gli­chen wer­den, sozia­les Dum­ping dür­fe es nicht geben, stell­te der Sozi­al­päd­ago­ge klar. Dass man sich am Bos­po­rus momen­tan wenig um euro­päi­sche Wer­te küm­mert, ver­lan­ge eini­ges an Fin­ger­spit­zen­ge­fühl: „Nicht die Tür zuschla­gen, aber eben auch nicht bauch­pin­seln“ könn­te die Devi­se hei­ßen. Von der Tür­kei war es im IKG nur ein klei­ner Schritt zu Flücht­lings­la­gern und Grenz­zäu­nen. Unge­ach­tet aller Pro­ble­me steht für Gastel fest: „Das deut­sche Asyl­recht muss wei­ter gel­ten, aber ergänzt wer­den durch ein Ein­wan­de­rungs­ge­setz“, sag­te er und plä­dier­te für gesi­cher­te euro­päi­sche Außen­gren­zen mit einem gemein­schaft­li­chen Vor­ge­hen aller Staa­ten inklu­si­ve fes­ter Zuwei­sung.

Ob Deutsch­land zum ter­ro­ris­ti­schen Anschlags­ziel wer­den könn­te, ver­moch­te Gastel eben­so wenig aus­zu­schlie­ßen wie die theo­re­ti­sche Mög­lich­keit eines drit­ten Welt­kriegs. Er set­ze aber auf die Ver­nunft der mensch­li­chen Spe­zi­es und hof­fe auf eine dees­ka­lie­ren­de Staa­ten­ge­mein­schaft mit der Bun­des­re­pu­blik als Vor­rei­ter – wohl­ge­merkt im diplo­ma­ti­schen Sinn.

Die Führungsrolle steht auf dem Spiel

In einem ande­ren Bereich, näm­lich dem Ver­kehrs­sek­tor, sei Deutsch­land drauf und dran, eben jene Füh­rungs­rol­le zu ver­spie­len, fürch­tet der von sei­ner Par­tei bereits neu nomi­nier­te Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te. Der Aus­stoß von Stick­oxid und Fein­staub habe noch zuge­legt, ande­re For­men von Mobi­li­tät mit weni­ger Res­sour­cen­ver­brauch gerie­ten ins Hin­ter­tref­fen.

Die par­la­men­ta­ri­sche Demo­kra­tie sei ein kost­ba­res Gut, das es zu bewah­ren gel­te, hat­te zu Beginn Rek­tor Bur­kard Mil­ler den Schü­lern ans Herz gelegt. Dazu bedür­fe es kla­rer Wor­te, sag­te der Fach­leh­rer Tho­mas Wör­ner zum Schluss. Die habe Mat­thi­as Gastel gefun­den – „ohne jede Wort­hül­sen“.