Im überparteilichen Dialog zu einer Neuorganisation der Bahn?
09.12.2019
Grüne greifen Gesprächsangebot des Ministers auf

Wo gehts lang? In Sachen Bahnpolitik ist das weitgehend unklar. Wir Grüne setzen uns für ein Format ein, in dem eine “Bahnreform II” unter Einbeziehung von Bundestag, Bahnbranche und Wissenschaft gründlich vorbereitet wird.
Erst ist ein von uns angeregtes geeignetes Format zur Klärung grundlegender Fragen der Bahnpolitik an der Unionsfraktion im Bundestag gescheitert. Nun prescht ausgerechnet Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) mit einem Gesprächsangebot vor.
Wie kann die Bahn als Mobilitätsangebot deutlich gestärkt werden? Wie können Pünktlichkeit, Service und Qualität des Schienenverkehrs spürbar erhöht werden? Wie können Verkehrsanteile der Bahn gegenüber Auto, Flugzeug und Lkw gesteigert werden? Wie können Wettbewerbsnachteile der Bahn abgebaut werden? Wie kann der Bahnverkehr im europäischen Kontext verbessert werden? Wie kann die Deutsche Bahn als Unternehmen im intermodalen Wettbewerb vor allem zur Straße besser besser aufgestellt werden? Konkreter: Wie soll der Deutschlandtakt umgesetzt werden? Wie können wieder mehr Großstädte Fernverkehrsanbindungen erhalten?
Das sind viele Fragen, die sich weder im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn noch im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages in der notwendigen Tiefgründigkeit beantworten lassen. Dort gibt es noch nicht einmal Zeit und Raum, diese Fragen in ausreichender Breite zu erörtern. Fakt ist aber, dass 25 Jahre nach der Bahnreform von 1994 ein großer neuer Bedarf besteht, die Branche, ihr Umfeld und das bundeseigene Unternehmen Deutsche Bahn AG auf der Höhe der Zeit neu aufzustellen.
Man kann also zum Ergebnis kommen, dass eine „Bahnreform II“ erforderlich ist, die jedoch gut und unter Einbindung allen Fachverstandes vorbereitet werden muss. Eine solche muss gut vorbereitet werden. Daher hatte ich im auslaufenden Jahr zahlreiche Gespräche mit Verbänden aus dem Bahnsektor und mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundestagsfraktionen geführt. In diese Gespräche war ich mit einem vorformulierten Vorschlag für die Gründung eines „Parlamentarischen Beirats für Bahnpolitik“ gegangen. Dieser hätte aus Abgeordneten der Bundestagsfraktionen sowie Vertretern der Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden bestehen können. Ziel hätte die Ausarbeitung konkreter Maßnahmen und Veränderungen zu Gunsten des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene im Rahmen eines „nationalen Bahnkonsens“ sein können. Die Absage kam von der Unionsfraktion. Daraufhin strebten wir die Beantragung einer „Enquetekommission Bahn“ durch die drei demokratischen Oppositionsfraktionen an. Eine solche einzusetzen ist das Recht der parlamentarischen Minderheit.
Doch nun erwachte der Bundesverkehrsminister. Er bot in seiner Haushaltsrede überraschend gemeinsame Gespräche an. Auch wenn wir wissen, dass er dies nicht aus einer inneren Überzeugung heraus anbot, so wollen wir doch jede Chance nutzen, zu Gunsten besserer Rahmenbedingungen für eine starke Bahn Mehrheiten für die erforderlichen Weichenstellungen zu gewinnen. Wir haben daher in einem Brief an den Minister unsere Bereitschaft signalisiert, an den Gesprächen konstruktiv mitzuwirken. Ziel muss sein, eine „Organisation des Bahnwesens zu schaffen, die zu besten Voraussetzungen für Fahrgäste, verladende Wirtschaft und Eisenbahnverkehrsunternehmen führen.“
Hier lässt sich der Brief von Cem Özdemir, Stephan Kühn und mir an den Minister nachlesen: Brief_BM Scheuer_Dialogangebot_Bahn
Kommentare zu “Im überparteilichen Dialog zu einer Neuorganisation der Bahn?”
S.g. Herr Gastel,
auch wenn sich BVM Scheuer nicht gerade als seriöser Sachwalter der “Bahn” erwiesen hat, sollten Sie die Chance unbedingt zum Dialog nutzen. Die Probleme des Konzerns DB sind riesig und jeder Versuch, diese zu verringern sollte
genutzt werden. Aber Priorität Nr. 1 ist m.E. die Definition einer Zielvorgabe für das DB-Management. Die Bundes-regierung muß sich entscheiden, ob die DB Daseinsfürsorge bedeutet oder Gewinne erzielen muß.Von dieser Zieldefinition hängen letztendlich die weiteren notwendigen Maßnahmen ab. Außerdem muß die Bahninfrastruktur analog zum Bundesfern-
straßenbau orgenisiert werden; nur so ist ein Ausbau und Unterhalt nach verkehrlicher Relevanz und nicht nach Inter-essen der DB möglich. Weiterhin muß der DB-Overhead dringend abgebaut und die Zersplitterung in zig GmbH’s reduziert werden; die bestehenden Reibungsverluste unter den (zu)vielen Gesllschaften tragen zur Problemlage bei.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Mitstreitern bei dieser wahren Herkulesaufgabe viel Erfolg und ich hoffe, daß sich nach den nächsten Bundestagswahlen die Mehrheitsverhältnisse zugunsten zukunftsfähiger, nachhaltiger Politik verändern.
In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichem Gruß vom Bodensee
Ralph Lemmen
Sehr geehrter Herr Lemmen,
es gibt leider keine “Chance unbedingt zum Dialog”, da Herr Scheuer diesbezüglich nur Phrasen drischt und auf unsere Angebote zur Mitarbeit noch nicht einmal antwortet. Auch Vorgespräche mit den Fraktionen von CDU/CSU und SPD sind im Sande verlaufen, da kein Interesse besteht, eine zweite Bahnreform einzuleiten. Ich fürchte, dass sich trotz des enormen Handlungsbedarfs in dieser Legislaturperiode nichts mehr tun wird. Es wird immer mehr Geld in Strukturen hinein gepumpt, die so nicht funktionieren können.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel