15.02.2023
Fahrt durch den Gotthard-Tunnel
Fahrt im Güterzug durch die Schweiz: Unser Nachbarland gilt ja als Musterland für eine starke Bahn. 37 Prozent der Güter werden auf der Schiene transportiert (Deutschland: 18 bis 20 Prozent). Im alpenquerenden Verkehr sind es sogar 75 Prozent. Ich fuhr von Arth-Goldau aus in der Lok eines Güterzugs mit bis Bellinzona.
Das Land setzt relativ konsequent auf die Verlagerung von Gütern auf die Schiene: Per Volksabstimmung und Gesetz wurde die Anzahl der Lastwagen, die den Alpenstaat queren dürfen, limitiert. Um das Ziel zu erreichen, wird eine hohe Lkw-Maut erhoben, deren Erlöse weitgehend in die Schiene fließen. Zudem wird der Kombinierte Verkehr stark gefördert. Geplant ist, die Güterwagen zwischen 2025 und 2030 mit der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) auszustatten. Jedoch ist auch in der Schweiz nicht alles Golden. So steht dort der Einzelwagenverkehr wegen seiner Unwirtschaftlichkeit ähnlich unter Druck wie in Deutschland. Eine Entscheidung darüber, wie es damit weiter gehen soll, steht demnächst an. Dabei stehen zwei Optionen zur Auswahl: Variante 1 sieht massive Investitionen (DAK) und Prämien für die Verladung auf die Bahn vor. Später soll sich der Einzelwagenverkehr eigenwirtschaftlich tragen. Variante 2 würde nur noch verhältnismäßig geringe Investitionen bedeuten und hätte damit faktisch die Aufgabe des Einzelwagenverkehrs zur Folge. Die Entscheidung könnte im zweiten Halbjahr fallen. Der Verkehrsausschuss des Nationalrats (analog Bundestag) hat sich während meiner Schweiz-Reise (natürlich Zufall) klar für Variante 1 ausgesprochen. Voraussichtlich wird aber die Förderung der „Rollenden Landstraße“ auslaufen. Dabei werden ganze Lkw auf die Bahn verladen und die Fahrer/innen reisen im Zug mit.
Die Mitfahrt in der Siemens-Güterlok wurde von einem Vertreter der Schweizerische Bundesbahnen (SBB) Cargo International sowie von einem meiner wissenschaftlichen Mitarbeiter begleitet. Der Güterzug war in Dänemark gestartet, sein Ziel lag in Norditalien. Betrieben wurde der Zug von den SBB, gefahren wurde er im Auftrag von Hupac. Die Hupac AG ist ein Netzwerkbetreiber im intermodalen europäischen Güterverkehr und wird von Logistik- und Transportunternehmen getragen. Wir stiegen bei einem kurzen Halt in Arth-Goldau (siehe Erläuterungen unten) zu. Die Strecke nach Bellizona im Süden der Schweiz wurde ausgewählt, weil sie durch den Gotthard-Basistunnel, den mit 57 Kilometer weltweit längsten Eisenbahntunnel führt. Dieser ist mit ETCS Level 2 ausgestattet. Zumindest aus Schweizer Sicht stellt dieser das Herzstück des NEAT („Neue Eisenbahn-Alpentransversale“) dar. Hinter uns wurden 1.300 Tonnen in 20 Wagen hergezogen. In der Schweiz wird „links gefahren“. Während der zweistündigen Fahrt erfuhr ich so manch Interessantes: Gleiswechsel wird eher seltener praktiziert. Die Geschwindigkeit wird vorausschauend angepasst, um Halte möglichst zu vermeiden und energiesparend zu fahren. Die Schweiz habe ausreichend Kapazitäten in ihrem Netz geschaffen, um Wachstum auch im Güterverkehr realisieren zu können. Die Pünktlichkeit im alpenquerenden Schienengüterverkehr liege bei 80 Prozent. Verspätungen würden selten in der Schweiz entstehen. Wenn der Güterverkehr auf der Schiene in Richtung Norden/Rheintalbahn (Deutschland) nicht abfließt, komme es vor, dass dieser bereits in Italien gebremst werden müsse, um Verstopfungen in der Schweiz zu vermeiden.
Die Fahrt erfolgte zügig und ohne ungeplante Zwischenhalte. Wir kamen sogar vorzeitig in Bellizona an.
Mein Weg führte mich weiter in eines der größten Terminals für den Kombinierten Verkehr in Europa. Darüber berichte ich gesondert.
Hinweise zu meinen Start- und Zielbahnhöfen
Die Gemeinde Arth im Kanton Schwyz liegt zwischen Zuger- und Lauerzersee und hat rund 10.000 Einwohner*innen. Arth-Goldau ist der Name des Bahnknotenpunktes. Hier laufen die beiden Strecken von Basel nach Luzern und von Zürich nach Zug zusammen. Nach Süden führt die Gotthardstrecke nach Bellinzona – Lugano – Chaiasso bzw Locarno und Luino (Italien). In Bellizona (43.000 Einwohner*innen), gelegen im italienischsprachigen Kanton Tessin, stieg ich nach zwei Stunden Fahrt aus. Bellinzona ist ein Verkehrsknotenpunkt, von dem aus die Alpenpässe Gotthard, Lukmanier, San Bernardino und Nufenen sowie die Autobahnen A 2 und A13 gut erreichbar sind. Die Gotthardbahn von Luzern beziehungsweise Zürich führt über den Bahnhof Bellinzona nach Chiasso.