Güterverkehr auf der Schiene in der Praxis
Die Mitfahrt in einer Lok, 1.200 Tonnen Güter im Rücken und den Brennerpass im Blick: Wenn es etwas Besonderes gibt, dann dieses!
In drei Stunden kann man viel erleben und erfahren. So ging es mir bei der Güterzug-Mitfahrt in der Lok des Unternehmens „Lokomotion“, das sich auf alpenquerende Verkehre spezialisiert hat. In der vorderen von zwei Loks, die Güterwagen geladen mit Chemie, Altmetall, Bier, Haushaltsgeräten, Streusalz für den Winter, Granulaten und mehr angehängt hatten, ging es in München los. Bremsprobe, Arbeitsplatz einrichten, auf das Ausfahrsignal warten – los ging es. Die Fahrt, aber auch die Stopps aufgrund belegter Gleise boten genügend Zeit für Gespräche mit dem Lokführer der Siemens-Lok der Baureihe 193 und dem Geschäftsführer des Münchener Unternehmens. Dabei erfuhr ich viel über die Probleme des Güterverkehrs auf der Schiene: Das Unternehmen würde gerne mit längeren Zügen fahren, weil es wirtschaftlicher wäre. Die Infrastruktur in Deutschland lässt dies aber leider meist nicht zu. So müssen mehrere Züge fahren, wodurch sich wiederum die verfügbaren Streckenkapazitäten schneller erschöpfen. Bald nach der Grenze in Österreich wurden wesentliche Unterschiede zu Deutschland deutlich: Auf der Strecke gibt es ETCS, der Lokführer musste die Geschwindigkeit nicht mehr ständig selber überprüfen. Noch wesentlicher ist aber, dass Züge in kürzeren Abständen fahren können, was die Kapazität erhöht. In Deutschland gibt es ETCS bislang nur auf Neubaustrecken für den Hochgeschwindigkeitsverkehr. Weiterer Unterschied: In Österreich wird wesentlich häufiger im Gleiswechselbetrieb gefahren als in Deutschland. Die Weichen können meist mit 100 Stundenkilometer überfahren werden. In Deutschland, wenn Weichen überhaupt vorhanden sind, muss mit 40 bis 60 Stundenkilometer darüber geschlichen werden. „In Österreich rollt der Zug besser“, so der Lokführer, der zugleich auf die höhere Energieeffizienz verwies, da seltener aus dem Stand heraus angefahren werden muss. Den Pass hinauf ging es aber auch in Österreich langsamer. Mit 70 bis 80 Stundenkilometer zogen die beiden Loks die Güter hinter sich die steile Strecke hinauf. Mal zur Rechten, mal zur Linken sahen wir die Brennerautobahn mit ihren riesigen Brückenbauwerken, die das Wipptal prägen. Dann waren wir oben. Der Zug wurde vorläufig abgestellt. Den Streckenabschnitt bis Verona musste ein italienisch sprechender Lokführer übernehmen. So sind die Regeln. Lkw-Fahrer dürfen überall fahren und müssen nicht die Sprache des jeweiligen Landes verstehen. Im Bahnverkehr ist dies anders. Für mich endete, italienisch hin oder her, auf dem Brenner ohnehin die Fahrt. Nach einem gemeinsamen Mittagessen auf der Südtiroler Seite des Brenners ging es mit dem Zug zurück nach Innsbruck. Diesmal nahm ich aber den Personenzug.