08.03.2021
Streckenausbau nach Konstanz sinnvoll – Ärger um Gäubahn
An den kleineren Bahnhöfen entlang der Seehas-Strecke nach Konstanz hat sich viel getan. Der Bahnhof Konstanz wird gerade umgebaut und in Radolfzell sind erste Maßnahmen im Gange. Weitere Planungen starten demnächst. In Gesprächen mit der DB und vor Ort habe ich mich informiert. Doch auch auf der Strecke sollte etwas getan werden. Zugleich wächst vor Ort der Ärger über die neuen Gäubahn-Ideen.
Bahnhof Konstanz
Die beiden Bahnsteige hatten mit einer Höhe von 38 Zentimetern nicht die Fußbodenhöhe der Züge. Der Hausbahnsteig an Gleis 1 ist inzwischen saniert. Es kann ohne Höhenunterschied in die Züge zugestiegen werden. Mitte Januar wurde mit der Erneuerung und gestalterischen Aufwertung der Personenunterführung sowie der Erneuerung des Mittelbahnsteigs an Gleis 2/3 begonnen. Dieser wird ebenfalls auf eine Höhe von 55 Zentimetern gebracht und mit einem taktilen Leitsystem für blinde und sehbehinderte Reisende sowie neuer Bahnsteigausstattung ausgestattet. Der neue Mittelbahnsteig soll im August 2021 in Betrieb genommen werden.
Die Personenunterführung hätte bis Ende März 2021 für Reisende geschlossen werden sollen. Wegen Abdichtungsproblemen an Fugen musste die Sperrung jedoch bis voraussichtlich Ende April verlängert werden. Die Fugenabdichtung (Konzept hierfür liegt lt. DB vor) führt zu Verzögerungen anderer Gewerke. Die für Sommer angekündigte vorübergehende Schließung der Aufzüge wird aufgrund der Umstellung der Bauabläufe entfallen. Bis Oktober sollen alle Maßnahmen abgeschlossen sein.
Bahnhof Radolfzell
In Radolfzell besteht das umgekehrte und eher seltenere Problem: Die Bahnsteige sind mit 76 Zentimetern zu hoch. Die Deutsche Bahn konnte im Dezember 2020 die Finanzierungsvereinbarung zur Vorentwurfsplanung mit der Stadt abschließen. Derzeit ist die DB dabei, das Planungsbüro vertraglich zu binden. Die eigentliche Planungsarbeit kann dann im Mai beginnen und voraussichtlich Anfang 2022 abgeschlossen werden. Die Stadt modernisiert bereits die Personenunterführung, die in ihrem Verantwortungsbereich liegt, sowie das Bahnhofsvorfeld. Ziel ist es, die Laufwege zwischen Stadt und See zu verbessern. In der Unterführung werden Bodenbelag und Entwässerung saniert, die Beleuchtung erneuert und die Wände gestrichen. Die Bauarbeiten begannen am 01. März und sollen nach 10 Wochen abgeschlossen sein. In Radolfzell soll die gesamte Verkehrsstation modernisiert und barrierefrei erschlossen werden. Folgender Maßnahmenumfang ist Planungs- und Vertragsgrundlage, deren bauliche Ausführung spätestens 2026–2028 erfolgen soll (Kurzfassung): Erneuerung der Bahnsteige und Anpassung der Bahnsteighöhen auf 55 Zentimeter, Erschließung durch vier Aufzüge, Ersatz der vorhandenen Bahnsteigüberdachungen.
Das Dach des Empfangsgebäudes soll ebenfalls saniert werden. Dies wird außerhalb der Bahnhofsmodernisierung finanziert und bereits in 2021 umgesetzt. Die Finanzierung erfolgt über das Konjunkturprogramm des Bundes.
Strecke zwischen Singen (Hohentwiel) und Konstanz
Es bestehen zwei lange Abschnitte ohne die Möglichkeit, aufs Gegengleis zu wechseln. Zwischen Konstanz-Petershausen und Radolfzell gibt es auf der gesamten Streckenlänge von 18,0 Kilometer keine Weiche. Dasselbe gilt für den Abschnitt zwischen Radolfzell und Singen mit einer Streckenlänge von 10,1 Kilometer. Dies bedeutet, dass bei Störungen (beispielsweise einem Gegenstand auf einem Gleis) die Strecke voll gesperrt werden muss und kein eingleisiger Betrieb möglich ist. Damit ist die betriebliche Flexibilität eingeschränkt. Am kritischsten dürfte der Abschnitt Konstanz-Petershausen – Radolfzell sein. Dies nicht ausschließlich wegen der Streckenlänge, sondern auch vielen Halten und den langen Blockabschnitten. Der Abschnitt besteht nur aus drei Blöcken, wobei einer nur Radolfzell – Markelfingen abdeckt. Die restlichen 16 km sind in nur zwei, je ca. 8 km lange Blöcke aufgeteilt. Zwischen Singen und Radolfzell ist das Gegengleis auch voll signalisiert, es kann also ohne große Verzögerung auf dem Gegengleis gefahren werden. Ansonsten sind nur vereinfachte Signale im Gegengleis vorhanden, was bei einem Gleiswechselbetrieb zusätzlich Zeit kostet.
Diese Thematik hatte ich beim heutigen Lokaltermin mit meiner Landtagskollegin Nese Erikli, einem Vertreter der Schweizer Bundesbahnen (SBB) und Stefan Buhl, Landesvorsitzender von Pro Bahn, angesprochen. Es bestand Einigkeit, dass gehandelt werden sollte. Der Handlungsbedarf besteht auch deshalb, weil mit dem Deutschlandtakt perspektivisch mehr Züge fahren sollen. Das heutige Grundangebot besteht aus drei Zügen pro Richtung und Stünde. Im Zielfahrplan sind vier vorgesehen.
Neue Gäubahn-Pläne: Wird Singen (Hohentwiel) vom Fernverkehr abgehängt?
Für großen Ärger sorgen die teuren Tunnelpläne des Bundesverkehrsministeriums. Damit sollen Singen (Hohentwiel) und Böblingen vom Fernverkehr abgekoppelt werden. Mein Kommentar gegenüber der Presse:
„Erst verbummelt die Bundesregierung viele Jahre den so dringend erforderlichen Ausbau der Gäubahn. Dann stoppt sie die Neigetechnik-Pläne und setzt auf einen völlig anderen Ausbau. Liebsame Teilergebnisse der veranlassten Untersuchungen werden dann von CDU-Staatssekretär Bilger werbewirksam auf einer Veranstaltung eines Parteifreundes verkündet, ohne irgendwelche Unterlagen vorzulegen. Unsere parlamentarischen Anfragen dazu blieben unbeantwortet. Nun ist die Katze aus dem Sack: Um die teuren, bei politischem Willen leicht vermeidbaren Investitionskosten für einen elf Kilometer langen Tunnel an den Flughafen als wirtschaftlich hinzurechnen, entfallen Halte in Singen und in Böblingen. Der Tunnel ist, anders als es Bilger behauptet, für den Deutschlandtakt nicht erforderlich. Der dritte und maßgebliche Zielfahrplan für den Deutschlandtakt sieht zwischen Stuttgart und Singen eine Fahrzeitverkürzung von 11 Minuten vor. Damit werden Anschlüsse auch in Zürich ermöglicht. Aufgrund der Methodik der Wirtschaftlichkeitsberechnung, bei der ein großer Fokus auf Reisezeitgewinnen liegt, lässt man die Halte in Böblingen und Singen (Hohentwiel) aus. Dadurch werden Minuten gewonnen, die zwar den Reisenden keine Vorteile bringen, aber den Nutzenquotienten erhöht. Es ist unerträglich, wie seitens des Bundesverkehrsministeriums zu Lasten der Reisenden und Steuerzahlenden getrickst wird, um mit aller Gewalt einen Tunnelbau als wirtschaftlich und damit als finanzierungswürdig darzustellen. Dieser Tunnel kostet eine Milliarde, bringt den Reisenden gerade einmal 3,5 Minuten und keine bessere Anschlusssituation in Stuttgart, Singen oder Zürich. Er führt aber dazu, dass der Stuttgart Hauptbahnhof über Jahre nur auf Umwegen erreichbar ist, weil die Züge in Stuttgart-Vaihingen enden müssen.[1]“
Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass nähere Informationen vom Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums rund 10 Tage vor der Landtagswahl auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurden. Wer derart weit reichende Pläne aus dem Wahlkampf heraus halten und eine ersthafte Sachdiskussion geführt haben möchte, stellt diese nach der Wahl vor. In der Presseerklärung des Ministeriums war vom vorgesehenen Entfall der Zughalte nicht die Rede. Man wollte sich als „Macher“ inszenieren, die unpopuläre Streichungen aber lieber weglassen.
[1] Stuttgart 21 sieht vor, dass die Panoramabahntrasse (Gäubahn) auf dem Gebiet der Landeshauptstadt etwa ein halbes Jahr vor Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs abgetrennt wird. Die Züge der Gäubahn enden dann so lange in S‑Vaihingen, bis eine Trassenführung über den Flughafen hergestellt ist. Für den nun angedachten Gäubahntunnel gibt es keinerlei Planungen. So könnte die Unterbrechung der umsteigefreien Erreichbarkeit des Hauptbahnhofs zehn und mehr Jahre andauern. Dies wäre zum massiven weiteren Schaden der Gäubahn und ihrer Fahrgäste.