28.10.2015
Mit einer weiteren Kleinen Anfrage hat sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen über den Stand in Sachen Schienenlärm erkundigt. Die Antworten sind mehr als enttäuschend: Es geht kaum voran.
Jeder sechste Mensch in Deutschland fühlt sich in seinem Wohnumfeld durch Schienenverkehr gestört oder belästigt. Dies ermittelte eine repräsentative Umfrage des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2014. Die Lärmkartierung in Baden-Württemberg, durchgeführt als Grundlage für die Lärmaktionsplanung, bestätigt die Problemlage: In 25% aller Kommunen treten demnach hohe Belastungen durch Schienenlärm auf. Lärm wirkt sich negativ auf die menschliche Gesundheit aus: Er erhöht das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck zu erkranken. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Maximalpegel der Lärmbelastung und die Häufigkeit, mit denen diese Spitzenwerte insbesondere in den Nachtstunden auftreten. Eine Studie der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen leitet daraus konkrete politische Forderungen ab. Hierzu gehören ein rechtlicher Anspruch auf Lärmschutz für Anwohnerinnen und Anwohner bestehender Schienenstrecken, die verkehrsträgerübergreifende Beurteilung von Verkehrslärm, die Festlegung von Maximalpegeln und die Schaffung der Rechtsgrundlagen für Anordnungen der Eisenbahnaufsichtsbehörden zum Schutz vor Lärm und Erschütterung. Die Bundesregierung bleibt beim Lärmschutz auf der Schiene weit hinter solchen Vorschlägen zurück. Die Grundprobleme, dass Menschen an Bestandsstrecken keinen Anspruch auf Lärmschutz haben, Lärm nicht verkehrsträgerübergreifend beurteilt wird und sich Lärmschutzmaßnahmen an Durchschnittswerten und nicht an Maximalpegeln orientieren, tastet die Bundesregierung nicht an. Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen sind nicht ausreichend, um den Schienenlärm zeitnah und wirkungsvoll zu bekämpfen. Das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verankerte Ziel, bis zum Jahr 2016 mindestens die Hälfte aller Güterwagen auf leisere Bremsen umzurüsten, wird verfehlt. Die im Haushalt für den Lärmschutz bereitgestellten Mittel stagnieren. Eine ambitionierte Lärmschutzpolitik ist für den Gesundheitsschutz und die Akzeptanz des Bahnverkehrs in Deutschland dringend nötig. Erst recht, wenn man die von der Bundesregierung selbst prognostizierte Zunahme des Schienengüterverkehrs bis zum Jahr 2030 bedenkt.
Ergebnis der Kleinen Anfrage
- Die Bundesregierung interessiert sich nicht für das Thema „Zugmonitoring“. Dabei geht es darum, dass mittels einer stationären Mess- und Prüfanlage bei der Vorbeifahrt eines Güterzuges festgestellt werden kann, ob Räder Schadstellen aufweisen. Dabei kann jedes schadhafte Rad sogar exakt ermittelt werden. Dann kann der Wagenhalter darüber informiert werden, um den Schaden zu beheben. „Inwieweit sich Lärmmessstellen auf den Lärmschutz auswirken, ist nicht bekannt“, antwortet die Bundesregierung.
- Von 173.000 Güterwagen sind gerade einmal rund 30.000 mit lärmreduzierenden Bremsen ausgestattet. Dies entspricht einem Anteil von 18 Prozent. Nach dem Zwischenziel, das sich die Bundesregierung gesetzt hat, müssten es demnächst 50 Prozent sein. Dieses Ziel hat die Bundesregierung nun offiziell aufgegeben, wie sie indirekt einräumt. Bis zur vollständigen Umrüstung, die bis 2020 versprochen wurde, dauert es hochgerechnet bis zum Jahr 2034! Für den Gesundheitsschutz der Betroffenen und die Akzeptanz eines Ausbaus der Schienenwege ist das fatal!
- Einige der gestellten Fragen ignoriert die Bundesregierung oder antwortet ausweichend. Dies gilt beispielsweise für die Frage nach der Weiterentwicklung der lärmabhängigen Trassenpreise.
- Die Bundesregierung muss einräumen, dass die Deutsche Bahn auch im Jahr 2015 die Bundeszuschüsse für den Bau von Lärmschutzwänden und den Einbau von Lärmschutzfenstern nicht abrufen wird. Rund die Hälfte der 130 Millionen Euro drohen zu verfallen.
- Auf mehrere Fragen nach einem geplanten nationalen Verbot lauter Güterzüge ab dem Jahr 2020 antwortet die Bundesregierung zwar, dass sie an einer entsprechenden Regelung arbeite. Konkreter wird sie aber nicht. Und sich europarechtlich abzusichern unterlässt die Bundesregierung.
- Positiv ist, dass die Bundesregierung die Einbeziehung von Lärmbelastungskosten in die Berechnung der LKW-Maut prüft. Es kann nicht sein, dass für Güterzüge lärmabhängige Trassenpreise bezahlt werden müssen, sich der Lastwagenverkehr aber nicht an den Kosten für den Lärmschutz beteiligen muss.
Meine Bewertung
Die Bundesregierung ist bei der Bekämpfung des Schienenlärms heillos überfordert. Anstatt endlich zu handeln, gibt die Bundesregierung ihre eigenen Ziele und selbst gesetzten Fristen auf. Der EU hierfür den schwarzen Peter zuzuschieben geht gar nicht. Bei der Umrüstung der Güterwagen auf „leise“ Bremsen ist die Bundesregierung meilenweit von ihren eigenen Zielen entfernt. Das Problem der unzureichenden Mittelabrufung für die Lärmsanierung bekommen Bundesregierung und die Deutsche Bahn nicht in den Griff. Es ist ein Unding, dass trotz des enorm großen Handlungsbedarfs über Jahre weite Teile der bereitgestellten Haushaltsmittel verfallen. Statt weiter die Füße still zu halten muss die Bundesregierung endlich für mehr Ruhe entlang der Schienenwege sorgen. Wir warten schon zu lange auf den überfälligen Gesetzentwurf zur Verminderung des Schienenlärms. Aussichtsreiche neue Lärmschutztechnologien wie das Zugmonitoring darf die Bundesregierung nicht länger bremsen, sondern muss sie proaktiv unterstützen.