Mehr Züge für Nürtingen
16.07.2020 (Presseinformation)
Auswertung des Zielfahrplans für D‑Takt
Vor einigen Tagen wurde in Berlin der dritte Zielfahrplan für die Realisierung des Deutschland-Taktes vorgestellt. Dieser soll bis in die 2030er-Jahre schrittweise umgesetzt werden. Fahrgästen der Bahn sollen mit besseren Vertaktungen und häufigere Fahrten günstigere Umsteigeangebote und schnellere Verbindungen angeboten werden.
Dieser Zielfahrplan weist auch für Nürtingen interessante Veränderungen aus.
Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen und deren bahnpolitischer Sprecher, hat den Zielfahrplan speziell für Nürtingen aus- und bewertet.
Zunächst einmal zu den „nackten“ Zugzahlen, die Fahrgäste in Nürtingen erwarten könnten:
5 Züge pro Stunde und Richtung (S‑Bahn dabei unberücksichtigt).
Davon 2 Regionalzüge durchs Neckartal von/nach Stuttgart bzw. Tübingen; hinzu kommen 2 Regionalzüge über den Flughafen von/nach Stuttgart bzw. Tübingen/Sigmaringen
Alle zwei Stunden ein Fernzug von/nach Tübingen bzw. Mannheim/Amsterdam
Alle zwei Stunden ein Fernzug von/nach Halle/Hamburg, der in Nürtingen startet/endet
Stündlich ein Fernzug alternierend von/nach Kassel/Hamburg und Düsseldorf/Berlin, der in Nürtingen startet/endet, jedoch ohne Zu-/Ausstieg in Nürtingen
Zwischen Nürtingen und Neuffen ergeben sich keine gravierenden Veränderungen.
Bewertung der Pläne für Nürtingen durch Matthias Gastel:
„Nürtingen profitiert in besonderer Weise vom Deutschland-Takt. Fünf Züge pro Stunde und Richtung, darunter auch Züge des Fernverkehrs, verhelfen der Stadt und ihrem Umland zu ganz neuen attraktiven und klimafreundlichen Mobilitätsangeboten. Hinzukommen wird mit großer Wahrscheinlichkeit noch die S‑Bahn im Halbstundentakt. Von Nürtingen werden Ziele im Nah- und Fernbereich deutlich besser erreichbar als heute. Das ist, wenn tatsächlich alles so kommt, ein Riesengewinn für die Stadt und die Umlandgemeinden. Dass das, was auf dem Papier sehr gut aussieht, auch tatsächlich aufs Gleis gesetzt werden kann, setzt noch einige politische Klärungsprozesse voraus. Dazu gehört, dass der Bund klar aussagt, wie das unterstellte Fernverkehrsangebot tatsächlich sichergestellt werden kann. Weiterhin den Eisenbahnverkehrsunternehmen zu überlassen, ob, wann und wo welche Fernzüge fahren, könnte zahlreiche Angebotslücken hinterlassen, obwohl das Konzept des Deutschlandtaktes von einem flächendeckenden Bahnangebot ausgeht.
Der Zielfahrplan legt auch einmal mehr die Schwächen von Stuttgart 21 mit dem auf acht Gleise geschrumpften Hauptbahnhof offen. Dort können Züge weder wenden noch auf ihre nächste Fahrt warten. Weil die Gleisanzahl so gering ist, müssen Züge nach wenigen Minuten Aufenthalt wieder ausfahren, um dem nächsten Zug Platz zu machen. So müssen die Züge nach Untertürkheim, Nürtingen oder Tübingen geführt werden, um dort zu wenden. Dabei ist nicht immer vorgesehen, dass dort Fahrgäste ein- oder aussteigen können. Dies gilt auch für einen stündlich verkehrenden Fernverkehrszug, der Fahrgäste zwischen Stuttgart und Kassel/Hamburg bzw. Düsseldorf/Berlin befördern, aber in Nürtingen wenden soll. Der Fahrgast aus Nürtingen hat keinen Nutzen davon, aber auch diese Züge fressen von den auf der Neckartalstrecke knappen Trassenkapazitäten. An dieser Stelle muss das Konzept noch mal genau hinterfragt werden.
Wichtig wird sein, dass angesichts des zu erwartenden Fahrgastzugewinns der Bahnhof und dessen Umfeld eine deutlich höhere Aufenthaltsqualität bieten als bisher. Hierzu gehören Wartebereiche, Fahrkartenverkauf auch für den Fernverkehr, WLAN sowie ein öffentliches WC.“
Kommentare zu “Mehr Züge für Nürtingen”
Guten Tag,
erstmal vielen Dank für die Zusammenfassung und die Einschätzungen.
Auffallend ist, dass im Fernverkehrsentwurf (https://assets.ctfassets.net/scbs508bajse/55FqSU1scLy5OcgIKTo4QH/c5cd6c048b5d10d2a0d7876f8f17a34a/Netzgrafik_3._Entwurf_Fernverkehr.pdf) die 2‑stündliche FV-Linie 45 Nürtingen-Hamburg im Gegensatz zum Regionalverkehrsentwurf in Stuttgart Hbf endet. Außerdem ist im Regio-Entwurf im Gegensatz zur FV94 für die FV45 kein Halt am Flughafenbahnhof vorgesehen.
Die von ihnen ins Spiel gebrachte S‑Bahn Verlängerung nach Nürtingen, die ich schon in einem s‑bahn-chaos-Beitrag vorgestellt hatte (https://s‑bahn-chaos.de/2020/04/s‑bahn-nach-nt-oder-15-min-takt-auf-der-ganzen-s1), ist mit dem Deutschlandtaktentwurf nur bedingt zu vereinbaren. Würden man den Zwischentakt der S1, der derzeit in Plochingen endet und laut DT dort auch in Zukunft enden soll, nach Wendlingen und Nürtingen verlängern, gäbe es Trassenkonflikte mit der Regionalbahn E8/E11/E12 auf der Neckartalbahn. Würde man hingegen den Haupttakt verlängern und in Wendlingen flügeln (1 Tail nach Kirchheim und 1 nach Nürtingen), würde das zu einer längeren Haltezeit in Wendlingen führen, wodurch die Anschlüsse an die Teckbahn in Kirchheim(T) nicht mehr gehalten werden könnten und die 9‑minütige Wendezeit in Kirchheim(T) noch weiter verkürzt würde.
Abgesehen davon stellt sich meiner Meinung nach auch die Frage, ob 4 Züge pro Stunde in Nürtingen nicht genügen, vor allem angesichts der massiv schlechteren Anbindung anderer größerer Städte, wie z.B. Geislingen oder Göppingen, wo zukünftig weniger(!) Züge fahren sollen als jetzt (derzeit 2 RB, 1 RE, ca. alle 2–4h FV – zukünftig nur 3 RV).
Für die Fildern bleibt die suboptimale Anbindung durch die S‑Bahn mit 4 Zügen pro Stunde und Richtung bestehen, die zukünftig wenigstens in einem glatten Viertelstundentakt fahren sollen (aber nur noch 1 Linie). Allerdings ist fraglich, was in den Nebenverkehrszeiten passieren soll, wenn die neue S1 dann nur noch im 30-Minuten-Takt fährt – bleibt Echterdingen und Bernhausen dann nur noch ein 30 Minuten-Takt und damit eine Reduktion um 100%?
Anstatt die “ST4b” nur 2 Minuten nach der zukünftigen S3 von Vaihingen nach Böblingen zu schicken (der verkehrliche Nutzen wäre wohl gering) wäre es sicher besser, die komplette Linie S4 im Viertelstundentakt statt der “ST60” von der Schwabstraße nach Vaihingen und dann in der HVZ weiter zum Flughafen zu führen, womit Leinfelden und Echterdingen dann durchgehend einen 7,5‑Minuten Takt in der HVZ hätten. Die Zuganzahl zwischen Schwabstraße und Vaihingen bliebe gleich, zwischen Vaihingen und Flughafen gäbe es eine massive Verbesserung, die durch den Wegfall der Gäubahnzüge auf der Strecke Oberaichen – Flughafem vermutlich trassentechnisch möglich wäre.
Dabei ist auch die kurze Fahrzeit der Züge zwischen Böblingen und Flughafen (nur 7–8 Minuten) bemerkenswert. Dies wäre selbst mit dem jetzt neu überlegten Tunnel zwischen Berghau und dem Flughafen wohl nur schwer zu schaffen.
Freundliche Grüße,
Hosea Winter
Lieber Herr Winter,
danke für die ausführliche Stellungnahme. Wir bereiten gerade eine Anfrage zum D‑Takt im Bahnknoten Stuttgart inkl. Flughafen und Gäubahn vor. Darin werden einige der auch von Ihnen aufgeworfenen Punkte angesprochen. Zur S‑Bahn nach Nürtingen: Diese habe nicht ich ins Spiel gebracht, es handelt sich um ein Vorhaben des VRS als Aifgabenträger.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel