Blick in mein Bahntagebuch
Seit acht Jahren dokumentiere ich in meinem Online-Bahntagebuch aus der Perspektive eines Fahrgastes jede Fahrt im Fernverkehr. Eine statistische Auswertung der Erfahrungen gibt, ohne den Anspruch, repräsentativ zu sein, Hinweise auf Handlungsbedarfe.
Der Anteil pünktlicher Züge ist mit 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr wieder deutlich abgefallen (2020: 80%), aber besser als in den Jahren 2017 bis 2019. Mein Maßstab für Pünktlichkeit ist dabei mit maximal 4:59 Minuten Verspätung um eine Minute strenger als der bei der Deutschen Bahn. Nach der DB-Statistik werden im Jahr 2021 (bis einschließlich November 2021) 75 Prozent der Fernzüge pünktlich (oder unter sechs Minuten verspätet) gewesen sein. Die durchschnittliche Verspätung der unpünktlichen Züge sank bei meinen Fahrten deutlich auf 17 Minuten (Vorjahr: 33 Minuten; damals wirkten sich allerdings einige sehr heftige Verspätungen aus). Es konnten mit 95 Prozent – wie schon im Vorjahr – wieder die allermeisten Anschlusszüge erreicht werden. In den Jahren 2019 und früher gingen deutlich mehr Anschlüsse verloren. Die Gastronomie stand bei bald jeder fünften Fahrt nur eingeschränkt oder sogar überhaupt nicht zur Verfügung (deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr). WLAN in den ICE-Zügen habe ich über Jahre hinweg als so unzuverlässig erlebt, dass ich dies seit einiger Zeit überhaupt nicht mehr nutze. Ärgerlich bleibt, dass das Reservierungssystem nur bei knapp 80 Prozent der Fahrten funktionierte.
Dennoch: Ich fahre gerne Bahn, trotz aller Mängel. Während der Fahrt kann ich wunderbar arbeiten und die Zeit sinnvoll nutzen. Die Bahn ist ein umweltfreundliches, serviceorientiertes und im Grundsatz verlässliches Verkehrsmittel.
Die Bahnbranche und die Politik müssen gemeinsam endlich alles dafür unternehmen, dass die Bahn ihre theoretischen Vorzüge auch in der Praxis viel häufiger ausspielt als derzeit. Die politische Bevorzugung des Straßenverkehrs muss ein Ende haben. Dann hat die Bahn die Chance, dem Auto und dem Flugzeug nennenswert Fahrgäste abzujagen. Mit dem Koalitionsvertrag der Ampel wurden wichtige Ziele definiert: So soll erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investiert werden. Mit einem Schnellprogramm für kurzfristig umsetzbare Infrastrukturmaßnahmen soll die Kapazität und Redundanz des Netzes verbessert werden, was sich auf die Pünktlichkeit auswirken dürfte. Wir wollen außerdem mehr Großstädte an den Fernverkehr anbinden. Wir Grünen werden darauf drängen, dass diese und weitere wichtige Dinge rasch angepackt werden. Denn wir brauchen die deutliche Stärkung der Schiene, um eine klimaverträgliche Mobilität und gute Alterativen zu Auto und Flugzeug zu schaffen.
https://www.matthias-gastel.de/meine-fahrgast-erlebnisse-mit-der-deutschen-bahn/