Menschenrechte in Russland und gefährliche Ölförderung in der Arktis

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Über Men­schen­rech­te in Russ­land, öko­lo­gisch ris­kan­te Ölför­de­rung in der Ark­tis und Vat­ten­falls Koh­le­en­ga­ge­ment in Russ­land

Dima Lit­vi­nov, Enkel des rus­si­schen Schrift­stel­lers und Huma­nis­ten Lew Kope­lew und Sohn des Men­schen­rechts­ak­ti­vis­ten Pavel Lit­vi­nov, war zu Gast bei einer Grup­pe grü­ner Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter. Dima, der die schwe­di­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit besitzt, saß im ver­gan­ge­nen Jahr zusam­men mit 29 ande­ren Green­peace-Akti­vis­ten fast 100 Tage im Unter­su­chungs­ge­fäng­nis in Mur­mansk, weil er mit dem Schiff „Arc­tic Sun­ri­se“ gegen die Ölför­de­rung in der Ark­tis demons­triert hat­te. Die Ankla­ge lau­te­te auf „Pira­te­rie“. Er bedan­ke sich bei uns für unse­ren Ein­satz für die Frei­las­sung der Umwelt­schüt­zer. Wir hat­ten damals auf der „Belu­ga“, einem Green­peace-Schiff, das auf der Spree vor Anker lag, einen Soli­da­ri­täts­be­such abge­stat­tet. Und Grü­nen-Abge­ord­ne­te, dar­un­ter auch ich, hat­ten mehr­fach vor der rus­si­schen Bot­schaft gegen die ein­deu­tig poli­tisch moti­vier­te Inhaf­tie­rung der Green­peace-Akti­vis­ten und für deren umge­hen­de Frei­las­sung demons­triert. Wei­te­re The­men im Gespräch mit den Ver­tre­tern von Green­peace waren die Men­schen­rechts­la­ge und die öko­lo­gisch nicht ver­tret­ba­ren För­der­me­tho­den für Öl in Russ­land sowie der Braun­koh­le-Tage­bau des schwe­di­schen Vat­ten­fall-Kon­zerns im Osten Deutsch­lands.

Die Schwe­den sei­en, so Lit­vi­nov, durch­aus von Aktio­nen wie der Men­schen­ket­te gegen Braun­koh­le in der Lau­sitz beein­druckt. Mitt­ler­wei­le befür­wor­ten nicht nur eine Mehr­heit der Schwe­den, son­dern auch rele­van­te Par­tei­en und die sich abt­zeich­nen­de neue Regie­rung den Koh­le­aus­stieg. In Deutsch­land müss­ten dann aller­dings auch die poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen für einen ech­ten Koh­le­aus­stieg geschaf­fen wer­den, zum Bei­spiel durch stren­ge Grenz­wer­te bei Emis­sio­nen oder durch einen gesetz­lich fest­ge­leg­ten Min­dest­wir­kungs­grad. Die grü­ne Bun­des­tags­frak­ti­on hat dies bereits wie­der­holt – zuletzt die­sen Som­mer – im Bun­des­tag bean­tragt.

Lit­vi­nov kommt nun zu sei­nem Lieb­lings­the­ma, den Schutz der Ark­tis. Ölboh­run­gen in der Ark­tis sind ein extrem ris­kan­tes Unter­fan­gen. Es gibt kei­ne erprob­te Tech­no­lo­gie, mit der Öl, das nach einem Unfall unter die Eis­schicht gerät, gebor­gen wer­den könn­te. Die extre­men Wet­ter­be­din­gun­gen und Eis­ber­ge sind zudem nicht nur Gefah­ren für die För­der­platt­for­men son­dern auch für den Trans­port des Öls mit Tan­kern. Wäh­rend die west­li­chen Ölfir­men wie Shell in den letz­ten Jah­ren vie­le Rück­schlä­ge hin­neh­men muss­ten und der Run auf das Öl im ewi­gen Eis im Wes­ten bis­her von den schwie­ri­gen Bedin­gun­gen aus­ge­bremst wur­de, sieht das Bild in Russ­land anders aus. Die staat­li­chen För­der­un­ter­neh­men bekom­men eine Kon­zes­si­on nach der nächs­ten und suchen sogar in ein­zig­ar­ti­gen Natur­schutz­ge­bie­ten nach Öl.

Dass sie dies tun kön­nen, obwohl es gegen rus­si­sches Gesetz ver­stößt, wun­dert Dima Lit­vi­nov nicht. Denn aus sei­ner Erfah­rung in der rus­si­schen Gefan­gen­schaft weiß er, dass die Rich­ter nicht nach Gesetz oder nach Abwä­gung der Argu­men­te von Ankla­ge und Ver­tei­di­gung urtei­len, son­dern auf Wei­sung von oben. Dies zei­ge sich auch im Fall von Jew­ge­nij Witisch­ko. Der Umwelt­ak­ti­vist sitzt in Lager­haft, nach­dem er den Raub­bau an der Natur beim Bau der Sport­stät­ten in Sot­schi ans Licht der Öffent­lich­keit brach­te. Die Arbeit der NGOs ist der­zeit von der per­ma­nen­ten Angst vor Gewalt oder Repres­sa­li­en wie dem soge­nann­ten Agen­ten­ge­setz geprägt, so Lit­vi­nov.

Für den Schutz der Ark­tis kann den­noch eine Men­ge getan wer­den. Jen­seits der Aus­schließ­li­chen Wirt­schafts­zo­ne Russ­lands (200 See­mei­len jen­seits der Küs­te) kann sich die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft dafür aus­spre­chen, den ark­ti­schen Raum ähn­lich wie die Ant­ark­tis unter Schutz zu stel­len und auf die Aus­beu­tung von Roh­stof­fen zu ver­zich­ten. Die grü­ne Bun­des­tags­frak­ti­on hat zuletzt die schwarz-gel­be Bun­des­re­gie­rung auf­ge­for­dert, sich für einen ent­spre­chen­den Ark­tis­schutz­ver­trag ein­zu­set­zen. Der Antrag schei­ter­te jedoch am Wider­stand aus der Uni­on, wo wirt­schaft­li­che Inter­es­sen der deut­schen Polar­tech­nik genau­so wie eine poten­ti­el­le Aus­beu­tung der Roh­stof­fe schein­bar Prio­ri­tät vor dem Schutz der Umwelt haben.

Dass es für Deutsch­land einen ganz ande­ren Weg gibt, als auf fos­si­le Ener­gie­trä­ger aus der Ark­tis zu spe­ku­lie­ren, hat erst kürz­lich wie­der eine Stu­die des Fraun­ho­fer-Insti­tut für Wind­ener­gie und Ener­gie­sys­tem­tech­nik (IWES) gezeigt. Durch eine for­cier­te Ener­gie­wen­de könn­te sich Deutsch­land bis 2030 kom­plett unab­hän­gig vom Import von Öl und Gas machen. Neben dem Schutz der Ark­tis wür­de Deutsch­land außen­po­li­tisch mehr Hand­lungs­spiel­raum gewin­nen und die hei­mi­sche Wirt­schaft stär­ken.