Mit “Fridays for Future” Sindelfingen im Gespräch

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27.03.2019

Was die jungen Menschen motiviert

In Stutt­gart und Ber­lin habe ich schon mehr­fach das Gespräch mit Aktivist*innen von „Fri­days for Future“ gesucht. Nun traf ich mich mit eini­gen der Akti­ven aus Sin­del­fin­gen (Land­kreis Böb­lin­gen). Gemein­sam mit San­ja Jäger und Tobi­as Bach­er­le von der Sin­del­fin­ger Grü­nen tra­fen wir uns in einem Café. Ich woll­te mit dem Tref­fen das Enga­ge­ment der jun­gen Men­schen für den Kli­ma­schutz wür­di­gen und mehr über ihre Moti­ve erfah­ren.

Die jun­gen Men­schen waren zwi­schen 14 und 19 Jah­re alt und Schüler*innen von zwei all­ge­mein­bil­den­den und einem beruf­li­chen Gym­na­si­um. Bis­her haben in Sin­del­fin­gen zwei Streiks und Demons­tra­tio­nen statt­ge­fun­den. Orga­ni­siert sind die Sindelfinger*innen über zwei Whats­app-Grup­pen. Die eine dient der Dis­kus­si­on, die ande­re der Ankün­di­gung von Ter­mi­nen. Ob es schu­li­sche Sank­tio­nen fürs „Schwän­zen“ gibt konn­ten (bis­her) noch nicht alle berich­ten. Von einer Schu­le gab es die Info, dass die Betref­fen­den nach­sit­zen müss­ten und man sich wäh­rend die­ser Zeit mit Kli­mathe­men zu befas­sen habe. Was treibt die jun­gen Leu­te an, Schul­streiks und Demos zu orga­ni­sie­ren? „Wir wol­len etwas errei­chen“, „Es geht um unse­re Zukunft“ und „Poli­ti­ker auch hier aus unse­rer Gegens sol­len wis­sen, dass sich etwas ändern soll“. Mich inter­es­sier­te außer­dem, ob die Fri­days for Future-Bewe­gung Dis­kus­sio­nen in den Fami­li­en um das eige­ne Umwelt­be­wusst­sein aus­löst. Ein Schü­ler ver­neint. Eine Schü­le­rin hin­ge­gen berich­te­te, ihr Vater sei anfangs gar nicht ein­ver­stan­den gewe­sen mit der Teil­nah­me an Streiks und Demos, es habe dann Dis­kus­sio­nen über das eige­ne Ver­hal­ten gege­ben und schließ­lich sei der Vater viel auf­ge­schlos­se­ner für die Unter­stüt­zung der Bewe­gung gewor­den. Ein ande­rer Schü­ler berich­tet von Dis­kus­sio­nen über Kli­ma­schutz in der Schu­le. Es bestä­tig­te sich das, was ich auch an ande­ren Orten gehört habe: For­de­run­gen an die Poli­tik gehen viel­fach mit dem Reflek­tie­ren des eige­nen Umwelt­han­delns (Müll­ver­mei­dung, Ver­kehrs­mit­tel­wahl etc.) ein­her. Damit bie­tet Fri­days for Future eine gro­ße Chan­ce, wirk­li­che Ver­än­de­run­gen zu bewir­ken.

Im Mit­tel­punkt des Gesprä­ches stand für mich das Zuhö­ren und Nach­fra­gen. Ein biss­chen habe ich dann aber doch auch unse­re (grü­nen) Vor­stel­lun­gen über Kli­ma­schutz zur Dis­kus­si­on gestellt (nach­fol­gend aus­führ­li­cher dar­ge­stellt): Uns Grü­nen geht es dar­um, die ver­ein­bar­ten Kli­ma­schutz­zie­le zu errei­chen und die durch­schnitt­li­che Erd­er­wär­mung auf zwei, bes­ser nur 1,5 Grad zu beschrän­ken. Soll­te Deutsch­land ein­mal Vor­bild in Sachen Kli­ma­schutz gewe­sen sein, so gilt das heu­te auf jeden Fall nicht mehr. Im Ver­kehrs­sek­tor stei­gen die Treib­haus­gas-Emis­sio­nen wegen der mas­si­ven Zunah­me des Lkw-Ver­kehrs und immer schwe­rer wer­den­der Pkw sogar wei­ter an. Doch gera­de der Ver­kehrs­mi­nis­ter steht auf der Kli­ma­schutz­brem­se. Er lehnt alles ab, was Mobi­li­tät für man­che teu­rer machen könn­te oder als Ein­schrän­kung emp­fun­den wer­den könn­te. Er setzt allei­ne auf Tech­no­lo­gie, und auch das nur halb­her­zig (sie­he die För­de­rung der E‑Mobilität auf den Stra­ßen oder die weit­ge­hend aus­blei­ben­de Elek­tri­fi­zie­rung von Bahn­stre­cken). Dabei hat er sel­ber die „Natio­na­le Platt­form Mobi­li­tät“ ein­be­ru­fen. Noch bevor die­se ihre Emp­feh­lun­gen ver­öf­fent­li­chen konn­ten, hat er schon klar gemacht, was er ablehnt: So bei­spiels­wei­se ein Tem­po­li­mit, obwohl ein sol­ches nichts kos­ten, wohl aber Koh­len­di­oxid-Emis­sio­nen ein­spa­ren und noch dazu ein Bei­trag zur Ver­kehrs­si­cher­heit dar­stel­len wür­de. Selbst die Bun­des­um­welt­mi­nis­te­rin, die der SPD ange­hört, hat den Kampf für ein Tem­po­li­mit schon längst auf­ge­ge­ben, bevor sie ihn begon­nen hat. Kos­ten­in­ten­si­ve Maß­nah­men, die ein Umschich­ten vom Stra­ßen­bau hin zur Stär­kung der Bahn und des Rad­ver­kehrs oder die Ver­teue­rung von Die­sel und Ben­zin zuguns­ten einer bes­se­ren För­de­rung von E‑Autos erfor­dern wür­den, wer­den vom Ver­kehrs­mi­nis­ter eben­falls abge­lehnt. Selbst aus dem Bun­des­ver­band der Deut­schen Indus­trie (BDI) kom­men ange­sichts die­ser Zurück­hal­tung des Minis­ters kri­ti­sche Töne: „Ich glau­be, man kann die­sen Moment der Wahr­heit nicht mehr viel nach hin­ten schie­ben. Irgend­wann wird man zu der Erkennt­nis kom­men, dass die Zie­le mit enor­men Anstren­gun­gen und mög­li­cher­wei­se auch sehr unan­ge­neh­men Ent­schei­dun­gen ver­bun­den sind.“ Auch Unter­neh­men wie Volks­wa­gen sind da schon wei­ter – und set­zen auf die Ablö­sung der fos­si­len Ver­bren­nungs­tech­no­lo­gie durch E‑Mobilität.

In ande­ren Sek­to­ren ist Deutsch­land zwar wei­ter, so bei­spiels­wei­se im Ener­gie­be­reich, aber längst noch nicht gut und noch weit weg von den Zie­len. Der Koh­le­aus­stieg kommt zwar, aber zu spät. Der kli­ma­scho­nen­de Umbau der Wär­me­ver­sor­gung kommt eben­falls viel zu lang­sam vor­an. Das Kli­ma­schutz­ge­setz, das sich in Pla­nung befin­det, fin­det bis­her kei­ne Zustim­mung. Wohl­wis­send, dass die Kli­ma­zie­le nicht erreicht wur­den, hat die Bun­des­re­gie­rung in ihren Eck­punk­ten für den Bun­des­haus­halt 2020 schon mal 300 Mil­lio­nen Euro “Stra­fe” an die EU reser­viert. In den nächs­ten Jah­ren wird es unser Land mone­tär noch teu­rer zu ste­hen kom­men, Kli­ma­zie­le zu ver­feh­len. Die Fol­gen unge­brems­ter Kli­ma­ver­än­de­run­gen wer­den für uns alle in die­ser einen Welt aller­dings noch fata­ler.

Die Grü­nen im Bun­des­tag haben ein wirk­sa­mes Kli­ma­schutz­ge­setz bean­tragt. Dar­in wird u. a. gefor­dert:

- Recht­lich ver­bind­li­che und plan­ba­ren Zie­le für Indus­trie, Ener­gie­wirt­schaft, Ver­kehr, Land­wirt­schaft und Gebäu­de­sek­tor

- die unver­züg­li­che Still­le­gung der 20 dre­ckigs­ten Koh­le­kraft­wer­ke und eine Decke­lung des CO2-Aus­sto­ßes der ver­blei­ben­den Koh­le­kraft­wer­ke

- die Ein­füh­rung einer wirk­sa­men CO2-Beprei­sung in allen Emis­si­ons­sek­to­ren

- einen neu­en Schub für erneu­er­ba­re Ener­gien, damit wir im Jahr 2030 100 Pro­zent Erneu­er­ba­re im Strom­netz haben

- die Ver­an­ke­rung des Kli­ma­schut­zes im Grund­ge­setz