Was die jungen Menschen motiviert
In Stuttgart und Berlin habe ich schon mehrfach das Gespräch mit Aktivist*innen von „Fridays for Future“ gesucht. Nun traf ich mich mit einigen der Aktiven aus Sindelfingen (Landkreis Böblingen). Gemeinsam mit Sanja Jäger und Tobias Bacherle von der Sindelfinger Grünen trafen wir uns in einem Café. Ich wollte mit dem Treffen das Engagement der jungen Menschen für den Klimaschutz würdigen und mehr über ihre Motive erfahren.
Die jungen Menschen waren zwischen 14 und 19 Jahre alt und Schüler*innen von zwei allgemeinbildenden und einem beruflichen Gymnasium. Bisher haben in Sindelfingen zwei Streiks und Demonstrationen stattgefunden. Organisiert sind die Sindelfinger*innen über zwei Whatsapp-Gruppen. Die eine dient der Diskussion, die andere der Ankündigung von Terminen. Ob es schulische Sanktionen fürs „Schwänzen“ gibt konnten (bisher) noch nicht alle berichten. Von einer Schule gab es die Info, dass die Betreffenden nachsitzen müssten und man sich während dieser Zeit mit Klimathemen zu befassen habe. Was treibt die jungen Leute an, Schulstreiks und Demos zu organisieren? „Wir wollen etwas erreichen“, „Es geht um unsere Zukunft“ und „Politiker auch hier aus unserer Gegens sollen wissen, dass sich etwas ändern soll“. Mich interessierte außerdem, ob die Fridays for Future-Bewegung Diskussionen in den Familien um das eigene Umweltbewusstsein auslöst. Ein Schüler verneint. Eine Schülerin hingegen berichtete, ihr Vater sei anfangs gar nicht einverstanden gewesen mit der Teilnahme an Streiks und Demos, es habe dann Diskussionen über das eigene Verhalten gegeben und schließlich sei der Vater viel aufgeschlossener für die Unterstützung der Bewegung geworden. Ein anderer Schüler berichtet von Diskussionen über Klimaschutz in der Schule. Es bestätigte sich das, was ich auch an anderen Orten gehört habe: Forderungen an die Politik gehen vielfach mit dem Reflektieren des eigenen Umwelthandelns (Müllvermeidung, Verkehrsmittelwahl etc.) einher. Damit bietet Fridays for Future eine große Chance, wirkliche Veränderungen zu bewirken.
Im Mittelpunkt des Gespräches stand für mich das Zuhören und Nachfragen. Ein bisschen habe ich dann aber doch auch unsere (grünen) Vorstellungen über Klimaschutz zur Diskussion gestellt (nachfolgend ausführlicher dargestellt): Uns Grünen geht es darum, die vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen und die durchschnittliche Erderwärmung auf zwei, besser nur 1,5 Grad zu beschränken. Sollte Deutschland einmal Vorbild in Sachen Klimaschutz gewesen sein, so gilt das heute auf jeden Fall nicht mehr. Im Verkehrssektor steigen die Treibhausgas-Emissionen wegen der massiven Zunahme des Lkw-Verkehrs und immer schwerer werdender Pkw sogar weiter an. Doch gerade der Verkehrsminister steht auf der Klimaschutzbremse. Er lehnt alles ab, was Mobilität für manche teurer machen könnte oder als Einschränkung empfunden werden könnte. Er setzt alleine auf Technologie, und auch das nur halbherzig (siehe die Förderung der E‑Mobilität auf den Straßen oder die weitgehend ausbleibende Elektrifizierung von Bahnstrecken). Dabei hat er selber die „Nationale Plattform Mobilität“ einberufen. Noch bevor diese ihre Empfehlungen veröffentlichen konnten, hat er schon klar gemacht, was er ablehnt: So beispielsweise ein Tempolimit, obwohl ein solches nichts kosten, wohl aber Kohlendioxid-Emissionen einsparen und noch dazu ein Beitrag zur Verkehrssicherheit darstellen würde. Selbst die Bundesumweltministerin, die der SPD angehört, hat den Kampf für ein Tempolimit schon längst aufgegeben, bevor sie ihn begonnen hat. Kostenintensive Maßnahmen, die ein Umschichten vom Straßenbau hin zur Stärkung der Bahn und des Radverkehrs oder die Verteuerung von Diesel und Benzin zugunsten einer besseren Förderung von E‑Autos erfordern würden, werden vom Verkehrsminister ebenfalls abgelehnt. Selbst aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kommen angesichts dieser Zurückhaltung des Ministers kritische Töne: „Ich glaube, man kann diesen Moment der Wahrheit nicht mehr viel nach hinten schieben. Irgendwann wird man zu der Erkenntnis kommen, dass die Ziele mit enormen Anstrengungen und möglicherweise auch sehr unangenehmen Entscheidungen verbunden sind.“ Auch Unternehmen wie Volkswagen sind da schon weiter – und setzen auf die Ablösung der fossilen Verbrennungstechnologie durch E‑Mobilität.
In anderen Sektoren ist Deutschland zwar weiter, so beispielsweise im Energiebereich, aber längst noch nicht gut und noch weit weg von den Zielen. Der Kohleausstieg kommt zwar, aber zu spät. Der klimaschonende Umbau der Wärmeversorgung kommt ebenfalls viel zu langsam voran. Das Klimaschutzgesetz, das sich in Planung befindet, findet bisher keine Zustimmung. Wohlwissend, dass die Klimaziele nicht erreicht wurden, hat die Bundesregierung in ihren Eckpunkten für den Bundeshaushalt 2020 schon mal 300 Millionen Euro “Strafe” an die EU reserviert. In den nächsten Jahren wird es unser Land monetär noch teurer zu stehen kommen, Klimaziele zu verfehlen. Die Folgen ungebremster Klimaveränderungen werden für uns alle in dieser einen Welt allerdings noch fataler.
Die Grünen im Bundestag haben ein wirksames Klimaschutzgesetz beantragt. Darin wird u. a. gefordert:
- Rechtlich verbindliche und planbaren Ziele für Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäudesektor
- die unverzügliche Stilllegung der 20 dreckigsten Kohlekraftwerke und eine Deckelung des CO2-Ausstoßes der verbleibenden Kohlekraftwerke
- die Einführung einer wirksamen CO2-Bepreisung in allen Emissionssektoren
- einen neuen Schub für erneuerbare Energien, damit wir im Jahr 2030 100 Prozent Erneuerbare im Stromnetz haben
- die Verankerung des Klimaschutzes im Grundgesetz