Seit etwa zehn Jahren beschäftigt sich der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland mit dem Thema Motorradlärm. Holger Siegel ist der Sprecher des BUND-Arbeitskreises „Motorradlärm“. Er ist selber Motorradfahrer („Aber so konsequent wie möglich nicht zum Freizeitspaß“) und zugleich Lärmbetroffener. Unweit seines Hauses verläuft mit der B 10 entlang der Murr eine bei Motorradfahrern beliebte „Rennstrecke“. Kürzlich habe ich mich mit Siegel zu einem Gespräch getroffen – und vieles erfahren, was ich bislang nicht wusste.
Früher, so erinnert sich Siegel, galt eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller, mit der die Maschinen auf maximal 100 PS begrenzt wurden. Aus dieser Zeit stammen die weitgehend noch heute gültigen Zulassungsbedingungen in Punkto Lärm. Inzwischen kommen aber zunehmend schwere Motorräder mit 200 PS auf den Markt, die für mehr Lärm sorgen und außerdem die Unfallrisiken erhöhen. Die entscheidenden Testmethoden für die Überprüfung, ob Lärmwerte eingehalten werden, sind damit nicht mehr praxistauglich. Siegel: „Auf dem Papier werden die Motorräder immer leiser, in der Praxis immer lauter.“ Er spricht von 80 bis 100 dB(A), die außerhalb des Testmodus tatsächlich gemessen werden. Dazu tragen die Hersteller nicht nur durch immer mehr Leistung unter den Motorhauben bei, sondern auch, indem sie bewusst auf laute, röhrende Sounds setzen. Der Sound ist das Verkaufsargument schlechthin. Und die Kundschaft scheint darauf abzufahren. „Mit Helm und Schutzausrüstung ist der Motorradfahrer anonym unterwegs, er wird nicht erkannt. Oftmals trägt er selber Ohropax in den Ohren. Und dann hat die Maschine auch noch nur hinten ein Nummernschild. Die meisten Radaranlagen blitzen aber von vorne. So bleibt Raserei oft ungesühnt“, sagt Siegel. Überhaupt hat es die Polizei schwer, zu lauten Motorrädern beizukommen: Durch manche verbotene Umbauten werden die Maschinen lauter und verlieren genau genommen ihre Betriebszulassung. Aber längst nicht alle PolizistInnen sind so qualifiziert, dies zu erkennen. Außerdem liegen Strafen für einzelne Verfehlungen nur bei 15 Euro. Da stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Der BUND-Mann hat mal eine Kontrolle auf eigene Faust gemacht. An einem Ort, an dem viele Motorradfahrer ihre Maschinen abstellen, hat er bei 30 bis 40 Prozent Manipulationen entdeckt, die zu unerlaubten Lärmwerten führen. Die Politik ist also gefordert, die Lärmproblematik mit den Motorrädern energisch anzugehen. Leider tut sich hier viel zu wenig.
Eine Kleine Anfrage der GRÜNEN-Bundestagsfraktion zum Thema „Straßenlärm“ befasst sich auch mit dem Motorradlärm:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/045/1804556.pdf