Stand: 08.07.2014
Das kennen wir vermutlich alle: Wir sitzen gemütlich auf dem Balkon oder im Garten und werden plötzlich durch den Krach eines aufheulenden Motorrades aufgeschreckt. Besonders nervig ist der Motorradlärm nachts, wenn wir schlafen wollen. Und auch im Tourismus wird immer häufiger von Konflikten berichtet: Menschen suchen beispielsweise den Schwarzwald auf, um beim Wandern die Ruhe in der Natur zu genießen. An schönen Tagen werden aber manche idyllischen Täler, die von kurvenreichen Straßen durchzogen werden, von Dauerlärm durch Motorradkolonnen großflächig verlärmt.
Wobei es viele Motorradfreaks gerne besonders laut mögen. Die Motorradhersteller beschäftigen eigens Akustik-Designer für den „richtigen“, verkaufsfördernden Sound. An die Anwohner stark befahrener Strecken wird dabei ebenso wenig gedacht wie an Ruhe suchende Touristen oder den gesunden Schlaf in der Nacht. Die Hersteller reizen die gesetzlichen Spielräume für den zur Maschine passenden „charakterstarken Klang“ (so die Werbung) aus. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, dass an einem hohen Anteil der Motorräder nachträgliche Veränderungen an Auspuffanlagen oder Schalldämpfern vorgenommen wurden, die den Lärm weiter erhöhen. Das ist zwar illegal, aber schwer nachzuweisen.
Sind alle Vorgaben eingehalten, sind bei gleichen Geschwindigkeiten die Emissionspegel von Motorrädern und Pkw in etwa gleich hoch. Die Rollgeräusche von Motorrädern sind sogar geringer als die von Autos. Die Pegel streuen aber bei den Motorrädern stärker. Das Problem Motorradlärm ist vielschichtig:
- Modifizierte Auspuffanlagen und Schalldämpfer
- Lärmverstärkende Fahrweisen (Fahrten in hohem Drehzahlbereich; Beschleunigung)
- Höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten von Motorrädern im Vergleich zu Autos (häufiger auch schneller als zulässig)
- Höhere psychoakustische Lautheit (menschliche Empfindung von Schall, die sich mit den gängigen Berechnungs- und Beurteilungsvorschriften nicht messen lässt; demnach wird Motorradlärm auch dann als besonders störend empfunden, wenn die physikalisch messbaren Emissionspegel alleine das nicht erklären können)
- Der Anteil des Motorradverkehrs ist in den warmen Jahreszeiten besonders hoch, wenn sich die Menschen in Räumen mit geöffneten Fenstern oder im Freien aufhalten.
Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich für einen wirkungsvollen Schutz der Menschen vor gesundheitsgefährdendem und die Lebensqualität beeinträchtigendem Lärm ein. Der Reduzierung von Lärmbelästigungen durch Motorräder muss dabei ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden und es sind besondere – von der Bekämpfung des sonstigen Straßenlärms teilweise abweichende – Maßnahmen erforderlich. Dazu hat Baden-Württemberg eine Bundesratsinitiative gestartet. Und auch die grüne Bundestagsfraktion ist aktiv. Aktuell (Juli 2014) hat Matthias Gastel, MdB, eine Schriftliche Frage an die Bundesregierung gerichtet. Die Antwort, kurz bewertet: Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und sieht Handlungsbedarf, gehandelt wird aber (sei es auf nationaler oder auch europäischer Ebene) völlig unzureichend und zu spät. So werden die Grenzwerte nur geringfügig – für den Menschen nicht wahrnehmbar – gesenkt. Handlungsbedarf besteht auch deshalb, weil in Deutschland immer mehr Motorräder unterwegs sind. Zum 01. Januar 2014 waren 8,3 Prozent mehr Krafträder angemeldet als noch zehn Jahre zuvor. Die Anzahl schwerer Maschinen nahm im gleichen Zeitraum gar um 24 Prozent zu.
Mögliche Maßnahmen zur Verringerung von Motorradlärm:
- Abkehr vom bloßen Dauerschallpegel hin zur Beschränkung des zulässigen Maximalpegels
- Strengere Lärmwerte, die auch das subjektive Empfinden der Menschen berücksichtigen. Es darf keinen „Spaßbonus“ für Motorräder geben!
- Von Lärmschutzexperten[1] wurde ein Motorradmalus ins Gespräch gebracht, um den Lautheitsunterschied in den geltenden Berechnungs- oder Beurteilungsvorschriften zu berücksichtigen.
- Kontrollierbare, möglichst manipulationssichere, praxisnahe Lärmschutzvorgaben
- Strengere Sanktionierungen bei Verstößen
Es sollte auch im Interesse der MotorradfahrerInnen liegen, die Lärmkonflikte konsequent zu verringern. Denn so lange auf bundes- und europäischer Ebene kaum etwas gegen den Lärm unternommen wird, werden vor Ort immer mehr Strecken zum Schutz der Wohnbevölkerung gesperrt.
[1] Abschlussbericht Motorradlärm-Untersuchung von Accon im Auftrag der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, S. 26, 2010