30.04.2025
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD liegt vor. Ich habe die Aussagen zur Verkehrspolitik ausgewertet. Ergebnis: Wenig Licht, viel Schatten und besonders viele vage Aussagen.
Ich nehme das, was ich positiv finde, vorweg: Für die Schiene soll ein „Eisenbahninfrastrukturfonds“ eingeführt werden. Leider wird dieser nicht näher erläutert. Eine Fondslösung streben wir als Grüne schon lange an, um eine mehrjährige Finanzierungssicherheit bieten zu können, damit Planungs- und Baukapazitäten daran angepasst werden können. Höhere Kapazitäten sorgen für niedrigere Preise. Gut ist, dass für Streckenelektrifizierungen der Bahn auf Nutzen-Kosten-Berechnungen verzichtet werden soll. Das entlastet die knappen Planungskapazitäten und kann zur schnelleren Umsetzung führen. Konkrete Elektrifizierungsziele hat die Koalition – anders als die „Ampel“ – leider nicht festgeschrieben. „Mittelfristig“ soll eine „Bahnreform“ (gemeint ist die Deutsche Bahn) umgesetzt werden, indem InfraGO vom DB-Konzern stärker entflochten werden soll. Allerdings folgen im Text dann Prüfaufträge statt konkreter Aussagen, was auf Uneinigkeit innerhalb der Koalition hindeutet. Wichtig ist, dass die zugesagte Reform des Trassenpreissystems umgesetzt wird. Ohne eine solche werden die Trassenpreise weiter zu stark steigen. Zunächst einmal positiv ist, dass das Deutschlandticket abgesichert werden soll. Zum „Pferdefuß“ komme ich weiter unten. Erfreulich ist, dass die Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) aufgestockt und der Fördersatz weiter erhöht werden soll. Davon profitieren Schienenprojekte der Länder und Kommunen. Auch ein Programm für klimaneutrale Busse des Nahverkehrs unterstützen wir gerne.
Zu dem, was eindeutig negativ ist: Für massive Verunsicherung dürfte sorgen, dass sämtliche Einnahmen aus der Lkw-Maut wieder in den Straßenbau fließen sollen. Die „Ampel“ hatte die Maut ausgeweitet und Teile der Einnahmen in die Schiene investiert. Es ist absurd, dass Einnahmen aus Umweltbelastung (CO2-Bepreisung) in eine noch höhere Umweltbelastung in Form von Straßenbau gesteckt werden sollen. Damit fehlen der Schiene fünf Milliarden Euro pro Jahr. Das ist fast ein Drittel dessen, was in 2024 für die Schiene bereitgestellt wurde. Es bleibt beim Aus- und Neubau unklar, was gebaut werden soll. Anders als die Vorgängerkoalition wurde darauf verzichtet, Bekenntnisse zu konkreten Neubauprojekten der Bahn zu dokumentieren. Stattdessen wird einmal mehr, ganz sozialdemokratisch, von „einem“ (statt „dem“) Deutschlandtakt geschrieben. Klarer wird die Koalition beim Straßenbau: Der Bundesverkehrswegeplan soll umgesetzt werden. Dieser enthält über 1.000 Straßenbauvorhaben. Stärker gefördert werden sollen Regionalflughäfen. Die Pendlerpauschale soll ausgeweitet werden (was überwiegend das Auto auf langen Strecken fördert) und der Kauf großer E‑Autos soll höher bezuschusst werden (statt für Anreize für kleinere, bezahlbare E‑Autos zu sorgen).
Zum Schienengüterverkehr finden sich überwiegend auf DB Cargo bezogene Prüfaufträge und ansonsten wenig konkrete Aussagen.
Der Rad- und Fußverkehr wird mit einem nichtssagenden Satz abgespeist.
Alle Aussagen des Koalitionsvertrags stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Dies ist in Koalitionsverträgen üblich. Allerdings werden ungewöhnlich viele teure Versprechen in Form laufender Ausgaben formuliert. Dafür reichen die absehbar verfügbaren Haushaltsmittel nicht. Damit ist Streit vorprogrammiert und Aussagen wie die zum Deutschlandticket müssen mit großer Vorsicht genossen werden.
An einigen Stellen des Koalitionsvertrags zeigt sich, dass keine Verkehrs- und schon gar keine Bahnfachleute an den Verhandlungen beteiligt waren. So wird von Großprojekten gesprochen, die aus Regionalisierungsmitteln finanziert worden wären. Diese gibt es aber nicht, da die Mittel weit überwiegend Betriebsmittel darstellen. Anderes Beispiel: Es sollen mit „Europazügen“ Nachbarländer angefahren werden. Doch der Fernverkehr funktioniert eigenwirtschaftlich. Eine Aussage, wie solche Verkehre politisch angereizt/gesteuert werden sollen, findet sich nicht.
Dem zukünftigen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder gratuliere ich herzlich und biete eine gute Zusammenarbeit an. Ich kenne ihn bereits aus seiner Zeit als Mitglied des Verkehrsausschusses. Schwer einzuschätzen, aber entscheidend wird seine Durchsetzungsfähigkeit sein. In den nächsten vier Jahren werden mehrere strittige Entscheidungen über notwendige Neubaustrecken der Bahn zu treffen sein. Hierfür müsste der Minister die erforderliche Finanzierung beim voraussichtlichen Finanzminister Lars Klingbeil durchsetzen, der lieber Autobahnen als Schienenwege bauen möchte. Ulrich Lange (CSU) wird einer von zwei designierten parlamentarischen Staatssekretären werden. Ihn kenne ich ebenfalls aus dem Verkehrsausschuss, dem er früher angehört hatte.
Hier die bahnpolitische Bilanz der „Ampel“ mit zahlreichen Erfolgen: https://www.matthias-gastel.de/erfolge-fuer-die-bahn-wichtige-aufgaben-bleiben/
Hierauf hätte Schwarz-Rot viel entschiedener aufbauen können.