Mit einem offenen Brief an die Deutsche Bahn AG (DB) habe ich mich ein weiteres Mal für den Erhalt der Nachtzüge und ein neues, zukunftsfähiges Nachtzugkonzept eingesetzt. Hier werden mein Brief sowie die Antwort der DB dokumentiert. Ganz unten ist eine kurze Bewertung von mir nachzulesen.
Mein Brief an die Deutsche Bahn
Sehr geehrte Damen und Herren,
die DB arbeitet derzeit an einem Konzept für die Zukunft des Nachtzuges. Dieses Konzept kommt spät – aber immerhin, es kommt. Wie Sie wissen, setze ich mich für die Zukunft des Nachtzuges ein. Neue, innovative Ideen sind gefragt. Teilweise muss sich dieses Fernverkehrssegment neu erfinden. Es muss neben dem Flugverkehr und der neuen Konkurrenz durch den Fernbus, der auch immer häufiger nachts unterwegs ist, bestehen können. Ich bin sicher, dass es dafür ein ausreichendes Fahrgastpotential gibt: Einzelreisende Geschäftskunden, Städtetouristen, Familien (häufig mit Fahrrädern oder Ski). Diesen Gruppen ein attraktives Angebot zu machen muss Ziel des Nachtzug-Konzeptes sein.
Nach unzähligen Gesprächen, Fachveranstaltungen und der Auswertung von Studien habe ich in diesem Brief, den ich als offenen Brief verstehe, Ideen für ein Nachtzug-Konzept zusammengetragen, die ich für überlegenswert halte. Ich freue mich, wenn Sie diese Ansätze in Ihre konzeptionelle Arbeit einfließen lassen.
- Es ist klar, dass es ohne neues Wagenmaterial oder die grundlegende Sanierung der vorhandenen Züge in spätestens zehn Jahren keine Nachtzüge mehr geben wird.
- Synergien mit dem Tageszugverkehr sollten genutzt werden. Verlängerte Zugläufe bis hin zur Freigabe von Platzbuchungen auf Teilstrecken im Berufsverkehr sollten überprüft werden.
- Eine Einbindung des Nachtzuges in den Hochgeschwindigkeitsverkehr erlaubt völlig neue innereuropäische Verbindungen und erschließt damit ein Fahrgastpotential, das bisher weitgehend dem Flugzeug vorbehalten ist. Zwischen Peking und Shanghai verkehrt bereits ein solcher Zug, der von Bombardier gebaut wurde.
- Das neue Nachtzugkonzept muss mehr sein als ein Mobilitätsangebot. Es muss sich viel stärker als bisher an dem orientieren, was Reisende von Hotelaufenthalten kennen. Dazu zählen ein gastronomisches Angebot, bequeme Betten, mehr Zimmer mit WC und Dusche. Der Nachtzug der Zukunft ist ein rollendes Hotel.
- Es müssten in Zukunft mehr ein- und zwei-Personen-Abteile angeboten werden.
- Die Öffnungszeiten der DB-Lounges in den Bahnhöfen sind an die Abfahrts- und Ankunftszeiten der Nachtzüge anzupassen. Denn häufig sind vor der Abfahrt oder nach Ankunft der Nachtzüge Wartezeiten zu überbrücken, die komfortabel zu gestalten sind – ähnlich dem Ein- und Auschecken im Hotel.
- In den Nachtzügen ist der Internetzugang durch WLAN zu ermöglichen.
- Dass ein neues Nachtzugkonzept nur unter der Perspektive der Wirtschaftlichkeit umgesetzt werden kann ist nachvollziehbar. In einer solchen Wirtschaftlichkeitsberechnung muss dann aber auch berücksichtigt werden, dass viele Nachtzugkunden für einen Teil ihrer Reise oder für den Hin- oder Rückweg einen Tageszug nutzen. Dies bedeutet also, dass bei einem Wegfall von Nachtzügen viele Fahrgäste auf das Flugzeug oder den Fernbus umsteigen würden und das Geschäftsfeld des Fernverkehrs der DB insgesamt Verluste erleiden würde. Zumal die DB selber nicht davon ausgeht, dass im Falle eines Wegfalls der Nachtzüge ein großer Teil der bisherigen Nutzer auf den Tageszug umsteigen würde.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel
Antwort der DB
(Hervorhebungen von Matthias Gastel):
Sehr geehrter Herr Gastel,
vielen Dank für Ihren Brief zu unserem Nachtzuggeschäft und den darin enthaltenen Anregungen. (…)
Lassen Sie mich zunächst vorwegnehmen, dass wir Ihren Einsatz für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Schiene sehr zu schätzen wissen. Nicht nur erlebe ich die Diskussion zur Zukunft unseres Nachtzuggeschäfts mittlerweile als durchaus differenziert; vor dem Hintergrund eines zunehmend intensiven Wettbewerbs um Kunden im Mobilitätssektor, kombiniert mit einer vergleichsweise hohen Kostenbelastung für den umweltfreundlichen und sicheren Schienenpersonenverkehr, sind Stimmen für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zudem besonders entscheidend. Dies gilt sowohl für Tageslinien- als auch für Nachtzugverkehre. Der Markt an Nachtbusverbindungen umfasst zum Beispiel mittlerweile über 100 tägliche Verbindungen, die in Konkurrenz zu unseren Nachtzügen stehen; und dies wie gesagt bei u.a. ungleichen Kostenstrukturen.
Wir haben im Dezember 2014 ausführlich darüber diskutiert wie desolat der derzeitige Zustand unseres Nachtzuggeschäftes ist und dass auch wir als Unternehmen eine neue Dynamik beim Nachtzug benötigen, um auf einen grünen Zweig zu kommen – Veränderung ist so auch ein Schritt nach vorne in Richtung Zukunftsperspektive, auch wenn ich nachvollziehen kann, dass wir mit Blick auf die dringend erforderlichen Angebotskürzungen im letzten Jahr zunächst einmal für unsere Abkehr vom Status Quo mit Skepsis bedacht worden sind.
Wie Sie wissen, wird unser Unternehmen Ende des Jahres ein neues Konzept für den Nachtzug
vorlegen, in dem sich auch die von Ihnen aufgeworfenen Punkte in Teilen wiederfinden. Bereits zum Fahrplanwechsel Dezember 2015 werden wir zum Beispiel einzelne Verbindungen in unserem Nachtzugnetz über eine engere Verzahnung mit Tageslinienverkehren stärken. Zudem führen wir im Rahmen der Integration der Nachtzugverkehre in die Strukturen der DB Fernverkehr AG unter dem Stichwort „Hausaufgaben machen“ u.a. bei Vertrieb und Pricing sukzessive Bereinigungen vor, die zu einer Stärkung des Nachtzuggeschäftes führen werden.
Auch an dem Produkterlebnis arbeiten wir. Unser Produktmanagement hat in den letzten Monaten umfassende Marktforschungen betrieben und Kundenbefragungen durchgeführt, aus denen sich wertvolle Erkenntnisse dahingehend ergeben haben, auf welche Produktmerkmale unsere heutigen als auch potenziellen neuen Kunden besonders Wert legen und welche Produktbestandteile wiederum aus Kundensicht zu vernachlässigen sind. Entsprechend priorisieren wir nun auch unsere geplanten Anpassungen. Investitionen in die Beschaffung neuer Fahrzeuge sind allerdings weiterhin nicht vorgesehen, auch wenn ich Ihnen grundsätzlich zustimme, dass neues Wagenmaterial immer auch eine Chance für mehr Wachstum ist. Investitionen müssen allerdings erwirtschaftet werden; das gibt das Geschäft derzeit dezidiert nicht her.
Um dieses Henne-Ei-Prinzip aufzulösen, werden wir im Laufe des Jahres mit dem bestehenden Wagenmaterial arbeiten und unter anderem einen Prototyp für eine neue Innenraumgestaltung des meistnachgefragten Wagentyps, dem Liegewagen, bauen. Diesen werden wir dann anschließend einem Markttest unterziehen. Sofern Ihrerseits Interesse besteht, lasse ich Ihnen gerne die Informationen zu unserem Testbetrieb zukommen, sobald wir hier einen kommunizierbaren Härtegrad erreicht haben.
Sehr geehrter Herr Gastel, mit meinem Brief versuche ich dem Spannungsfeld zwischen Transparenz auf der einen und dem notwendigen Maß an Verschwiegenheit für eine erfolgreiche Produktentwicklung auf der anderen Seite gerecht zu werden. Ich hoffe in diesem Sinne, dass ich Ihnen auch ohne die Nennung konkreter Maßnahmen einen aufschlussreichen Blick in unsere Nachtzugwerkstatt gewähren konnte.
Gerne stehe ich Ihnen für weitere Rückfragen zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichem Gruß
Kurzbewertung durch Matthias Gastel
1. Die Antwort der DB enthält die interessante und gute Neuigkeit, dass der Prototyp eines erneuerten Liegewagens entwickelt wird.
2. Wir Grünen unterstützen die DB und alle anderen Bahnunternehmen zugunsten eines fairen Wettbewerbs mit anderen Verkehrsträgern.
3. Es ist gut, dass die DB endlich ein neues Konzept für die Nachtzüge entwickelt. Es kommt spät, aber nicht zu spät.
4. Marktforschung und Kundenbefragungen sind gut; allerdings sollte es nicht nur darum gehen, vorhandene Kunden zu halten, sondern auch neue zu gewinnen.
5. Dass ein Prototyp mit neuer Innenausstattung (Umbau eines älteren Wagens) geben soll unterstütze ich ausdrücklich und habe mich bereits als Testnutzer angeboten.
6. Entscheidend für die Zukunft des Nachtzuges ist letztlich, dass die DB in neues Wagenmaterial oder in die grundlegende Sanierung des vorhandenen investiert.