Eine kleine Chance für den Nachtzug!

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Nachtzug 202.04.2015

 

Mit einem offe­nen Brief an die Deut­sche Bahn AG (DB) habe ich mich ein wei­te­res Mal für den Erhalt der Nacht­zü­ge und ein neu­es, zukunfts­fä­hi­ges Nacht­zug­kon­zept ein­ge­setzt. Hier wer­den mein Brief sowie die Ant­wort der DB doku­men­tiert. Ganz unten ist eine kur­ze Bewer­tung von mir nach­zu­le­sen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mein Brief an die Deutsche Bahn

Sehr geehr­te Damen und Her­ren,

die DB arbei­tet der­zeit an einem Kon­zept für die Zukunft des Nacht­zu­ges. Die­ses Kon­zept kommt spät – aber immer­hin, es kommt. Wie Sie wis­sen, set­ze ich mich für die Zukunft des Nacht­zu­ges ein. Neue, inno­va­ti­ve Ideen sind gefragt. Teil­wei­se muss sich die­ses Fern­ver­kehrs­seg­ment neu erfin­den. Es muss neben dem Flug­ver­kehr und der neu­en Kon­kur­renz durch den Fern­bus, der auch immer häu­fi­ger nachts unter­wegs ist, bestehen kön­nen. Ich bin sicher, dass es dafür ein aus­rei­chen­des Fahr­gast­po­ten­ti­al gibt: Ein­zel­rei­sen­de Geschäfts­kun­den, Städ­te­tou­ris­ten, Fami­li­en (häu­fig mit Fahr­rä­dern oder Ski). Die­sen Grup­pen ein attrak­ti­ves Ange­bot zu machen muss Ziel des Nacht­zug-Kon­zep­tes sein.

Nach unzäh­li­gen Gesprä­chen, Fach­ver­an­stal­tun­gen und der Aus­wer­tung von Stu­di­en habe ich in die­sem Brief, den ich als offe­nen Brief ver­ste­he, Ideen für ein Nacht­zug-Kon­zept zusam­men­ge­tra­gen, die ich für über­le­gens­wert hal­te. Ich freue mich, wenn Sie die­se Ansät­ze in Ihre kon­zep­tio­nel­le Arbeit ein­flie­ßen las­sen.

  1. Es ist klar, dass es ohne neu­es Wagen­ma­te­ri­al oder die grund­le­gen­de Sanie­rung der vor­han­de­nen Züge in spä­tes­tens zehn Jah­ren kei­ne Nacht­zü­ge mehr geben wird.
  2. Syn­er­gien mit dem Tages­zug­ver­kehr soll­ten genutzt wer­den. Ver­län­ger­te Zug­läu­fe bis hin zur Frei­ga­be von Platz­bu­chun­gen auf Teil­stre­cken im Berufs­ver­kehr soll­ten über­prüft wer­den.
  3. Eine Ein­bin­dung des Nacht­zu­ges in den Hoch­ge­schwin­dig­keits­ver­kehr erlaubt völ­lig neue inner­eu­ro­päi­sche Ver­bin­dun­gen und erschließt damit ein Fahr­gast­po­ten­ti­al, das bis­her weit­ge­hend dem Flug­zeug vor­be­hal­ten ist. Zwi­schen Peking und Shang­hai ver­kehrt bereits ein sol­cher Zug, der von Bom­bar­dier gebaut wur­de.
  4. Das neue Nacht­zug­kon­zept muss mehr sein als ein Mobi­li­täts­an­ge­bot. Es muss sich viel stär­ker als bis­her an dem ori­en­tie­ren, was Rei­sen­de von Hotel­auf­ent­hal­ten ken­nen. Dazu zäh­len ein gas­tro­no­mi­sches Ange­bot, beque­me Bet­ten, mehr Zim­mer mit WC und Dusche. Der Nacht­zug der Zukunft ist ein rol­len­des Hotel.
  5. Es müss­ten in Zukunft mehr ein- und zwei-Per­so­nen-Abtei­le ange­bo­ten wer­den.
  6. Die Öff­nungs­zei­ten der DB-Loun­ges in den Bahn­hö­fen sind an die Abfahrts- und Ankunfts­zei­ten der Nacht­zü­ge anzu­pas­sen. Denn häu­fig sind vor der Abfahrt oder nach Ankunft der Nacht­zü­ge War­te­zei­ten zu über­brü­cken, die kom­for­ta­bel zu gestal­ten sind – ähn­lich dem Ein- und Aus­che­cken im Hotel.
  7. In den Nacht­zü­gen ist der Inter­net­zu­gang durch WLAN zu ermög­li­chen.
  8. Dass ein neu­es Nacht­zug­kon­zept nur unter der Per­spek­ti­ve der Wirt­schaft­lich­keit umge­setzt wer­den kann ist nach­voll­zieh­bar. In einer sol­chen Wirt­schaft­lich­keits­be­rech­nung muss dann aber auch berück­sich­tigt wer­den, dass vie­le Nacht­zug­kun­den für einen Teil ihrer Rei­se oder für den Hin- oder Rück­weg einen Tages­zug nut­zen. Dies bedeu­tet also, dass bei einem Weg­fall von Nacht­zü­gen vie­le Fahr­gäs­te auf das Flug­zeug oder den Fern­bus umstei­gen wür­den und das Geschäfts­feld des Fern­ver­kehrs der DB ins­ge­samt Ver­lus­te erlei­den wür­de. Zumal die DB sel­ber nicht davon aus­geht, dass im Fal­le eines Weg­falls der Nacht­zü­ge ein gro­ßer Teil der bis­he­ri­gen Nut­zer auf den Tages­zug umstei­gen wür­de.

Mit freund­li­chen Grü­ßen

Mat­thi­as Gastel

 

Antwort der DB

(Her­vor­he­bun­gen von Mat­thi­as Gastel):

Sehr geehr­ter Herr Gastel,

vie­len Dank für Ihren Brief zu unse­rem Nacht­zug­ge­schäft und den dar­in ent­hal­te­nen Anre­gun­gen. (…)

Las­sen Sie mich zunächst vor­weg­neh­men, dass wir Ihren Ein­satz für eine Ver­bes­se­rung der Rah­men­be­din­gun­gen für die Schie­ne sehr zu schät­zen wis­sen. Nicht nur erle­be ich die Dis­kus­si­on zur Zukunft unse­res Nacht­zug­ge­schäfts mitt­ler­wei­le als durch­aus dif­fe­ren­ziert; vor dem Hin­ter­grund eines zuneh­mend inten­si­ven Wett­be­werbs um Kun­den im Mobi­li­täts­sek­tor, kom­bi­niert mit einer ver­gleichs­wei­se hohen Kos­ten­be­las­tung für den umwelt­freund­li­chen und siche­ren Schie­nen­per­so­nen­ver­kehr, sind Stim­men für wett­be­werbs­fä­hi­ge Rah­men­be­din­gun­gen zudem beson­ders ent­schei­dend. Dies gilt sowohl für Tages­li­ni­en- als auch für Nacht­zug­ver­keh­re. Der Markt an Nacht­bus­ver­bin­dun­gen umfasst zum Bei­spiel mitt­ler­wei­le über 100 täg­li­che Ver­bin­dun­gen, die in Kon­kur­renz zu unse­ren Nacht­zü­gen ste­hen; und dies wie gesagt bei u.a. unglei­chen Kos­ten­struk­tu­ren.

Wir haben im Dezem­ber 2014 aus­führ­lich dar­über dis­ku­tiert wie deso­lat der der­zei­ti­ge Zustand unse­res Nacht­zug­ge­schäf­tes ist und dass auch wir als Unter­neh­men eine neue Dyna­mik beim Nacht­zug benö­ti­gen, um auf einen grü­nen Zweig zu kom­men – Ver­än­de­rung ist so auch ein Schritt nach vor­ne in Rich­tung Zukunfts­per­spek­ti­ve, auch wenn ich nach­voll­zie­hen kann, dass wir mit Blick auf die drin­gend erfor­der­li­chen Ange­bots­kür­zun­gen im letz­ten Jahr zunächst ein­mal für unse­re Abkehr vom Sta­tus Quo mit Skep­sis bedacht wor­den sind.

Wie Sie wis­sen, wird unser Unter­neh­men Ende des Jah­res ein neu­es Kon­zept für den Nacht­zug

vor­le­gen, in dem sich auch die von Ihnen auf­ge­wor­fe­nen Punk­te in Tei­len wie­der­fin­den. Bereits zum Fahr­plan­wech­sel Dezem­ber 2015 wer­den wir zum Bei­spiel ein­zel­ne Ver­bin­dun­gen in unse­rem Nacht­zug­netz über eine enge­re Ver­zah­nung mit Tages­li­ni­en­ver­keh­ren stär­ken. Zudem füh­ren wir im Rah­men der Inte­gra­ti­on der Nacht­zug­ver­keh­re in die Struk­tu­ren der DB Fern­ver­kehr AG unter dem Stich­wort „Haus­auf­ga­ben machen“ u.a. bei Ver­trieb und Pri­cing suk­zes­si­ve Berei­ni­gun­gen vor, die zu einer Stär­kung des Nacht­zug­ge­schäf­tes füh­ren wer­den.

Auch an dem Pro­dukt­er­leb­nis arbei­ten wir. Unser Pro­dukt­ma­nage­ment hat in den letz­ten Mona­ten umfas­sen­de Markt­for­schun­gen betrie­ben und Kun­den­be­fra­gun­gen durch­ge­führt, aus denen sich wert­vol­le Erkennt­nis­se dahin­ge­hend erge­ben haben, auf wel­che Pro­dukt­merk­ma­le unse­re heu­ti­gen als auch poten­zi­el­len neu­en Kun­den beson­ders Wert legen und wel­che Pro­dukt­be­stand­tei­le wie­der­um aus Kun­den­sicht zu ver­nach­läs­si­gen sind. Ent­spre­chend prio­ri­sie­ren wir nun auch unse­re geplan­ten Anpas­sun­gen. Inves­ti­tio­nen in die Beschaf­fung neu­er Fahr­zeu­ge sind aller­dings wei­ter­hin nicht vor­ge­se­hen, auch wenn ich Ihnen grund­sätz­lich zustim­me, dass neu­es Wagen­ma­te­ri­al immer auch eine Chan­ce für mehr Wachs­tum ist. Inves­ti­tio­nen müs­sen aller­dings erwirt­schaf­tet wer­den; das gibt das Geschäft der­zeit dezi­diert nicht her.

Um die­ses Hen­ne-Ei-Prin­zip auf­zu­lö­sen, wer­den wir im Lau­fe des Jah­res mit dem bestehen­den Wagen­ma­te­ri­al arbei­ten und unter ande­rem einen Pro­to­typ für eine neue Innen­raum­ge­stal­tung des meist­nach­ge­frag­ten Wagen­typs, dem Lie­ge­wa­gen, bau­en. Die­sen wer­den wir dann anschlie­ßend einem Markt­test unter­zie­hen. Sofern Ihrer­seits Inter­es­se besteht, las­se ich Ihnen ger­ne die Infor­ma­tio­nen zu unse­rem Test­be­trieb zukom­men, sobald wir hier einen kom­mu­ni­zier­ba­ren Här­te­grad erreicht haben.

Sehr geehr­ter Herr Gastel, mit mei­nem Brief ver­su­che ich dem Span­nungs­feld zwi­schen Trans­pa­renz auf der einen und dem not­wen­di­gen Maß an Ver­schwie­gen­heit für eine erfolg­rei­che Pro­dukt­ent­wick­lung auf der ande­ren Sei­te gerecht zu wer­den. Ich hof­fe in die­sem Sin­ne, dass ich Ihnen auch ohne die Nen­nung kon­kre­ter Maß­nah­men einen auf­schluss­rei­chen Blick in unse­re Nacht­zug­werk­statt gewäh­ren konn­te.

Ger­ne ste­he ich Ihnen für wei­te­re Rück­fra­gen zur Ver­fü­gung und ver­blei­be

mit freund­li­chem Gruß

 

Kurzbewertung durch Matthias Gastel

1. Die Ant­wort der DB ent­hält die inter­es­san­te und gute Neu­ig­keit, dass der Pro­to­typ eines erneu­er­ten Lie­ge­wa­gens ent­wi­ckelt wird.

2. Wir Grü­nen unter­stüt­zen die DB und alle ande­ren Bahn­un­ter­neh­men zuguns­ten eines fai­ren Wett­be­werbs mit ande­ren Ver­kehrs­trä­gern.

3. Es ist gut, dass die DB end­lich ein neu­es Kon­zept für die Nacht­zü­ge ent­wi­ckelt. Es kommt spät, aber nicht zu spät.

4. Markt­for­schung und Kun­den­be­fra­gun­gen sind gut; aller­dings soll­te es nicht nur dar­um gehen, vor­han­de­ne Kun­den zu hal­ten, son­dern auch neue zu gewin­nen.

5. Dass ein Pro­to­typ mit neu­er Innen­aus­stat­tung (Umbau eines älte­ren Wagens) geben soll unter­stüt­ze ich aus­drück­lich und habe mich bereits als Test­nut­zer ange­bo­ten.

6. Ent­schei­dend für die Zukunft des Nacht­zu­ges ist letzt­lich, dass die DB in neu­es Wagen­ma­te­ri­al oder in die grund­le­gen­de Sanie­rung des vor­han­de­nen inves­tiert.