Neue GroKo: Weiteres Versagen in der Verkehrspolitik

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Mit der Neu­auf­la­ge der Gro­Ko könn­ten sich die Staus der Zukunft auf noch mehr Spu­ren ver­brei­tern. Von einer Ver­kehrs­wen­de lei­der kei­ne Spur.

12.01.2018

Analyse: Keine Politik für eine Verkehrswende!

Die neue Gro­ße Koali­ti­on in Grün­dung drückt sich mit aller Macht davor, eine moder­ne Mobi­li­täts­po­li­tik mit Umwelt- und Kli­ma­schutz zu ver­bin­den – eine Ana­ly­se des Son­die­rungs­er­geb­nis­ses von CDU, CSU und SPD vom 12. Janu­ar 2018

Nach­dem die Son­die­run­gen zur Bil­dung einer Jamai­ka-Koali­ti­on an der FDP-Füh­rung geschei­tert sind, haben sich zum Jah­res­an­fang 2018 die Spit­zen von CDU, CSU und SPD zu Son­die­rungs­ge­sprä­chen für eine erneu­te Gro­ße Koali­ti­on zusam­men­ge­fun­den. Das vor­lie­gen­de Son­die­rungs­pa­pier ist über wei­te Stre­cken schlicht­weg ent­täu­schend. Es drückt sich gera­de­zu der Ein­druck auf, die SPD hat nicht wirk­lich – wie sich die SPD-Füh­rung immer wie­der zitie­ren las­sen hat – „ergeb­nis­of­fen“ son­diert, son­dern ein­zig in Hin­blick auf eine Eini­gung hin zu einer gemein­sa­men Koali­ti­on. Ander­wei­ti­ge Optio­nen wie die einer von der SPD immer wie­der ins Spiel gebrach­ten Min­der­heits­re­gie­rung oder Tole­rie­rung sind offen­bar wie­der schnell vom Tisch gewischt wor­den. Viel­leicht las­sen sich hier­durch die ernüch­tern­den Son­die­rungs­er­geb­nis­se begrün­den. Gera­de auch in der Ver­kehrs- und Kli­ma­po­li­tik klaf­fen bis­he­ri­ges Reden der Spit­zen von Uni­on und SPD und das Han­deln im Son­die­rungs­pa­pier bereits aus­ein­an­der.

So ist es selbst­ver­ständ­lich, dass sich die deut­sche Mobi­li­täts­po­li­tik dem von Deutsch­land mit unter­zeich­ne­ten Pari­ser Kli­ma­schutz­ab­kom­men ver­pflich­tet sein muss. Pro­ble­ma­tisch wird es immer dann, wenn die Koali­ti­on – abge­lei­tet vom Paris-Abkom­men – auch zu ver­bind­li­chen Fest­le­gun­gen im Ver­kehrs­be­reich kom­men muss, mit denen sie die deut­schen Kli­ma­schutz­zie­le dann auch errei­chen will. Außer all­ge­mei­nen Bekennt­nis­sen zu den Kli­ma­zie­len fällt da den Uni­ons­par­tei­en und der SPD nichts ein – obwohl sie mit dem Zugriff auf ihre geschäfts­füh­rend geführ­ten Minis­te­ri­en zahl­rei­che Initia­ti­ven ein­ho­len könn­ten.

Es fehlt in Deutsch­land nicht an all­ge­mei­nen Bekennt­nis­sen zum Kli­ma­schutz, son­dern kon­kre­ten Pro­jek­ten zu Kli­ma­schutz im Ver­kehrs­be­reich. Ver­kehr ist der ein­zi­ge Ver­brauch­sek­tor, in dem seit 1990 kein Kli­ma­schutz­fort­schritt erreicht wur­de. Es ist die ent­schei­den­de poli­ti­sche Auf­ga­be der 2010er Jah­re (und lei­der abseh­bar auch der 2020er Jah­re), im Ver­kehrs­sek­tor end­lich Pro­jek­te anzu­pa­cken, die kon­kre­te Fort­schrit­te hin zu weni­ger Treib­haus­ga­sen erzie­len. Hier hapert es ent­schei­dend. Die not­wen­di­gen Maß­nah­men lie­gen seit Jah­ren auf den Tisch und wur­den in unzäh­li­gen Kom­mis­sio­nen und Aus­schuss-Sit­zun­gen debat­tiert. Doch schon das Wort „Ver­kehrs­wen­de“ fin­det sich auf gan­zen 28 Sei­ten Son­die­rungs­pa­pier die­ser neu­en Gro­ßen Koali­ti­on kein ein­zi­ges Mal.

Wenn die Gro­ße Koali­ti­on jetzt nach acht gemein­sa­men Koali­ti­ons­jah­ren unter Mer­kel auf die Idee kommt, eine Kli­ma­schutz-Kom­mis­si­on ein­zu­rich­ten, der will im Kern nichts ande­res als wie­der nur kon­kre­tes Han­deln ver­zö­gern und ver­schie­ben. Kon­kret: Es besteht kei­ne Aus­sicht auf Fort­schritt, wenn wie im Son­die­rungs­pa­pier ver­mit­telt wei­ter der Ver­bren­nungs­mo­tor geför­dert wird. Es gibt kei­ne Stra­te­gie für die Elek­tro­mo­bi­li­tät. So setzt die Gro­ße Koali­ti­on die Erfolgs­chan­cen unse­rer deut­schen Auto­mo­bil­in­dus­trie wei­ter aufs Spiel – und damit auch den Wohl­stand bei uns im Süd­wes­ten. Bei der Bahn­po­li­tik ist nichts Wesent­li­ches erkenn­bar, um die vie­len Pro­ble­me im Netz, aber auch im bun­des­ei­ge­nen Kon­zern Deut­sche Bahn anzu­ge­hen. Auch das The­ma ver­netz­te Mobi­li­tät und ver­netz­te Städ­te wird nicht als Hand­lungs­feld erkannt. Das Son­die­rungs­pa­pier hat kei­ner­lei Vor­schlä­ge für eine Ver­net­zung von Bahn, Bus, Rad und Car­sha­ring auf­ge­wor­fen. Die­se ver­fehl­te Ver­kehrs­po­li­tik, die ein „Wei­ter so“ beto­niert, müss­te drin­gend been­det wer­den.

Uni­on und SPD haben in den letz­ten bei­den Gro­ßen Koali­tio­nen unter Mer­kel immer ein­sei­tig den Stra­ßen­bau vor­an­ge­trie­ben. Die erneu­te Ankün­di­gung eines Infra­struk­tur­aus­baus lässt hier eine Fort­set­zung die­ser alten Beton­ko­ali­ti­on befürch­ten. Eine Ver­kehrs­ver­la­ge­rung, etwa auf die Schie­ne oder die Was­ser­stra­ße, scheint über­haupt kein The­ma zu sein. Selbst in den letz­ten Jah­ren als poli­ti­scher Kon­sens wahr­ge­nom­me­ne Pro­jek­te wie der „Deutsch­land-Takt“ bei der Schie­ne scheint plötz­lich kein wich­ti­ges The­ma der neu­en Gro­ßen Koali­ti­on zu sein. Auf Betrei­ben der Uni­on soll ein Pla­nungs­be­schleu­ni­gungs­ge­setz beschlos­sen wer­den, wel­ches vor allem die Anhö­rungs- und Betei­li­gungs­rech­te der Betrof­fe­nen vor Ort und des Umwelt- und Natur­schut­zes erheb­lich schlei­fen dürf­te. Damit wäre der Weg frei für eine Stra­ßen­bau­ma­schi­ne­rie ohne jeg­li­che Abwä­gung ver­schie­de­ner Inter­es­sen. Die Beton- und Stra­ßen­bau­lob­by darf sich hier über einen Punkt­sieg freu­en.

Immer­hin wird im Son­die­rungs­pa­pier ein­ge­stan­den, dass die ÖPNV-Infra­struk­tur seit Jah­ren mas­siv unter­fi­nan­ziert ist. Das Pro­blem bei­spiels­wei­se brö­ckeln­der U‑Bahn-Sta­tio­nen etwa im Ruhr­ge­biet ist seit Jah­ren bekannt. Der vor­ei­li­ge Beschluss der alten Gro­ßen Koali­ti­on noch von 2016, die ÖPNV-Mit­tel im Gemein­de­ver­kehrs­fi­nan­zie­rungs­ge­setz ein­zu­frie­ren, soll nun revi­diert wer­den. Hier ist eine Auf­sto­ckung der Mit­tel geplant, aber auch die­se schei­nen in der Sum­me erneut hin­ter letz­ten Zwi­schen­stän­den vor dem Abbruch der Jamai­ka-Koali­ti­on zurück­zu­blei­ben. Wie hier ein Auf­bruch für die Öffent­li­chen erreicht wer­den könn­te, scheint noch schlei­er­haft.

Einer­seits Fahr­ver­bo­te in den Innen­städ­ten abzu­leh­nen, aber kein Wort zu einer Ver­kehrs­wen­de zu ver­lie­ren, das passt schlicht­weg nicht zusam­men. Das Stick­oxid­pro­blem wird durch Aus­sit­zen nicht gelöst. Die Luft in den Groß­städ­ten wie Stutt­gart, Mann­heim oder Mün­chen wird nur sau­be­rer, wenn nicht noch jah­re­lang schmut­zi­ge Die­sel­fahr­zeu­ge in die betrof­fe­nen Städ­te ein­fah­ren kön­nen. Des­halb ist es ent­täu­schend, dass die Gro­ße Koali­ti­on kei­ner­lei Aus­sa­gen zu den Initia­ti­ven für eine Blaue Pla­ket­te wie von Baden-Würt­tem­berg im Bun­des­rat ange­sto­ßen, tref­fen will. Auch zu den Hard­ware-Nach­rüs­tun­gen liest man nach meh­re­ren Die­sel­gip­feln im Son­die­rungs­pa­pier nichts. Die neue Gro­ße Koali­ti­on lässt hier die Kom­mu­nen im Stich. Die Gerich­te wer­den nach dem Urteil in Stutt­gart aller­dings spür­ba­re Maß­nah­men ver­lan­gen. Ein blo­ßes Nichts­tun der Bun­des­re­gie­rung kann da kei­ne Ant­wort sein. Selbst die Ana­ly­sen der alten Bun­des­re­gie­rung beschrei­ben sehr deut­lich, dass ein paar umge­rüs­te­te Bus­se und E‑Taxis aus Bun­des­mit­teln nicht aus­rei­chen wer­den, um die Stick­oxid­pro­ble­me ein­zu­däm­men.

So bit­ter es klingt: Die letz­ten Jamai­ka-Zwi­schen­stän­de waren gera­de ver­kehrs­po­li­tisch sicher kei­ne Kopie des grü­nen Wahl­pro­gramms. Doch selbst die­se Zwi­schen­stän­de von Jamai­ka waren bes­ser als das nun von der neu­en Gro­ßen Koali­ti­on vor­ge­leg­te Papier.