Es sah schon mal düsterer aus
Ich freue mich, dass immer mehr neue Nachtzug-Angebote entstehen und sich diese schöne sowie klimafreundliche Art des Reisens großer Beliebtheit erfreut. Für den Durchbruch muss sich jedoch viel ändern – bei den Fahrzeugen wie auch bei den politischen Rahmenbedingungen.
Im Bahnkapitel des Koalitionsvertrags haben die drei Ampelparteien gemeinsam festgehalten: „Grenzüberscheitenden Verkehr wollen wir stärken und mit der EU sowie ihren Mitgliedstaaten Nachtzugangebote aufbauen.“ Die Situation bei den Nachtzügen mit Schlaf- und Liegewagen aktuell: Es gibt zu wenig und überwiegend veraltetes Wagenmaterial, das den Anforderungen von heute meist nicht gerecht wird. Reisende wollen heute häufiger in Einzelkabinen reisen, als diese verfügbar sind. Auf Intimität und Hygiene wird zunehmend größeren Wert gelegt. Die Nachfrage auf vielen Strecken ist stark saisonal schwankend. Zudem stehen die Nachtzüge im Wettbewerb zu Auto und Flugzeug. Der wirtschaftliche Betrieb ist äußerst schwierig. Positiv ist, dass gerade die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) dieses Segment engagiert besetzen und ausbauen wollen. Dabei kooperiert das Bahnunternehmen mit anderen, so der Deutschen Bahn (DB) – zum Vorteil der Reisenden. Dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein politischer Handlungsbedarf besteht, um den Nachtzügen eine bessere und dauerhafte Zukunft zu ermöglichen.
Der “Ampel” ist sich dem bewusst und setzt sich aktiv für einen attraktiven Nachtzugverkehr in Europa ein. Um das aktuell größte Problem, das fehlende Wagenmaterial anzugehen, wurden im Haushalt 2022 fünf Millionen Euro für eine Studie zur Stärkung der Nachtzugverkehre bereitgestellt. Aktuell kann kein Wagenmaterial neu beschafft werden, für das eine europaweite Zulassung einfach erlangt werden kann. Die UIC-Wagen waren so genormt, dass sie europaweit zugelassen wurden. Dieses Recht haben sie bis heute erhalten, es gilt jedoch nicht für Neubauten, da diese nach neuem Zulassungsrecht nicht mehr in allen europäischen Ländern zugelassen werden. Letztlich geht es aber um genau das: Die Definition eines Wagenaufbaus (in Form eines Lastenhefts), der in allen europäischen Ländern Zulassung erlangt. Doch nicht nur ein Lastenheft soll durch die Forschung entwickelt werden, sondern auch eine Betrachtung verschiedener Marktmodelle. Im Haushalt 2023 hat die Ampelkoalition vier Millionen Euro bereitgestellt, um einfaches Ticketing bei grenzüberschreitenden Verkehren zu ermöglichen. Damit wird eine weitere Hürde abgebaut, damit Reisen mit dem Nachtzug für alle Menschen unkomplizierter wird. Eine eher kleine Maßnahme der “Ampel” hat sich bereits als hilfreich erwiesen, nämlich die Verlängerung der Trassenpreiseförderung, von welcher auch Nachtzuganbieter profitieren konnten. Für die Stärkung des europäischen Nachtzugverkehrs sind jedoch dauerhaft niedrige Trassenpreise und ein sinnvolles Marktmodell notwendig. Wir setzen uns für eine Absenkung der Trassenpreise mindestens auf das Grenzkostenniveau ein. Ein übergeordneter Aufgabenträger kann in diesem Kontext schnell notwendig werden, um bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Nachtzüge schaffen zu können oder auch Nachtzugverkehre auszuschreiben. In Deutschland wäre hierfür vor allem die Einführung von Systemtrassen im Eisenbahnregulierungsgesetz (EReG) sinnvoll. Durch Systemtrassen können im Deutschlandtakt Nachtzugverkehre modelliert und so sinnvoll in die Knoten eingetaktet werden. Dadurch können attraktive Nachtzugverbindungen angeboten werden und das europäische Nachtzugnetz erweitert sich. Auch durch dann bis zu 230 Stundenkilometer fähiges Wagenmaterial, welches im Nachtsprung noch größere Distanzen zurücklegen kann, werden weiter entfernte Reiseziele mit dem Zug anstelle des Flugzeugs erreichbar und es können mehr klimaschädliche Emissionen durch eine Verlagerung auf die Schiene eingespart werden. Damit Nachtzugfahren im Vergleich zum Fliegen letztlich noch attraktiver wird und die Verkehrsträger im fairen Wettbewerb zueinanderstehen können, müssen die klimaschädlichen Subventionen im Flugverkehr endlich abgebaut werden.
Hier noch der Hinweis auf unsere grüne Idee für ein europäisches Nachtzugkonzept: https://bahnstrategie.matthias-gastel.de/nachtzug.php