26.07.2016, ergänzt am 01.08. und am 03.08.2016
Bundesverkehrswegeplan: Mit alten Fehlern und neuem Trick kurz vor der Beschlussfassung – Brief an Kanzlerin
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist das zentrale Steuerungs- und Planungsinstrument für den Aus- und Neubau von Bundesstraßen, Bundesschienenwegen und Bundeswasserstraßen. Nachdem das Bundesverkehrsministerium mit über einem Jahr Verzögerung seinen Entwurf für den BVWP 2030 vorgelegt hatte, soll jetzt alles ganz schnell gehen. Anfang August soll das Bundeskabinett den Bundesverkehrswegeplan beschließen. Eine Befassung im Bundestag ist nicht erforderlich. Der Bundestag soll dann aber im Herbst über die Ausbaugesetze entscheiden, womit die Inhalte des BVWP (eventuell mit Änderungen) in Gesetzesform gegossen werden.
Inzwischen liegt ein zweiter Referentenentwurf vor. Unsere grundsätzliche Kritik bleibt aber bestehen: Mit dem BVWP werden keinerlei verkehrs- und umweltpolitischen Ziele verfolgt. Es wird keine Änderung des Modal-Split von der Straße hin zur Schiene beabsichtigt. Somit wird der Verkehrssektor auch weiterhin keinen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz leisten. Der Plan sieht, vereinfacht gesprochen, viel Straße und wenig Schiene vor. Dies hängt auch damit zusammen, dass noch immer nicht alle Schienenprojekte bewertet und den Kategorien „Vordringlicher Bedarf“ (VB) und „Weiterer Bedarf“ (WB) zugewiesen wurden. Die Bundesregierung soll also einen BVWP beschließen, der noch überhaupt nicht fertiggestellt wurde.
Was sich gegenüber dem ersten Entwurf geändert hat
- Einzelne Verkehrsprojekte werden einer neuen Dringlichkeitseinstufung zugeordnet. Dabei gibt es allerdings – wie es zu erwarten gab – fast nur „Höherstufungen“, also mehr vordringliche Vorhaben. Im Vergleich mit dem ersten Entwurf herunter gestuft wurde in Baden-Württemberg die A 5 mit den Abschnitten Hemsbach – Weinheim und Weinheim – Heidelberg. Beide waren für den „VB – Engpassbeseitigung“ (VB‑E) vorgesehen und werden nun für den „WB“ vorgeschlagen. Höher gestuft werden in Baden-Württemberg hingegen gleich zehn Straßenprojekte. Darunter befindet sich die A 6 zwischen Weinsberg und Feuchtwangen (von WB* in den VB‑E), die A 8 S‑Degerloch – Wendlingen (ebenfalls von WB* in VB‑E) und die B 10 Geislingen Mitte bis Geislingen Ost (von WB in WB*). Das * steht für „mit Planungsrecht“ und wird nur bei Straßenprojekten vergeben. Neu im BVWP sind weitere drei Straßenbauprojekte in B‑W, die im ersten Entwurf noch als unwirtschaftlich bewertet wurden und nun im WB* zu finden sind. Der strittige Nordostring Stuttgart, den weder das Land noch die Landeshauptstadt unterstützt, soll im WB* verbleiben. Dafür wird jetzt die städtebauliche Bedeutung als „hoch“ angenommen. Bei den Schienenprojekten in B‑W soll sich nichts ändern. So bleibt die Gäubahn im Sammelbecken „Potentieller Bedarf“, wurde also noch überhaupt nicht bewertet.
- Die meisten neu aufgenommenen Projekte befinden sich – wen wundert dies – in Bayern. In den Freistaat sollen 1,3 Milliarden Euro mehr fließen als ursprünglich vorgesehen.
- Auffallend ist, dass das Bundesverkehrsministerium bei „gemischten Vorhaben, die sowohl die Erneuerung bestehender Straßen als auch deren Ausbau vorsehen, Kostenanteile von „Neubau“ hin zu „Erhalt“ verschoben hat. Da die Erhaltungsanteile nicht in die Nutzen-Kosten-Betrachtung einfließen, erhöht sich durch diesen Taschenspielertrick das Nutzen-Kosten-Verhältnis. Wenig wirtschaftliche Projekte werden so wirtschaftlicher gerechnet.
- Da sich das Volumen des BVWP insgesamt erhöht hat, wächst die sogenannte „Schleppe“. Dies bedeutet, dass der BVWP noch mehr überzeichnet ist, als er es bisher schon war und aus heutiger Sicht ein noch größerer Teil der als vordringlich eingestuften Projekte nicht bis 2030 abfinanziert werden kann. Der Vorwurf, dass der BVWP 2030 schon die Vorgaben für den darauf folgenden BVWP setzt, ist also nicht von der Hand zu weisen.
In einem Brief an die Bundeskanzlerin fordern Abgeordnete der Grünen im Bundestag einen Stopp dieses Bundesverkehrswegeplans. Denn mit ihm werden Klimaschutzziele und Ziele zur Verringerung des Flächenverbrauchs deutlich verfehlt. Der Brief ist hier nachlesbar: Brief_BVWP_Merkel
Am 03. August wurde der Bundesverkehrswegeplan vom Bundeskabinett beschlossen. Alle Befürchtungen sind damit eingetreten. Dazu, und speziell zu den Auswirkungen auf Baden-Württemberg, gibt es hier weitere Einschätzungen und Informationen: https://www.matthias-gastel.de/neuer-bundesverkehrswegeplan-nach-altem-stil/#.V6Hg8U3ynIV