Neues von der Gäubahn

Die Gäu­bahn, die von Stutt­gart über Böb­lin­gen und Her­ren­berg bis nach Sin­gen am Hoh­ent­wiel und wei­ter nach Zürich ver­läuft, bie­tet seit vie­len Jah­ren Anläs­se, über sie zu schrei­ben. Mal sind es Spe­ku­la­tio­nen, mal Plä­ne, lei­der gibt aber eher sel­ten etwas wirk­lich Posi­ti­ves zu berich­ten. Fan­gen wir den­noch mal beim Posi­ti­ven an: Das zwei­te Gleis auf dem Abschnitt süd­lich von Horb ging mit­samt dem neu­en Stell­werk in Betrieb. Damit wird ein klei­ner Bei­trag für einen sta­bi­le­ren Bahn­be­trieb geleis­tet. Wei­ter unten, im Süden, ste­cken die Aus­bau­pla­nun­gen noch in den Anfän­gen, kom­men aber – wenn auch sehr lang­sam – vor­an. In Sulz wird die Absicht, einen lan­gen ein­glei­si­gen Abschnitt durch einen deut­lich kür­ze­ren, aber lei­der ein­glei­si­gen Tun­nel zu erset­zen, inzwi­schen wie­der in Fra­ge gestellt. Stand der Debat­te ist, das Bestands­gleis für den Regio­nal­ver­kehr in Betrieb zu las­sen und den Tun­nel für den Fern­ver­kehr zu bau­en. Ein Fern­ver­kehrs­halt in Sulz war bereits vor­her schon für die Zukunft (sie­he Ziel­fahr­plan für den Deutsch­land­takt) nicht mehr vor­ge­se­hen. Ich hof­fe, dass am Ende der Plan, gleich zwei Tun­nel­röh­ren zu bau­en, ver­folgt wird.

In der Öffent­lich­keit am emo­tio­nals­ten dis­ku­tiert wird die geplan­te mehr­jäh­ri­ge Abhän­gung des Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hofs. Ein hal­bes Jahr vor der Inbe­trieb­nah­me von Stutt­gart 21 (geplant für Dezem­ber 2026) sehen die Bau­ab­läu­fe vor, dass die Gäu­bahn­stre­cke (Pan­ora­m­abahn) für die Ver­le­gung der S‑Bahn-Tras­se abge­tra­gen wird. Dann gäbe es so lan­ge kei­ne durch­ge­hen­den Züge mehr (mit Aus­nah­me der S‑Bahn über die unter­ir­di­sche Stamm­stre­cke), bis der Pfaf­fen­steig­tun­nel gebaut ist. Der Pfaf­fen­steig­tun­nel ist aktu­ell in der Pla­nung (Vor­pla­nung ist abge­schlos­sen, Pla­nung in Leis­tungs­pha­se 3/4 läuft). Noch in die­sem Jahr soll der Finan­zie­rungs­ver­trag zwi­schen Bund und Deut­scher Bahn unter­schrie­ben wer­den. Die aktu­el­le Kos­ten­er­war­tung liegt bei deut­lich über 1,5 Mil­li­ar­den Euro.

Als Grü­ne haben wir die Tun­nel­plä­ne immer wie­der kri­ti­siert: Die ange­nom­me­ne Anzahl an Zügen recht­fer­tigt nicht die hohen Kos­ten. Ohne die ver­track­te Vor­ge­schich­te von Stutt­gart 21 lässt sich die­ser Aspekt nicht ver­ste­hen. Daher wer­fen wir einen Blick auf die Pro­jekt­ge­schich­te, die spä­tes­tens mit dem Finan­zie­rungs­ver­trag aus dem Jahr 2009 zwi­schen den sehr unglei­chen Pro­jekt­part­nern Deut­sche Bahn, dem Land Baden-Würt­tem­berg, der Lan­des­haupt­stadt Stutt­gart, dem Ver­band Regi­on Stutt­gart und dem Lan­des­flug­ha­fen ihr Unheil nahm. Ein­zig die DB ist für den Bau von Bahn­kno­ten zustän­dig. Es war abseh­bar, dass spä­tes­tens dann, wenn etwas nicht nach Plan läuft, grö­ße­re Pro­ble­me auf­tre­ten, die mit den unter­schied­li­chen Auf­ga­ben der Pro­jekt­part­ner zusam­men­hän­gen. Die Lan­des­haupt­stadt ist – wie alle Kom­mu­nen – für Stadt­ent­wick­lung und Woh­nungs­bau zustän­dig, nicht jedoch für Bahn­hö­fe. Daher habe ich ein gewis­ses Ver­ständ­nis dafür, dass bei der Stadt der Woh­nungs­bau Vor­rang vor dem Erhalt von ober­ir­di­schen Glei­sen wie denen der Gäu­bahn hat, zumal sich in den Außen­be­rei­chen (z. B. “Rohrer Weg“ mit Streu­obst­wie­sen) kaum mehr Woh­nungs­bau rea­li­sie­ren lässt. “Ver­ständ­nis“ auf­zu­brin­gen heißt nicht, dass ich die­se Sicht­wei­se für rich­tig hal­te. Ich bin nach wie vor über­zeugt, dass sich bei­des, Bahn und Woh­nungs­bau, zusam­men­brin­gen las­sen kön­nen, wenn man es denn will.
Der Grund­feh­ler wur­de in der ein­ma­lig absur­den Kon­struk­ti­on von Stutt­gart 21 gemacht, indem die Stadt als Pro­jekt­part­ne­rin mit hin­ein­ge­nom­men wur­de, obwohl die Stadt nicht für den Bahn­hofs­bau ver­ant­wort­lich ist. Spä­tes­tens dann, wenn die Din­ge (z. B. zeit­lich) aus­ein­an­der­lau­fen, muss­te jeder nach sich selbst schau­en. Das Land will nicht mehr zah­len und wird von der DB ver­klagt. Die Stadt will die Flä­chen so bald wie mög­lich ohne Abstri­che über­bau­en. Plötz­lich steht die DB unter allen Pro­jekt­ver­ant­wort­li­chen allein da, muss das Pro­jekt allei­ne ver­tei­di­gen und irgend­wie mit einem unzu­rei­chend leis­tungs­fä­hi­gen Bahn­kno­ten zurecht­kom­men.

Die Flug­ha­fen­an­bin­dung ist ver­trag­lich zwi­schen den fünf Pro­jekt­part­nern ver­ein­bart und soll mit dem Pfaf­fen­steig­tun­nel umge­setzt wer­den. Die­ser wird jedoch erst Jah­re spä­ter fer­tig als Stutt­gart 21 mit dem Tief­bahn­hof (inklu­si­ve Abkopp­lung der Gäu­bahn). Die Alter­na­ti­ve zum Tun­nel, der weder finan­ziert noch ver­kehr­lich zwin­gend erfor­der­lich ist, ist for­mal und recht­lich, dass die Pla­nung für die Rohrer Kur­ve und den Misch­ver­kehr auf der S‑Bahn-Tras­se wie­der auf­ge­nom­men wird. Dies wäre die aller­schlech­tes­te Vari­an­te. Daher ist von mir kei­ne Ableh­nung des Tun­nels zu hören, auch wenn ich ihn rein fach­lich für Unsinn hal­te.
Auch hier ist fest­zu­stel­len: Die Fest­le­gung auf die Gäu­bahn­füh­rung über den Flug­ha­fen vor 16 Jah­ren war der Grund­feh­ler. Die­se Stre­cken­füh­rung ist aber ver­trag­lich ver­ein­bart und bin­dend. Um dies zu ändern, müss­ten sich ALLE fünf Pro­jekt­part­ner GEMEINSAM auf eine ande­re Vari­an­te ver­stän­di­gen. Dies ist höchst unwahr­schein­lich bis unmög­lich. Hin­zu kommt, dass die DUH ihre Kla­ge nicht gewon­nen hat und damit auch kein Urteil etwas Bewe­gung in den kom­ple­xen, aber lei­der fest­ge­fah­re­nen Sach­ver­halt hin­ein­ge­bracht hat.

Selbst­ver­ständ­lich wer­den wir die Abkopp­lung der Gäu­bahn vom Haupt­bahn­hof wei­ter kri­ti­sie­ren. Dazu gibt es einen Par­tei­tags­be­schluss von Dezem­ber 2024 („Die Grü­nen Baden-Würt­tem­berg leh­nen die für 2026 geplan­te und vie­le Jah­re andau­ern­de Abhän­gung der Gäu­bahn vom Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hof ab“). Par­al­lel wer­den wir auch auf Mini­mal­maß­nah­men drän­gen, um die Fol­gen der Abkopp­lung nicht noch grö­ßer wer­den zu las­sen. So erwar­ten wir, dass erst alle Sanie­rungs­maß­nah­men auf der Stamm­stre­cke abge­schlos­sen wer­den. Die Züge der Gäu­bahn in Stutt­gart-Vai­hin­gen enden zu las­sen wäre schlimm genug. Aber dann auch noch zusätz­lich ein oder mehr­mals wochen­lang die S‑Bahn-Stre­cke zu sper­ren wäre schlim­mer als schlimm. Doch selbst das kann man sich bei den Pro­jekt­part­nern lei­der vor­stel­len …