Mit der Bodenseeregion bin ich eng verbunden. Nachdem ich vor einigen Monaten den Bahnverkehr im östlichen Bodenseeraum zum Gegenstand einer Kleinen Anfrage gemacht hatte, war diesmal der westliche Bereich Gegenstand einer Initiative.
Die Kleine Anfrage umfasste 34 Fragen, die ich nach einer intensiven Befahrung und unter Mithilfe von Kennern aus der Region erstellt habe. Leider, das muss ich voraus schicken, hat die Bundesregierung wenig Interesse am Thema gezeigt und die Fragen ohne den Hauch einer Leidenschaft für den Bahnverkehr in der Bodenseeregion häufig gar nicht oder nur knapp und ausweichend beantwortet. Im Nachfolgenden gebe ich daher nicht nur einige der Antworten der Bundesregierung wider, sondern auch eigene Erfahrungen und Rechercheergebnisse.
1. Elektrifizierung der Südbahn
Die fehlende Elektrifizierung zwischen Ulm und Friedrichshafen führt dazu, dass in Ulm die Lok gewechselt oder zwischen den Zügen umgestiegen werden muss. Dadurch gehen rund zehn Minuten verloren. Auch Umweltaspekte sprechen für die Ablösung des Dieselbetriebes. Die Bundesregierung musste einräumen, dass es noch immer keinen Termin für den Abschluss der Finanzierungsvereinbarung gibt. Dies ist erbärmlich! Der Bund hat für den Haushaltsplanentwurf 2016 auch kein Geld dafür eingestellt. Anders das Land: Eine erste Rate des Landesanteils wurde im Doppelhaushalt 2015/2016 finanziert.
2. Bodenseegürtelbahn zwischen Friedrichshafen und Radolfzell
Das Erfreuliche vorweg: Die Anzahl der Fahrgäste ist den letzten Jahren deutlich gestiegen. Der Abschnitt zwischen Friedrichshafen und Überlingen hat seit dem Jahr 2007 36 Prozent Zugewinn auf knapp 5.000 Fahrgäste zu verzeichnen. Auf dem Abschnitt Überlingen – Radolfzell waren es 3.600 Fahrgäste, was einem Plus von 24% entspricht. Die Zahlen beziehen sich auf den Regionalverkehr, also die IRE- und RB-Züge.
Dies ist umso erfreulicher, als dass es immer wieder Probleme mit der Pünktlichkeit der Züge gibt. Die Eingleisigkeit der Strecke führt zu einer erhöhten Verspätungsanfälligkeit. Das Land Baden-Württemberg hat auch aus diesem Grund einen partiellen Doppelspurausbau und die Elektrifizierung für den neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) angemeldet. Der BVWP wird gerade vom Bundesverkehrsministerium neu aufgestellt.
Interessant ist die Tatsache das auf der Strecke Radolfzell bis Lindau im Vergleich zur Strecke zwischen Schaffhausen und Rorschach (Schweiz) bei vergleichbarere Streckenlänge von jeweils rund 80 Kilometern, eingleisigen Streckenführungen und einer auf Schweizer Seite größeren Anzahl an Haltestellen die Fahrtzeit in Deutschland länger ist als die in der Schweiz. Auf die Frage, wie sich die Bundesregierung dies erklärt, antwortet diese lediglich, die Einflussfaktoren kenne sie im Einzelnen nicht.
Weitere Schwachpunkte entlang dieser Strecke sind viele Stationen mit zu geringer Bahnsteighöhe. Dadurch ist kein barrierefreier Zu- und Ausstieg möglich. Die Bundesregierung hat die Frage, wann mit Umbaumaßnahmen zu rechnen ist, nicht beantwortet bzw. fühlt sich dafür nicht zuständig. Dabei ist die Deutsche Bahn ein Unternehmen des Bundes! Wann also Stationen wie die in Markdorf oder Ludwigshafen von derzeit nur 38 cm auf 55 cm erhöht werden, steht in den Sternen.
3. Zwischen Radolfzell und Engen
Auch hier sind einige Bahnstationen alles andere als barrierefrei. So weisen die Bahnsteigkanten in Böhringen-Rickelshausen beispielsweise nur Höhen von 14 bzw. 38 cm und die in Engen von 38 cm auf. Bei allen Fragen zur Barrierefreiheit verweigert die Bundesregierung eine Antwort und bekundet damit ihr Desinteresse.
4. Entlang der Gäubahn
Zumindest im Fernverkehr ist bekannt, dass die Bahn Fahrgastrückgänge verzeichnen muss. Dies dürfte wesentlich mit den zu langen Reisezeiten zwischen Zürich, Singen und Stuttgart zu tun haben. Die Strecke ist kurvenreich und in Teilen eingleisig. Baden-Württemberg hat daher Doppelspurabschnitte für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Der Bund hat sich vertraglich verpflichtet, für kürzere Reisezeiten zu sorgen. Danach gefragt, wie sie mit dieser Verpflichtung umzugehen gedenkt, antwortet die Bundesregierung nicht konkret.
Zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember werden übrigens zusätzliche IC-Züge am Wochenende eingesetzt. Die Fahrplanlage für alle IC-Züge wird sich um 30 Minuten verschieben, so dass wichtige Zugverbindungen in Stuttgart ohne lange Wartezeiten erreicht werden können.
5. Mit Seehas und Schwarzwaldbahn zwischen Radolfzell und Konstanz
Sehr erfreulich hat sich die Fahrgastakzeptanz auf diesem Abschnitt entwickelt. Die letzte mir bekannte amtliche Fahrgastzahl lag bei 13.600. Das entspricht einem Plus von 30% gegenüber dem Jahr 2007. In dieser Zeit hat es keine nennenswerten Mehrangebote an Fahrten gegeben. Der Zuwachs ist also vermutlich auf die neuen, modernen Fahrzeuge sowie die überdurchschnittlich hohe Pünktlichkeit von 98% zurückzuführen. Auch steigende Studierendenzahlen und der Schweizer Einkaufsverkehr nach Konstanz dürften sich positiv auswirken.
Leider sind auch Stationen entlang dieser Strecke weit von einer Barrierefreiheit entfernt. In Reichenau und Hegne verfügen die Bahnsteige noch nicht einmal über die vorgeschriebene Mindesthöhe von 38 cm! Und auch sieht die Bundesregierung sich nicht in Mitverantwortung.
6. Die Hochrheinstrecke zwischen Basel und Singen
Diese Strecke ist noch nicht Elektrifiziert. Eine Einigung auf die Finanzierung ist aber erfreulicherweise in Sicht. Mit viel Optimismus ist diese bis zum Jahr 2020 möglich. Dann lassen sich Fahrtzeitgewinne und Umweltvorteile realisieren.
Befürchtungen von Fahrgastverbänden und Bürgern vor Ort, dass eine Elektrifizierung der Strecke Probleme in Richtung Bodenseegürtelbahn verlagert, kann ich nachvollziehen. Denn dann müssen in Radolfzell entweder Lokwechsel vorgenommen werden oder die Fahrgäste müssen den Zug wechseln. Daher muss auch die Bodenseegürtelbahn elektrifiziert werden. Das Land hat diesen Abschnitt ebenfalls für den BVWP angemeldet (siehe oben).
7. Fazit
Die Bodenseeregion ist von überragender wirtschaftlicher und touristischer Bedeutung. Hinzu kommen ökologisch wertvolle und einzigartige Lebensräume, die es zu erhalten gilt. Dies alles erfordert eine funktionstüchtige, leistungsfähige und – ganz wichtig – nachhaltig ausgerichtete Verkehrsinfrastruktur!
Die Fahrgastgewinne rund um den Bodensee sind überaus erfreulich. Dieser Trend muss fortgeführt und sogar noch verstärkt werden. Dafür bedarf es mehr Investitionen in eine Erhöhung der Kapazität und für mehr Pünktlichkeit auf der Schiene sowie die Barrierefreiheit der Stationen. Es ist sehr ärgerlich, dass sich die Bundesregierung auf der Mitverantwortung davonstiehlt.