Etwa ein Drittel der Menschen in Deutschland nutzen ihren Drahtesel an mehreren Tagen in der Woche. Und sie nutzen das Rad nicht nur häufiger als früher, sie legen auch längere Wege damit zurück. Rund 15 Prozent aller Wege werden heute mit dem Fahrrad zurückgelegt. Insbesondere in den Ballungszentren erfreut sich das Fahrrad zunehmender Beliebtheit, aber auch in ländlichen Regionen schwingen sich immer mehr Menschen aufs Rad. Allerdings gibt es noch gravierende Unterschiede zwischen den Städten. In Baden-Württemberg ist beispielsweise Pforzheim mit einem Radverkehrsanteil von lediglich einem absolutes Schlusslicht, während Stuttgart bei fünf Prozent liegt und Freiburg mit 28 Prozent auf dem Spitzenplatz landet. Insgesamt geht es also aufwärts mit dem Fahrradverkehr, auch dank der elektrisch unterstützten Fahrräder, den sogenannten Pedelecs.
Radverkehr ist gewichtiger Wirtschaftsfaktor
Urlaub mit dem Fahrrad ist „in“ und für viele Regionen längst ein wichtiger touristischer Standortfaktor. Jedes Jahr werden in Deutschland rund vier Millionen Fahrräder verkauft. Die Fahrradbranche steht für 278.000 Vollzeit-Arbeitsplätze in Deutschland und erwirtschaftet aktuell einen Gesamtumsatz von 16 Milliarden Euro. Nicht zuletzt weil der Trend zu höherwertigen Rädern geht, wovon mittelständische Läden und Werkstätten profitieren. Während der Markt für „normale“ Fahrräder häufig als weitgehend gesättigt angesehen wird, steigen die Verkaufszahlen für elektrisch unterstützte Fahrräder. 410.000 Stück wurden davon im Jahr 2013 in Deutschland verkauft. Das Potential wird auf 600.000 Stück pro Jahr geschätzt.
Den Nationalen Radverkehrsplan 2020 – Jetzt umsetzen!
Was vielerorts fehlt, ist eine „fahrradfreundliche Politik“. Beispiel Bund: Der Nationale Radverkehrsplan (NRVP 2020) beschreibt zwar die Potentiale des Radverkehrs in Deutschland fachlich sehr fundiert und bietet zahlreiche gute Ansätze für Länder und Kommunen. Ein ambitionierter Aktionsplan zur Steigerung des Radverkehrs ist er jedoch nicht. Der NRVP 2020 wird dem eigenen Anspruch „Radverkehr gemeinsam weiter entwickeln“ an vielen Stellen nicht gerecht. Gerade der Bund schöpft seinen eigenen Gestaltungsspielraum bei Weitem nicht aus. Es fehlen klare Ziele und Fristen, bis wann die Bundesregierung welche Maßnahmen zur Radverkehrsförderung umsetzen will, insbesondere dazu wie der Radverkehrsanteil bis zum Jahr 2020 deutlich gesteigert werden soll. Wer den Radverkehr steigern möchte, muss auch in die Radverkehrsinfrastruktur investieren. In der letzten Wahlperiode wurden die Mittel von 100 Millionen auf 60 Millionen halbiert. Die GroKo hält an dieser Mittelkürzung trotz sprudelnder Steuereinnahmen fest. Und von den fünf Milliarden Euro, die im Laufe dieser Legislaturperiode zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur fließen sollen, sind genau null Cent für den Radverkehr vorgesehen. Auch für sichere Abstellanlagen, beispielsweise an Bahnhöfen, gibt es nicht mehr Geld. Beides – gute Radwegverbindungen und sichere Abstellanlagen – sind aber zentral für die Gewinnung von Verkehrsanteilen durch den Radverkehr.
Die grünen Forderungen
1. Es braucht klareambitionierte Zielsetzungen zur Steigerung des Radverkehrsanteils in Deutschland und daraus abgeleitet konkrete Handlungs- und Finanzierungsschritte.
2. Die Mittel für Bau, Sanierung und Erhalt von Radwegen entlang von Bundesfernstraßen müssen mindestens auf das frühere Niveau von jährlich 100 Millionen Euro aufgestockt werden. Ebenso sollten die Haushaltsmittel für Modellprojekte und andere nichtinvestive Maßnahmen erhöht werden.
3. Der Ausbau von sicheren, überdachten Abstellanlagen muss voran gebracht werden. Sinnvoll wäre hier insbesondere ein Bundesprogramm für Abstellanlagen an Bahnhöfen.
4. Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit sollte der Bund es denKommunen erleichtern, innerhalb von Ortschaften Tempo 30 einzuführen. Außerdem muss die Straßenverkehrsordnung angesichts der zunehmenden Zahl von Radfahrenden noch fahrradfreundlicher gestaltet und besser an die Erfordernisse von Pedelecs und Lastenfahrrädern angepasst werden. Der Bund sollte beim Bau von Radwegen an Bundesstraßen mit gutem Beispiel vorangehen und die Umsetzung der ERA 2010 zur verbindlichen Voraussetzung machen.
5. Die Fahrradmitnahme muss ohne Einschränkungen in allen Zügen möglich sein, auch im ICE und im internationalen Fernverkehr. Der Bund sollte seine Rolle als Eigentümer nutzen, um dieses Anliegen bei der DB AG endlich durchzusetzen.