Schienenprojekte schneller umsetzen

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05.02.2020

Neuer Wein in alten Schläuchen

Von Ste­phan Kühn und Mat­thi­as Gastel

Planst Du noch oder baust Du schon? In Deutsch­land wird meist noch geplant, wäh­rend ander­orts bereits die Bag­ger rol­len. Zwi­schen Pla­nungs­be­ginn und Bau­frei­ga­be von Ver­kehrs­pro­jek­ten lie­gen oft 10 bis 15 Jah­re, mit­un­ter sogar Jahr­zehn­te. Das darf nicht so blei­ben. Eng­päs­se im Schie­nen­netz und ein über­las­te­ter städ­ti­scher Nah­ver­kehr ver­lan­gen nach zügi­gen Inves­ti­tio­nen. Der Kli­ma­schutz dul­det kei­nen wei­te­ren Auf­schub.

Die Bun­des­re­gie­rung will des­halb eine alte Idee auf­wär­men, um Pro­jek­te schnel­ler bau­reif zu bekom­men. Im 30. Jahr der Deut­schen Ein­heit soll Bau­recht wie einst bei eini­gen Ver­kehrs­pro­jek­ten „Deut­sche Ein­heit“ per Gesetz erwirkt wer­den. Statt einem Ver­wal­tungs­akt soll der Deut­sche Bun­des­tag ent­schei­den. Was ver­nünf­tig klingt – mehr Ver­ant­wor­tung für das Par­la­ment – ent­puppt sich bei genau­er Betrach­tung ledig­lich als Instru­ment, um Kla­gen von Bür­gern und Umwelt­ver­bän­den zu ver­hin­dern. Denn gegen ein per Gesetz geneh­mig­tes Ver­kehrs­pro­jekt kann nur eine Ver­fas­sungs­be­schwer­de ein­ge­legt wer­den. Bei den Ver­kehrs­pro­jek­ten „Deut­sche Ein­heit“ hat das zu kei­ner­lei Beschleu­ni­gung geführt, wes­halb man von die­sem Ver­fah­ren wie­der abge­rückt ist. Statt­des­sen wer­den die ver­meint­lich Schul­di­gen für sto­cken­de Pro­jek­te benannt: die Umwelt­ver­bän­de. Mit ihren Kla­gen sei­en sie dafür ver­ant­wort­lich, dass die Bag­ger in Deutsch­land still­ste­hen. Dabei gibt es bei hun­der­ten Pro­jek­ten jähr­lich nur eine Hand­voll Ver­bands­kla­gen. Die Ursa­chen für lang­wie­ri­ge Pla­nungs­pro­zes­se lie­gen woan­ders.

Haupt­grund sind feh­len­de Pla­nungs­ka­pa­zi­tä­ten und Geneh­mi­gungs­be­hör­den, die unter dem Cre­do des „schlan­ken Staa­tes“ kaputt­ge­spart wur­den. Ergeb­nis die­ser Spar­po­li­tik: Ver­fah­ren sto­cken, weil Fach­leu­te feh­len. Das rächt sich jetzt, weil der Arbeits­markt leer­ge­fegt ist. Zudem sind die Pla­nungs­ver­fah­ren auf­wen­dig und Unter­su­chun­gen wer­den dop­pelt gemacht. Bei Neu­bau­vor­ha­ben wer­den zahl­rei­che im übli­chen Raum­ord­nungs­ver­fah­ren geprüf­te Aspek­te im sich anschlie­ßen­den Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren erneut geprüft, was Zeit kos­tet. Es fehlt zudem eine bun­des­wei­te Stan­dar­di­sie­rung von Umwelt­un­ter­su­chun­gen. Vie­le Ver­fah­ren könn­ten schlan­ker wer­den. Für Ersatz­neu­bau­ten wie Brü­cken soll­te kein umfang­rei­ches Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren mehr nötig sein. Glei­ches soll­te gel­ten, wenn Bahn­stre­cken elek­tri­fi­ziert oder mit digi­ta­ler Tech­nik aus­ge­stat­tet wer­den.

Wir sind über­zeugt: Wenn die Belan­ge des Natur­schut­zes von Anfang an berück­sich­tigt wer­den, kommt man mit bes­se­ren Pla­nun­gen schnel­ler zum Ziel. Man schafft kei­ne Akzep­tanz für Infra­struk­tur­pro­jek­te, indem man die Rech­te von Bür­gern und Ver­bän­den beschnei­det. Wir brau­chen mehr Koope­ra­ti­on statt Kon­fron­ta­ti­on in der Zusam­men­ar­beit der Behör­den mit Umwelt­ver­bän­den. Deren Exper­ti­se wird, wenn über­haupt, nur am Ran­de in die Pla­nun­gen ein­be­zo­gen. Man sieht sie meist als Geg­ner und nicht als Gesprächs­part­ner auf Augen­hö­he.

Bür­ger wer­den nicht oder zu spät in den Ver­fah­ren betei­ligt – zu oft erst dann, wenn die Grund­satz­ent­schei­dun­gen zu einem Pro­jekt längst gefal­len sind und nur noch Details wie die Höhe von Lärm­schutz­wän­den beein­flusst wer­den kön­nen. Dadurch wird die Akzep­tanz der Pla­nun­gen sys­te­ma­tisch geschwächt, Wider­stän­de und Kla­gen gegen Pro­jek­te gera­de­zu pro­vo­ziert. Not­wen­dig ist eine ver­bind­li­che, umfas­sen­de und früh­zei­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung, bei der auch Alter­na­ti­ven zu den vor­ge­schla­ge­nen Pro­jek­ten zur Spra­che kom­men müs­sen. Bei der Betei­li­gung muss der Grund­satz der Chan­cen­gleich­heit gel­ten: dia­lo­gisch und auf Augen­hö­he. Die Deut­sche Bahn ist mit ihren Dia­log­fo­ren zu Groß­pro­jek­ten bereits auf dem rich­ti­gen Weg, um die Bür­ger von den Vor­tei­len neu­er Bahn­in­fra­struk­tur zu über­zeu­gen.

Deutsch­land braucht eine leis­tungs­fä­hi­ge Infra­struk­tur, die vor Ort Akzep­tanz fin­det. Anstatt den Bür­gern ihre Rech­te zu ent­zie­hen, braucht es eine neue Betei­li­gungs­kul­tur. Nur so besteht die Chan­ce, eine moder­ne Infra­struk­tur zu bau­en, die den viel­fäl­ti­gen Ansprü­chen unse­rer Gesell­schaft im 21. Jahr­hun­dert genügt.

Ste­phan Kühn ist Spre­cher für Ver­kehrs­po­li­tik und Mat­thi­as Gastel Spre­cher für Bahn­po­li­tik der Grü­nen-Bun­des­tags­frak­ti­on.