23.04.2019, ergänzt am 23.05.2019
Besuch im NABU-Naturschutzzentrum
Im Oktober wurde das neue Naturschutzzentrum des Naturschutzbundes (Nabu) in Reichenau am Bodensee eröffnet. Nachdem ich dessen Bau aus dem Zug heraus immer wieder verfolgen konnte, stattete ich dem Leiter Eberhard Klein heute einen Besuch ab und ließ mich durch die Ausstellung und die Verwaltungsräume führen.
Das neue Naturschutzzentrum, das aus Holz errichtet wurde, besteht aus zwei Gebäuden. Im einen sind die Ausstellung und die Verwaltung, im anderen die Werkstatt für die Landschaftspflege und die Unterkünfte für die freiwilligen Helfer*innen untergebracht. Gelegen sind die Gebäude am Rande des Wollmatinger Rieds, dem mit 767 Hektar größten und mit seiner artenreichen Tier- und Pflanzenwelt bedeutsamsten Naturschutzgebiet am deutschen Bodenseeufer. Genau diese Bedeutung lasse ich mir vom Leiter des Zentrums, der studierter Biologe ist, näher erläutern. Ich erfahre, wie sehr der Klimawandel den Bodensee verändert: Während der See normalerweise im Juni und Juli am meisten Wasser hat, da er vom Schmelzwasser aus den Alpen gespeist wird, geht der Niederschlag in den Alpen häufiger als früher als Regen nieder und fließt dem See bereits im Winter zu. Die Schwankungen des Wasserstandes, auf die sich das Leben in und um den Bodensee eingerichtet hat, sind nicht mehr so stark ausgeprägt wie in früheren Zeiten. Eine Auswirkung: Die Goldrute, eine Neophyte und damit eingewanderte Pflanze, breitete sich bisher nicht aus, da die Naturschutzflächen immer wieder überflutet werden. Nun aber wächst sie doch und muss bekämpft werden. Weitere Beispiele: Der Schwarzhalstaucher benötigt zum Brüten überschwemmte Schilfzonen, die er immer schwerer findet. Umgekehrt geht es dem Stichling, einer einheimischen Fischart, die zum Ärger der Fischer stark zunimmt, während die Felchen, eine beliebte Speisefischart, langsamer wächst. Hintergrund ist der sinkende Nährstoffgehalt im Wasser durch die Rückgänge der Phosphate, aber auch der geringere Sauerstoffgehalt im Wasser. Das bekomme ich so erklärt: Die heißeren Sommer und die milderen Winter sorgen dafür, dass es im Winter weniger kaltes Wasser gibt, das absinkt. Das wärmere Wasser, das weniger Sauerstoff enthält, steigt damit nicht mehr auf und wird nicht mit Sauerstoff angereichert. Es fehlt also eine „Vollumwälzung“ des Wassers, mit der ausreichend Sauerstoff in die Tiefenschichten des Sees gelangt.
Nach diesen Erläuterungen schaue ich mir die kleine Ausstellung an, die den Bodensee von oben (im Sommer 2018 mit sehr geringem Wasserstand) und zahlreiche Bilder von der Flora und Fauna des Sees zeigt.
Nachtrag v. 23.05.2019
2018 lag die durchschnittliche Wassertemperatur bei 10,4 Grad – ein Rekord seit Beginn der Wetteraufzeichnungen seit dem Jahr 1881. Von 1990 bis 2017 sei die Durchschnittswassertemperatur um 1,2 Grad höher gewesen als in den drei Jahrzehnten zuvor. Die Zirkulation von oberen zu tieferen Wasserschichten sei deutlich abgeschwächt worden . In der Tiefe könnte Sauerstoff knapper werden. (Quelle: Stuttgarter Zeitung v. 21.05.2019)