Senkung der Mehrwertsteuer: Teuer und ineffizient

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19.06.2020

Meine Thesen:

  1. Die geplan­te befris­te­te Absen­kung der Mehr­wert­steu­er ist einer der teu­ers­ten Bestand­tei­le des Kon­junk­tur­pa­kets und muss allei­ne schon aus die­sem Grund beson­ders kri­tisch auf sei­ne Wirk­sam­keit hin­ter­fragt wer­den.
  2. Es bleibt unklar, was die Mehr­wert­steu­er­sen­kung bewir­ken soll: Soll sie den Unter­neh­men eine Erhö­hung ihrer Gewinn­span­nen ermög­li­chen oder aber wird dar­an die Erwar­tung geknüpft, dass der Vor­teil an die End­kun­den wei­ter gege­ben wird und die­se ver­mehrt kon­su­mie­ren? Das ers­te Ziel (Gewinn­op­ti­on) wäre für die von der Kri­se beson­ders gebeu­tel­ten Bran­chen wie die Gas­tro­no­mie (die­se pro­fi­tiert bereits von einer sinn­vol­len Mehr­wert­steu­er­sen­kung) oder den sta­tio­nä­ren Ein­zel­han­del sehr zu begrü­ßen. Die vor­ge­se­he­ne Mehr­wert­steu­er­sen­kung kommt aber auch Bran­chen wie dem Online­han­del und Dro­ge­rie­märk­ten zugu­te, die kei­ne Ein­bu­ßen hatten.Das zwei­te Ziel, mit­tels nied­ri­ge­rer Ver­kaufs­prei­se Kon­sum­an­rei­ze zu set­zen (End­kun­den-Opti­on), wird – eine tat­säch­li­che Sen­kung der Prei­se vor­aus­ge­setzt – durch den gerin­gen Preis­ef­fekt ver­puf­fen. Ein Pull­over, der bis­her 80 Euro kos­tet, wür­de auf 78 Euro redu­ziert wer­den. Eine Kauf­lau­ne wird dadurch nicht aus­ge­löst, zumal es neben dem ver­füg­ba­ren Haus­halts­bud­get ande­re Grün­de wie die Angst vor Infek­tio­nen gibt, die von Ein­kaufs­tou­ren außer­halb des Inter­nets abhalten.Die Mehr­wert­steu­er­sen­kung ist zunächst popu­lär, wird letzt­lich aber Frust aus­lö­sen: Bei den Unter­neh­men wegen des hohen Umset­zungs­auf­wan­des und bei den End­ver­brau­chern, weil Prei­se nur sel­ten und selbst dann nur gering­fü­gig sin­ken wer­den.
  3. Die Mehr­wert­steu­er­sen­kun­gen gel­ten völ­lig undif­fe­ren­ziert für alle Pro­duk­te, also sowohl für gesun­de Lebens­mit­tel, Fahr­rä­der und Klei­dung als auch für Die­sel­kraft­stoff, Süß­wa­ren und Tabak. Damit wird eine Chan­ce ver­tan, zuguns­ten von Gesund­heit, Umwelt- und Kli­ma­schutz geziel­te steu­er­li­che Anrei­ze zu set­zen. Nach mei­ner Mei­nung müss­te das Kon­junk­tur­pa­ket dazu bei­tra­gen, dass man­che Din­ge nach der Kri­se bes­ser wer­den als sie es zuvor waren.
  4. Ein gro­ßer Teil der Mehr­wert­steu­er betrifft Geschäf­te zwi­schen Unter­neh­men, für die die­se Steu­er durch­lau­fen­de Pos­ten dar­stel­len. Den­noch müs­sen sie ihre Sys­te­me anpas­sen.
  5. Die Anpas­sung der Sys­te­me wird teu­er. Die Umstel­lung eines Kas­sen­sys­tems kann schon ein klei­nes Geschäft im Bereich des Ein­zel­han­dels 300 Euro zum 01. Juli und den­sel­ben Betrag wie­der zum 01. Janu­ar 2021 kos­ten. Hin­zu kom­men Bera­tungs­auf­wen­dun­gen für Steu­er­be­ra­ter, erhöh­te Auf­wen­dun­gen für die Rech­nungs­prü­fung und vie­les mehr.Rechnungen für Leis­tun­gen, die bereits vor dem 01. Juli begon­nen oder aber über den 31.12.2020 hin­aus erbracht wer­den, müs­sen auf die jewei­li­gen Leis­tungs­zeit­räu­me auf­ge­split­tet wer­den.
  6. Die Deut­sche Bahn hat bereits ange­kün­digt, die gerin­ge­re Mehr­wert­steu­er an die Fahr­gäs­te wei­ter geben zu wol­len. Dies bedeu­tet dann aber auch, dass die Prei­se im Janu­ar stei­gen. Bei den Fahr­gäs­ten in Erin­ne­rung blei­ben dürf­te am Ende ledig­lich das Gefühl, Bahn­fah­ren wür­de teu­rer wer­den. Wäh­rend die zu Jah­res­be­ginn 2020 in Kraft getre­te­ne dau­er­haf­te Redu­zie­rung der Mehr­wert­steu­er im Fern­ver­kehr auf den ermä­ßig­ten Mehr­wert­steu­er­satz sehr sinn­voll war, muss nun die Fra­ge gestellt wer­den: Ist das, was im Rah­men des Hilfs­pa­ke­tes vor­ge­se­hen ist, mehr als purer Aktio­nis­mus?

Fazit: Eine all­ge­mei­ne Sen­kung der Mehr­wert­steu­er ist alles ande­re als ziel­ge­rich­tet. Zu hohen Kos­ten durch Steu­er­aus­fäl­le kom­men hohe Kos­ten bei der Umset­zung hin­zu. Die Wir­kung auf die Kon­junk­tur ist höchst frag­wür­dig.