Stärkung tangentialer Verbindungen statt Ergänzungsstation

Gra­fik: Büro Gastel

27.03.2023

Studie zu Bahnknoten Stuttgart: Regionalbahnhöfe stärken

Der zukünf­ti­ge Stutt­gar­ter Haupt­bahn­hof wird kei­ne Ergän­zungs­sta­ti­on bekom­men. Statt­des­sen sol­len die Regio­nal­hal­te Bad Cannstatt, Feu­er­bach und Stutt­gart-Vai­hin­gen auf­ge­wer­tet wer­den. So lau­tet die Emp­feh­lung eines Gut­ach­tens, das im Auf­trag des Lan­des erstellt wur­de.

Um die Leis­tungs­fä­hig­keit des zukünf­ti­gen Bahn­kno­tens tob­te schon lan­ge ein Streit. Dabei sind die poli­ti­schen Zie­le von Bund und Land klar: Deut­lich mehr Fahr­gäs­te, die vom Auto umstei­gen sol­len. Die Bahn muss maß­geb­lich dazu bei­tra­gen, die Kli­ma­zie­le im Ver­kehrs­sek­tor zu errei­chen. Doch kann der neue Bahn­kno­ten, der lan­ge vor der Defi­ni­ti­on die­ser Zie­le und der Idee des Deutsch­land­tak­tes kon­zi­piert wor­den war, dies leis­ten? Eini­ge Ver­än­de­run­gen an den Zulauf­stre­cken wur­den über die Jah­re vor­ge­nom­men. Doch um den Haupt­bahn­hof sel­ber tob­te der Streit bis zuletzt. Nun sieht es nach einer Lösung aus, mit der wohl alle leben kön­nen.

Für die Ergän­zungs­sta­ti­on gelang kein aus­rei­chend star­ker Bedarfs­nach­weis. Ein sol­cher wäre erfor­der­lich gewe­sen, um das Pro­jekt mit Unter­stüt­zung von Bun­des­mit­teln stem­men zu kön­nen. Zudem lie­ßen die Pro­jekt­part­ner Stadt und Regi­on nicht erken­nen, dass sie sich auf zusätz­li­che Bahn­steig­glei­se ein­las­sen wür­den. Da eine Ver­trags­än­de­rung erfor­der­lich gewor­den wäre, hät­te es jedoch der Zustim­mung aller Pro­jekt­part­ner bedurft. Die Gut­ach­ter[1] kamen zu Ergeb­nis­sen, die einen ande­ren Weg auf­zei­gen: Dank inzwi­schen geplan­ter Digi­ta­li­sie­rung (Euro­päi­sches Zug­si­che­rungs­sys­tem ETCS/“ETCS only“ ohne orts­fes­te Signa­le), bereits ver­ein­bar­ter zusätz­li­cher Aus­bau­maß­nah­men plus einem wei­te­ren Ele­ment (sie­he Gra­fik und Beschrei­bung wei­ter unten) und der Stär­kung der Regio­nal­hal­te durch die Her­stel­lung tan­gen­ti­al ver­lau­fe­ner Ver­bin­dun­gen am Haupt­bahn­hof vor­bei wird die Ergän­zungs­sta­ti­on für ver­zicht­bar gehal­ten. Zudem wer­den län­ge­re Züge und mehr Dop­pel­stock­zü­ge ange­nom­men, um ver­füg­ba­re infra­struk­tu­rel­le Kapa­zi­tä­ten bes­ser aus­zu­schöp­fen und mehr Fahr­gäs­te beför­dern zu kön­nen. Ein wich­ti­ger Hin­weis der Gut­ach­ter: Vor­aus­set­zung, dass die hohe Anzahl von bis zu 107 Zügen in der Spit­zen­stun­de im neu­en Tief­bahn­hof bewäl­tigt wer­den kön­nen, ist eine höhe­re Pünkt­lich­keit als die, die wir gera­de lei­der erle­ben.

Eini­ge posi­ti­ve Ände­run­gen bereits beschlos­sen

In den letz­ten Jah­ren wur­den, teil­wei­se nach lan­gen Que­re­len um die Not­wen­dig­keit und/oder die Finan­zie­rung, eini­ge Ver­bes­se­run­gen beschlos­sen: Die gro­ße statt nur die klei­ne Wend­lin­ger Kur­ve (zwei­tes Gleis), Regio­nal­halt in S‑Vaihingen (fer­tig­ge­stellt), Digi­ta­ler Kno­ten Stutt­gart, Erhalt der Pan­ora­m­abahn (lei­der bis­her ohne Anbin­dung an den Haupt­bahn­hof) sowie ein Fern­bahn­tun­nel zwi­schen Ende der Aus­bau­stre­cke von Mann­heim kom­mend bis Feu­er­bach. Hin­zu kommt die „P‑Option“ mit zwei Glei­sen zwi­schen Feu­er­bach über den Cannstat­ter Tun­nel in den Haupt­bahn­hof. Der Pfaf­fen­steig­tun­nel zwi­schen Böb­lin­gen und dem Flug­ha­fen, durch den die Gäu­bahn­zü­ge fah­ren sol­len, wur­de vom Bund beauf­tragt. Er ist zwar strit­tig, schafft aber eben­falls zusätz­li­che Kapa­zi­tä­ten in einem der Zuläu­fe.

Ver­kehr­li­che Zie­le in der Unter­su­chung

Das größ­te Wachs­tum wur­de dem regio­na­len Schie­nen­ver­kehr unter­stellt. Die Regio­nal­zü­ge sol­len bei den Per­so­nen­ki­lo­me­tern bis zum Jahr 2040 um 221 Pro­zent zule­gen, die S‑Bahn „nur“ um 62 Pro­zent. Hin­zu kom­men Mehr­leis­tun­gen bei Stadt­bahn und Bus. Damit soll eine Redu­zie­rung des Auto­ver­kehrs in der Regi­on Stutt­gart um ein Vier­tel mög­lich wer­den. Die Zunah­me im Regio­nal­ver­kehr wird mit erheb­li­chen Ange­bots­aus­wei­tun­gen, auch attrak­ti­ven neu­en Durch­bin­dun­gen, erklärt.

Wel­che Infra­struk­tur zusätz­lich benö­tigt wird

Nörd­lich des Haupt­bahn­hofs soll ein „Nah­ver­kehrs-Drei­eck“ ent­ste­hen. Damit sol­len fol­gen­de Ver­bin­dungs­stre­cken mög­lich wer­den: S‑Vaihingen nach Feu­er­bach, S‑Vaihingen nach Bad Cannstatt sowie Bad Cannstatt nach Feu­er­bach. Neu dar­an: Zwi­schen Feu­er­bach und Bad Cannstatt sol­len statt der S‑Bahn-Glei­se nun die Fern- und Regio­nal­bahn­glei­se ver­bun­den wer­den (T‑Spange). In Feu­er­bach soll ein Regio­nal­halt gebaut wer­den. Die betrieb­li­che Idee dahin­ter: Eine Tan­gen­ti­al­ver­bin­dung mit Regio­nal­zü­gen am Haupt­bahn­hof vor­bei. Nicht mehr alle Regio­nal­zü­ge sol­len in den Haupt­bahn­hof hin­ein fah­ren müs­sen. Dies könn­ten bei­spiels­wei­se Ver­bin­dun­gen von Aalen nach Lud­wigs­burg sein. Zudem ent­steht eine Umlei­tungs­stre­cke für den Fern­ver­kehr für den Fall, dass der Tief­bahn­hof nicht ange­fah­ren wer­den kann. Dann kön­nen die Züge in Cannstatt hal­ten. Die Wirt­schaft­lich­keit wur­de noch nicht unter­sucht. Die Gut­ach­ter sehen für ein posi­ti­ves Ergeb­nis jedoch gute Chan­cen – und damit für eine För­der­fä­hig­keit durch Mit­tel des Bun­des.

Von den Stutt­gart 21-Pro­jekt­part­nern gab es bereits posi­ti­ve Signa­le. For­ma­le Beschlüs­se ste­hen noch aus.

[1] VWI (Ver­kehrs­wis­sen­schaft­li­ches Insti­tut) in Stutt­gart sowie SMA