Verfasst am 15.12.2014 für den Newsletter der GAR (Kommunalpolitische Vereinigung der Grünen in B‑W)
Geschwindigkeitsbegrenzungen in Ortschaften
Unsere grüne Position: Aus Gründen des Lärmschutzes, zur Verringerung von Abgasemissionen und zur Steigerung der Lebensqualität in den Dörfern und Städten setzen wir Grünen uns seit jeher für striktere Geschwindigkeitsbeschränkungen ein. Im letzten Bundestagswahlprogramm findet sich dazu folgende Aussage: „Wir werden die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Kommunen aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Lärmschutzes ermöglicht wird, innerorts überall dort Tempo 30 anzuweisen, wo sie es wollen.“ Und auf der letzten Landesdelegiertenkonferenz (Landesparteitag) wird in einem verkehrspolitischen Positionspapier festgestellt: „Die Landesregierung hat es den Kommunen erleichtert, für Ortsdurchfahrten aus Immissionsschutz- und Sicherheitsgründen Tempo 30 anzuordnen.“ Doch unter welchen Bedingungen ist die Anordnung von Tempo 30 durch die Kommunen zulässig? Generell kann gesagt werden: Auf Gemeindestraßen, insbesondere in Wohngebieten, ist die Umsetzung von Geschwindigkeitsbegrenzungen, zum Beispiel in Form von Tempo 30-Zonen, gesetzlich relativ einfach. Handelt es sich um eine Straße des überörtlichen Verkehrs, also eine Bundes‑, Landes- oder Kreisstraße wird es komplizierter. Die fachliche Sachlage bezüglich der Verkehrssicherheit und hinsichtlich der an Hauptverkehrsstraßen besonders betroffenen Anwohner ist eindeutig. Das Umweltbundesamt (UBA) konstatiert in der Studie „Verbesserung der Umweltqualität in Kommunen durch geschwindigkeitsbeeinflussende Maßnahmen auf Hauptverkehrsstraßen“: „Die Umweltwirkungen von überhöhten Geschwindigkeiten an innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen lassen sich nicht nur im Bereich der Emissionen festmachen. Sie betreffen vor allem auch die Wohn- und Umfeldqualität, Barriere- und Trennwirkungen sowie die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer“. Entsprechend eindeutig ist die Empfehlung des UBA: „Entscheidend für verkehrsrechtliche Anordnungen zur Minderung des Geschwindigkeitsniveaus (Geschwindigkeitsbegrenzungen, Querungshilfen, Querschnittsveränderungen) sollte nicht ausschließlich die verkehrliche Bedeutung der Straße (Baulast) sein, sondern die Wirkung der Straße auf ihr Umfeld, die urbanen Nutzungen sowie die Gesundheit der Anwohner.“ Vorgaben sind das eine, Kontrolle ebenso wichtig. Umweltaspekte wie Lärm sind allerdings in der Praxis selten Anlass oder Ziel einer Geschwindigkeitsüberwachung.
Wie ist die rechtliche Lage?
Grundsätzlich gilt nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) innerhalb von geschlossenen Ortschaften eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. In Wohngebieten können Tempo 30-Zonen ausgewiesen werden (§ 45 Abs. 1c StVO). Dies kann ebenso in Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf angeordnet werden. Allerdings: Diese Zonen sind auf Bundes‑, Landes- und Kreisstraßen und weiteren Vorfahrtsstraßen generell nicht möglich. Gemäß der Straßenverkehrsordnung (§ 45 Abs. 1 und § 45 Abs.9 StVO) gilt generell: Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs auf einem bestimmten Streckenabschnitt dürfen nur bei einer Gefahrenlage angeordnet werden. Diese Gefahren betreffen insbesondere die Sicherheit des Verkehrs oder den Schutz vor Lärm und Abgasen. Das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung muss jedoch erheblich überstiegen sein. Auch aus städtebaulichen Gründen sind laut § 45 Abs. 1 b Nr.5 StVO Anordnungen möglich. Dafür ist ein städtebauliches Konzept notwendig, das ein hierarchisch gegliedertes Straßennetz voraussetzt. Zur rechtlichen Einordnung der Lärmsituation: Hier gelten die Lärmschutz-Richtlinien-StV des Bundes. Für Einschränkungen des fließenden Verkehrs müssen die Lärmbeeinträchtigungen jenseits des ortsüblichen liegen. Die Interessen der Anwohner sind gegenüber den Interessen des fließenden Verkehrs abzuwägen. Die Interessen des Verkehrs haben auf überörtlichen Straßen besonderes Gewicht. Eine Überschreitung der Lärmrichtwerte der o.g. Richtlinien um mehr als 5 dB(A) wurde im Jahr 2010 in Baden-Württemberg von der damaligen Landesregierung als eine Pflicht zum Einschreiten gesehen (Landtagsdrucksache 14/7154). Während der Nachtstunden werden die Interessen der Anwohner in einer Abwägung höher gewichtet als tagsüber. Zeitlich befristete Beschränkungen sind grundsätzlich möglich. Das sagt die Landesregierung: „Für die Prüfung, ob ein Tempolimit aus Lärmschutzgründen angeordnet werden kann, sind die Lärmschutz-Richtlinien-Straßenverkehr 2007 eine wichtige Orientierungshilfe. Maßnahmen kommen demnach insbesondere in Betracht, wenn die Lärmwerte 70 dB(A) tags bzw. 60 dB(A) nachts überschreiten. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) hat im März 2012 mit dem Kooperationserlass neue Hinweise zur Umsetzung von Lärmaktionsplänen herausgegeben und dabei auch aufgezeigt, welche rechtlichen Möglichkeiten für lärmmindernde Maßnahmen im Verkehr bei der derzeitigen Rechtslage bestehen, wie beispielsweise Tempo 30 km/h in den Nachtstunden oder ganztags in Ortsdurchfahrten. Das Ministerium will die Kommunen damit in die Lage versetzen, ihre rechtlichen Möglichkeiten so weit wie möglich im Interesse der BürgerInnen auszuschöpfen. Die Landesregierung setzt beim Lärmschutz auf die Zusammenarbeit von Kommunen. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg entstand in dem Projekt “Strategie für einen lärmarmen Verdichtungsraum“ ein „Leitfaden zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen in interkommunaler Zusammenarbeit“. Dieser gibt – orientiert am Bebauungsplanverfahren – der Gemeinde praktische Hinweise für den Ablauf des Verfahrens zur Aufstellung eines Lärmaktionsplanes.“ (Quelle: Homepage MVI). Kooperationserlass Lärmaktionsplanung der Landesregierung Baden-Württemberg: https://mvi.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m‑mvi/intern/dateien/PDF/Kooperationserlass_L%C3%A4rmaktionsplanung_MVI.pdf Leitfaden zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen in interkommunaler Zusammenarbeit: https://mvi.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m‑mvi/intern/dateien/PDF/L%C3%A4rmarmer-Verdichtungsraum_Leitfaden.pdf Das Land Baden-Württemberg hat im Sommer 2014 für sämtliche Bundes- und Landesstraßen mit Tempobeschränkungen Karten erstellt: Landesstraßen: https://mvi.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m‑mvi/intern/dateien/Illustrationen__Grafiken_Karten_/BW_Landesstra%C3%9Fen_Tempo_30_in_Ortsdurchfahrten_250_Stand_06_2014-klein.pdf Bundesstraßen: https://mvi.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m‑mvi/intern/dateien/Illustrationen__Grafiken_Karten_/BW_Bundesstra%C3%9Fen_Tempo_30_in_Ortsdurchfahrten_500_Stand_06_2014.pdf Studie des Umweltbundesamtes (UBA) „Verbesserung der Umweltqualität in Kommunen durch geschwindigkeitsbeeinflussende Maßnahmen auf Hauptverkehrsstraßen“: http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3152.pdf Antwort des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr (11/2010) auf eine Kleine Anfrage zu „Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Tempo 30 aus Lärmschutzgründen auf innerstädtischen Bundes- und Durchgangsstraßen“: http://www9.landtag-bw.de/wp14/drucksachen/7000/14_7154_d.pdf