Mein letzter Thementag stand diesmal unter dem Motto “Mobilität: Gute Ideen statt dicke Luft”. Welche Mobilitäts-Alternativen bietet die Region, um endlich die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid einzuhalten, die Gesundheit und auch die Lebensqualität der Menschen zu schützen?
Meine erste Station führte mich nach Deizisau, genauer zu Walcher, dem größten Fahrradhändler in Baden-Württemberg. Die Anfänge des Unternehmens liegen im Jahr 1981. Damals wurden in Esslingen noch überwiegend Motorräder verkauft. Später kamen Filialen hinzu, der Schwerpunkt verlagerte sich hin zum Fahrradhandel. Seit 1994 liegt der einzige Standort etwas flussaufwärts in Deizisau. Auf einer Verkaufsfläche von knapp 5.000 Quadratmetern werden von den 63 Mitarbeitenden jährlich 14.000 Fahrräder verkauft. Darunter sind inzwischen 1.500 Pedelecs. Steigerungen sind insbesondere bei den elektrisch unterstützten Mountainbikes zu verzeichnen. S‑Pedelecs, die bis zu 45 Stundenkilometer schnell sein dürfen, verkaufen sich allerdings sehr zögerlich, wie der Juniorchef erzählt. Als Hauptgrund dafür sieht er die komplizierten und bisweilen auch unklaren Regelungen, auf welchen Straßen und Wegen mit diesem Fahrzeug überhaupt gefahren werden darf. Interessant ist das Thema “Betriebsfahrräder”. Immer mehr Unternehmen bieten ihren Beschäftigten diese Alternative zum Dienstwagen. Fachhändler (im Bild links Markus Walcher), profitieren davon, wenn auf einen Schlag 30 bis 40 meist hochwertige Fahrräder, überwiegend Pedelecs, verkauft werden. Es gewinnen dann aber auch die Umwelt und die Gesundheit der Beschäftigten, die mit dem Dienstrad zur Arbeit und wieder zurück nachhause radeln. Die Leasingabwicklung wird zumindest bislang noch nicht von Walcher, sondern von anderen Dienstleistern übernommen. Einen politischen Wunsch bekam ich mit auf meinen weiteren Weg: Die Infrastruktur gerade in den Städten werde von vielen Kunden als unzureichend betrachtet, womit vermutlich in erster Linie „unsicher“ gemeint sein dürfte.
Meine zweite Station war bei Luigi Zullo von der Firma E‑Mobility-Experts. Zullo versteht sich als “Makler für erneuerbare Energien und E‑Mobilität”. Er berät Unternehmen, die erneuerbare Energien nutzen und ihren Fuhrpark (teilweise) auf E‑Mobilität umstellen wollen. So hat er in Stuttgart einige dutzend Taxifahrer dafür gewonnen, auf E‑Fahrzeuge oder Plug-in-Hybride (siehe das Taxi im Hintergrund) umzusteigen. Überwiegend sind das Taxi-Unternehmer, die selber mit ihrem eigenen Fahrzeug unterwegs sind und seltener Taxiunternehmen mit einer ganzen Flotte und angestellten Fahrern. Zullo, der früher die Tesla-Filiale in Stuttgart aufgebaut hat, vermittelt Kontakte und Fördermittel. Interessant finde ich, wo die meisten Taxifahrer ihre E‑Fahrzeuge aufladen: Bei Aldi. Das bestätigte uns auch ein Taxi-Fahrer, mit dem wir am Hauptbahnhof das Gespräch suchten.
Meine dritte Station war ein Treffen mit Manfred Niess, einem der Kläger gegen die hohe Feinstaub- und Stickoxid-Belastung im Umfeld des Neckartors in Stuttgart (im Bild die Messstation). Hier werden bundesweit mit die höchsten Grenzwertüberschreitungen gemessen. Der zulässige Jahresmittelwert für NOx wird hier seit Jahren um mehr als das Doppelte überschritten. Das Gift belastet die Bronchien und ist vor allem für Asthmatiker ein Problem. Zwei Mahnungen der EU liegen inzwischen vor. Im Jahr 2005 hat Niess seinen ersten Prozess gewonnen. Es musste ein Aktionsplan erstellt werden. Maßnahmen wie der Einsatz von Kehrmaschinen oder Klebemitteln führten jedoch nicht zum Erfolg und wurden wieder abgebrochen. Aktuell steht ein Vergleich an, der auf eine Verringerung der Verkehrsbelastung abzielt; allerdings nur auf der Neckarstraße. Im vergangenen Jahr hat auch die Deutsche Umwelthilfe eine Klage eingereicht, die auf die Verringerung der Luftbelastung im gesamten Ballungsraum abzielt. Von Stadt, Region und Land werden die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs und den Radverkehr ausgebaut. Das ist gut und notwendig. Dies reicht aber noch nicht, um die Grenzwerte einzuhalten und die Gesundheit der Menschen ausreichend zu schützen. Daher ist eine blaue Plakette im Gespräch. Das müsste aber auf Bundesebene geregelt werden. Niess fordert mehr Mut von der Politik, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen.
Von Stuttgart ging es für mich weiter in den Landkreis Böblingen. Renningen ist bekannt für sein gut funktionierendes CarSharing-Angebot. Inzwischen stehen den 400 Nutzern in Renningen und dem Nachbarort Malmsheim 20 Fahrzeuge zur Verfügung. Die gesamte Organisation befindet sich nach wie vor in ehrenamtlichen Händen. Eines der Fahrzeuge, ein E‑Auto (Foto), wird seit Dezember an drei Tagen pro Woche als Bürgerbus eingesetzt. Die Kilometer, die für den Bürgerbus zurückgelegt werden, stellt der Verein der Stadt in Rechnung. Meist sind es Menschen mit Gehbeeinträchtigung, die zum Einkauf, Arzt, Mittagstisch im Altenheim oder zur Seniorengymnastik gefahren und ggf. dorthin begleitet werden. Die Einkäufe werden auch mal in die Wohnung getragen. Dies zeigt: Mobilität ist die Grundvoraussetzung für soziale Teilhabe. Ein Kompliment und Dank an die Ehrenamtlichen der Renninger Agendagruppe, die dies ermöglichen!
Abgeschlossen habe ich meinen Thementag mit einem Besuch am neuen Bus- und Fernbusbahnhof am Flughafen. Dieser zentrale Bushalt soll die dezentralen Haltepunkte in Zuffenhausen, Vaihingen und Untertürkheim ersetzen. Nicht alle Fernbusunternehmen sind davon begeistert, weil der Flughafen nicht für alle Relationen günstig liegt. Aber interessant, wohin man vom Flughafen aus kommen kann – ohne zu fliegen!