Thementag “Gute Ideen statt dicke Luft”

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2016_05_19_gastel_thementag_dicke_luft20.05.2016

Mein letz­ter The­men­tag stand dies­mal unter dem Mot­to “Mobi­li­tät: Gute Ideen statt dicke Luft”. Wel­che Mobi­li­täts-Alter­na­ti­ven bie­tet die Regi­on, um end­lich die Grenz­wer­te für Fein­staub und Stick­oxid ein­zu­hal­ten, die Gesund­heit und auch die Lebens­qua­li­tät der Men­schen zu schüt­zen?

Walcher

Mei­ne ers­te Sta­ti­on führ­te mich nach Dei­zis­au, genau­er zu Wal­cher, dem größ­ten Fahr­rad­händ­ler in Baden-Würt­tem­berg. Die Anfän­ge des Unter­neh­mens lie­gen im Jahr 1981. Damals wur­den in Ess­lin­gen noch über­wie­gend Motor­rä­der ver­kauft. Spä­ter kamen Filia­len hin­zu, der Schwer­punkt ver­la­ger­te sich hin zum Fahr­rad­han­del. Seit 1994 liegt der ein­zi­ge Stand­ort etwas fluss­auf­wärts in Dei­zis­au. Auf einer Ver­kaufs­flä­che von knapp 5.000 Qua­drat­me­tern wer­den von den 63 Mit­ar­bei­ten­den jähr­lich 14.000 Fahr­rä­der ver­kauft. Dar­un­ter sind inzwi­schen 1.500 Pedelecs. Stei­ge­run­gen sind ins­be­son­de­re bei den elek­trisch unter­stütz­ten Moun­tain­bikes zu ver­zeich­nen. S‑Pedelecs, die bis zu 45 Stun­den­ki­lo­me­ter schnell sein dür­fen, ver­kau­fen sich aller­dings sehr zöger­lich, wie der Juni­or­chef erzählt. Als Haupt­grund dafür sieht er die kom­pli­zier­ten und bis­wei­len auch unkla­ren Rege­lun­gen, auf wel­chen Stra­ßen und Wegen mit die­sem Fahr­zeug über­haupt gefah­ren wer­den darf. Inter­es­sant ist das The­ma “Betriebs­fahr­rä­der”. Immer mehr Unter­neh­men bie­ten ihren Beschäf­tig­ten die­se Alter­na­ti­ve zum Dienst­wa­gen. Fach­händ­ler (im Bild links Mar­kus Wal­cher), pro­fi­tie­ren davon, wenn auf einen Schlag 30 bis 40 meist hoch­wer­ti­ge Fahr­rä­der, über­wie­gend Pedelecs, ver­kauft wer­den. Es gewin­nen dann aber auch die Umwelt und die Gesund­heit der Beschäf­tig­ten, die mit dem Dienst­rad zur Arbeit und wie­der zurück nach­hau­se radeln. Die Lea­sing­ab­wick­lung wird zumin­dest bis­lang noch nicht von Wal­cher, son­dern von ande­ren Dienst­leis­tern über­nom­men. Einen poli­ti­schen Wunsch bekam ich mit auf mei­nen wei­te­ren Weg: Die Infra­struk­tur gera­de in den Städ­ten wer­de von vie­len Kun­den als unzu­rei­chend betrach­tet, womit ver­mut­lich in ers­ter Linie „unsi­cher“ gemeint sein dürf­te.

E-Taxi

Mei­ne zwei­te Sta­ti­on war bei Lui­gi Zul­lo von der Fir­ma E‑Mo­bi­li­ty-Experts. Zul­lo ver­steht sich als “Mak­ler für erneu­er­ba­re Ener­gien und E‑Mobilität”. Er berät Unter­neh­men, die erneu­er­ba­re Ener­gien nut­zen und ihren Fuhr­park (teil­wei­se) auf E‑Mobilität umstel­len wol­len. So hat er in Stutt­gart eini­ge dut­zend Taxi­fah­rer dafür gewon­nen, auf E‑Fahrzeuge oder Plug-in-Hybri­de (sie­he das Taxi im Hin­ter­grund) umzu­stei­gen. Über­wie­gend sind das Taxi-Unter­neh­mer, die sel­ber mit ihrem eige­nen Fahr­zeug unter­wegs sind und sel­te­ner Taxi­un­ter­neh­men mit einer gan­zen Flot­te und ange­stell­ten Fah­rern. Zul­lo, der frü­her die Tes­la-Filia­le in Stutt­gart auf­ge­baut hat, ver­mit­telt Kon­tak­te und För­der­mit­tel. Inter­es­sant fin­de ich, wo die meis­ten Taxi­fah­rer ihre E‑Fahrzeuge auf­la­den: Bei Aldi. Das bestä­tig­te uns auch ein Taxi-Fah­rer, mit dem wir am Haupt­bahn­hof das Gespräch such­ten.

Neckartor

Mei­ne drit­te Sta­ti­on war ein Tref­fen mit Man­fred Niess, einem der Klä­ger gegen die hohe Fein­staub- und Stick­oxid-Belas­tung im Umfeld des Neckar­tors in Stutt­gart (im Bild die Mess­sta­ti­on). Hier wer­den bun­des­weit mit die höchs­ten Grenz­wert­über­schrei­tun­gen gemes­sen. Der zuläs­si­ge Jah­res­mit­tel­wert für NOx wird hier seit Jah­ren um mehr als das Dop­pel­te über­schrit­ten. Das Gift belas­tet die Bron­chi­en und ist vor allem für Asth­ma­ti­ker ein Pro­blem. Zwei Mah­nun­gen der EU lie­gen inzwi­schen vor. Im Jahr 2005 hat Niess sei­nen ers­ten Pro­zess gewon­nen. Es muss­te ein Akti­ons­plan erstellt wer­den. Maß­nah­men wie der Ein­satz von Kehr­ma­schi­nen oder Kle­be­mit­teln führ­ten jedoch nicht zum Erfolg und wur­den wie­der abge­bro­chen. Aktu­ell steht ein Ver­gleich an, der auf eine Ver­rin­ge­rung der Ver­kehrs­be­las­tung abzielt; aller­dings nur auf der Neckar­stra­ße. Im ver­gan­ge­nen Jahr hat auch die Deut­sche Umwelt­hil­fe eine Kla­ge ein­ge­reicht, die auf die Ver­rin­ge­rung der Luft­be­las­tung im gesam­ten Bal­lungs­raum abzielt. Von Stadt, Regi­on und Land wer­den die Ange­bo­te des öffent­li­chen Nah­ver­kehrs und den Rad­ver­kehr aus­ge­baut. Das ist gut und not­wen­dig. Dies reicht aber noch nicht, um die Grenz­wer­te ein­zu­hal­ten und die Gesund­heit der Men­schen aus­rei­chend zu schüt­zen. Daher ist eine blaue Pla­ket­te im Gespräch. Das müss­te aber auf Bun­des­ebe­ne gere­gelt wer­den. Niess for­dert mehr Mut von der Poli­tik, end­lich wirk­sa­me Maß­nah­men zu ergrei­fen.

Renningen

Von Stutt­gart ging es für mich wei­ter in den Land­kreis Böb­lin­gen. Renn­in­gen ist bekannt für sein gut funk­tio­nie­ren­des Car­Sha­ring-Ange­bot. Inzwi­schen ste­hen den 400 Nut­zern in Renn­in­gen und dem Nach­bar­ort Malms­heim 20 Fahr­zeu­ge zur Ver­fü­gung. Die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on befin­det sich nach wie vor in ehren­amt­li­chen Hän­den. Eines der Fahr­zeu­ge, ein E‑Auto (Foto), wird seit Dezem­ber an drei Tagen pro Woche als Bür­ger­bus ein­ge­setzt. Die Kilo­me­ter, die für den Bür­ger­bus zurück­ge­legt wer­den, stellt der Ver­ein der Stadt in Rech­nung. Meist sind es Men­schen mit Geh­be­ein­träch­ti­gung, die zum Ein­kauf, Arzt, Mit­tags­tisch im Alten­heim oder zur Senio­ren­gym­nas­tik gefah­ren und ggf. dort­hin beglei­tet wer­den. Die Ein­käu­fe wer­den auch mal in die Woh­nung getra­gen. Dies zeigt: Mobi­li­tät ist die Grund­vor­aus­set­zung für sozia­le Teil­ha­be. Ein Kom­pli­ment und Dank an die Ehren­amt­li­chen der Renn­in­ger Agen­da­grup­pe, die dies ermög­li­chen!

Busbahnhof SAB 2

Abge­schlos­sen habe ich mei­nen The­men­tag mit einem Besuch am neu­en Bus- und Fern­bus­bahn­hof am Flug­ha­fen. Die­ser zen­tra­le Bus­halt soll die dezen­tra­len Hal­te­punk­te in Zuffen­hau­sen, Vai­hin­gen und Unter­türk­heim erset­zen. Nicht alle Fern­bus­un­ter­neh­men sind davon begeis­tert, weil der Flug­ha­fen nicht für alle Rela­tio­nen güns­tig liegt. Aber inter­es­sant, wohin man vom Flug­ha­fen aus kom­men kann – ohne zu flie­gen!