Thementag “Herausforderungen der Jugendarbeit – Niemand darf verloren gehen”

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Jugendarbeit

12.07.2016

Mein jüngs­ter The­men­tag wid­me­te sich sozi­al­po­li­ti­schen Fra­gen­stel­lun­gen.

Die ers­te Sta­ti­on führ­te mich in Beglei­tung u. a. von Alex Mai­er (MdL) in die Jugend­ar­rest­an­stalt in Göp­pin­gen. Sie ist eine von inzwi­schen „nur noch“ zwei­en ihrer Art in Baden-Würt­tem­berg. Dort sind im Durch­schnitt 16 bis 18 Arrestan­ten für maxi­mal vier Wochen unter­ge­bracht, meist wegen Kör­per­ver­let­zungs- und Eigen­tums­de­lik­ten. Es gibt drei Arre­star­ten: Der Dau­er­ar­rest dau­ert zwi­schen ein und vier Wochen. Der Kurz­ar­rest dau­ert maxi­mal vier Tage. Und dann gibt es noch den Frei­zeit­ar­rest, der in der Frei­zeit der Jugend­li­chen (über­wie­gend an Wochen­en­den) voll­streckt wird. Im Mit­tel­punkt der über­wie­gend 17- bis 20-Jäh­ri­gen steht nicht die Stra­fe, son­dern die Erzie­hungs­maß­nah­me, wie unse­re Gesprächs­part­ner (Lei­ter und Sozi­al­ar­bei­ter der Arrest­an­stalt sowie Arrestan­ten) beton­ten. Die Tage wer­den durch Schul­un­ter­richt, Kochen, Sport und Musik struk­tu­riert. Aus päd­ago­gi­scher Sicht höchst­pro­ble­ma­tisch ist es, dass der Arrest­an­tritt in der Pra­xis frü­hes­tens sechs bis neun Mona­te nach dem Bege­hen der Straf­tat erfolgt. Dazwi­schen lie­gen die poli­zei­li­chen Ermitt­lungs­ar­bei­ten und die Ver­fah­ren vor Gericht. Die jun­gen Men­schen wis­sen häu­fig nicht mehr, wegen wel­chem Ver­ge­hen sie sich im Arrest befin­den. Jugendarrest120 bis 30 Pro­zent der Arrestan­ten kom­men wie­der; jedoch nicht unbe­dingt, weil sie erneut straf­fäl­lig wur­den, son­dern häu­fig, weil sie ihre Straf­stun­den nicht abge­leis­tet haben. Wir konn­ten mit meh­re­ren Arrestan­ten kurz spre­chen. So mit Kevin (20), der mehr­fach mit Can­na­bis auf­ge­grif­fen wur­de. Er befand sich zum zwei­ten Mal im Arrest, der drit­te steht bereits fest. Er sag­te zu uns: „Hier ist es beschis­sen, aber ich nut­ze die Zeit zu Nach­den­ken.“ Letz­te­res ist das Haupt­ziel des Arres­tes, wie uns der Anstalt­lei­ter und der Sozi­al­ar­bei­ter erklä­ren.

 

Weni­ge hun­dert Meter wei­ter befin­det sich das Frei­hof-Gym­na­si­um in Göp­pin­gen. Dort spra­chen wir mit dem Schul­lei­ter Gün­ther Roos, einem von zwei Schulsozialarbeiter*innen (ins­ge­samt 70%-Stelle) und einer Ver­tre­te­rin der Bru­der­h­aus­dia­ko­nie als Trä­ger der Schul­so­zi­al­ar­beit. Es ging um gesell­schaft­li­che Ver­än­de­run­gen und deren Aus­wir­kun­gen auf die Schu­len, Pro­jek­te zur Rechtsextremismus‑, Gewalt- und Sucht­prä­ven­ti­on sowie schul­po­li­ti­sche Ver­än­de­run­gen im Land. Das vier­zü­gi­ge Gym­na­si­um fir­miert seit zwei Jah­ren als „Schu­le ohne Ras­sis­mus“. Der Schul­lei­ter berich­tet von zuneh­men­den Pro­ble­men unter den Schü­le­rin­nen und Schü­lern, aller­dings wür­den die Pro­ble­me heu­te auch eher wahr­ge­nom­men und auf­ge­grif­fen als frü­her. „Auf die Schul­so­zi­al­ar­beit möch­te ich nicht mehr ver­zich­ten müs­sen“, sagt er uns. An der Schu­le ist eine Vor­be­rei­tungs­klas­se mit aktu­ell 22 Schüler*innen unter­ge­bracht.

anhang1Den Abschluss mei­nes The­men­ta­ges stell­te ein Gespräch mit Son­ja Groß­hans von der “Fach­stel­le Rechts­extre­mis­mus” in Back­nang (Trä­ger: Rems-Murr-Kreis) dar. Die Bera­tungs­stel­le, die im Jahr 2000 gegrün­det wur­de, arbei­tet über­wie­gend prä­ven­tiv mit Jugend­li­chen, jun­gen Men­schen, Eltern und Mul­ti­pli­ka­to­ren. Poli­tisch beglei­tet wird die Bera­tungs­stel­le durch den „Fach­bei­rat Rechts­extre­mis­mus“, dem Mit­glie­der des Kreis­ta­ges, Kir­chen, die Poli­zei und die Gewerk­schaft ange­hö­ren. Ein Groß­teil der Arbeit fin­det in den Schu­len statt, in denen über Gefähr­dungs­merk­ma­le und Erschei­nungs­for­men des Rechts­extre­mis­mus infor­miert wird. Dafür wur­den ver­schie­de­ne Unter­richts­mo­du­le ent­wi­ckelt, die jeweils drei bis vier Unter­richts­stun­den umfas­sen.

Der Rems-Murr-Kreis war ins­be­son­de­re in den 2000-er-Jah­ren immer wie­der durch rechts­extre­me Straf­ta­ten auf­ge­fal­len. Die letz­ten Jah­re waren eher ruhig, bis im ver­gan­ge­nen Jahr wie­der Anstie­ge zu ver­zeich­nen waren.

Aktu­ell gibt es eine Dis­kus­si­on, ob sich die Fach­stel­le auch ande­ren extre­mis­ti­schen Erschei­nungs­for­men wie dem Sala­fis­mus wid­men soll.