Der Thementag ist ein Veranstaltungsformat, bei dem ich einer mir selber gestellten Fragestellung durch mehrere Vor-Ort-Besuche nachgehe. Das Motto lautete diesmal „Mobil in der Region Stuttgart“. Und gleich der Auftakt zeigte eines der gravierendsten Probleme auf: Die Unzuverlässigkeit der S‑Bahn. Meine S‑Bahn blieb auf ihrem Weg nach Stuttgart erst im Wald und später mehrfach im Tunnel wegen Streckenüberlastung stecken.
Station 1: Pedelec-Station Bietigheim-Bissingen
Meine Ankunft erfolgte wegen des verpassten Zuganschlusses eine halbe Stunde später als geplant. Umso schöner war es, dass mit Oberbürgermeister Jürgen Kessing, Rainer Gessler von „Nachhaltig mobile Region Stuttgart“ (NAMOREG) und weiteren Personen, die mich über den Pedelec-Verleih informieren konnten, so lange warteten. Die im Oktober 2013 eröffnete Pedelec-Station in Bietigheim war die erste in der Region. Dort stehen – geschützt in einem eigens dafür errichteten Gebäude der Stadt – zehn Pedelecs zum Verleih bereit. Weitere zehn private Pedelecs können untergestellt und deren Akkus aufgeladen werden. Die derzeit eingesetzten Pedelecs haben ihre Tücken: Sie müssen durch Entnahme des Akkus aufgeladen werden. Für den Betreiber (dies ist die Firma nextbike aus Leipzig) dieser und der anderen Verleihstationen stellt dies einen hohen Aufwand dar. Daher sollen im nächsten Jahr neue Pedelecs angeschafft werden, die sich beim Abstellen in der Station selbstständig auftanken. An manchen Tagen, so berichtete Oberbürgermeister und Vertreter von nextbike, seien alle zehn Räder verliehen. Häufig werden die Pedelecs für touristische Zwecke, insbesondere für Radwandertouren entlang der Enz, ausgeliehen. Die durchschnittliche Verleihdauer liegt denn auch bei rund neun Stunden. Die Entleihungen sind rund um die Uhr möglich. Voraussetzung dafür ist, dass man sich bei nextbike registriert oder einen VVS-Mobilpass besitzt. Die Verleihgebühr liegt bei 1,50 bis 2 Euro pro Stunde und 12 bis 16 Euro am Tag. Derartige Verleihstationen sind in bis zu 17 Kommunen in der Region Stuttgart bereits vorhanden bzw. vorgesehen. Die Rückgabe der Pedelecs soll dann an jeder der Stationen möglich sein.
Station 2: Busbetriebshof der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB)
Der Betriebshof ist nicht leicht zu finden. Da dort normalerweise keine Besucher empfangen werden, ist er nicht ausgeschildert. Das heißt aber nicht, dass es dort nichts zu erfahren und nichts Interessantes zu sehen gibt. Schwerpunktthemen waren die Ressourceneffizienz, die Luftreinhaltung und ganz konkret die Hybridtechnik für Busse im Linienverkehr. Die SSB haben derzeit 12 Hybridbusse im Einsatz. Der Wechsel zwischen konventionellem und elektrischem Antrieb der Busse erfolgt automatisch. Die Busse werden nicht im Depot aufgeladen, sondern durch den Diesel-Motor und die Energierückgewinnung bei Bremsvorgängen. Die Treibstoffeinsparungen werden von den SSB mit 18 Prozent angegeben. Bei den Schadstoffen sind die Einsparungen im Vergleich mit herkömmlichen Euro III-Bussen gravierender: Minus 47% bei NOx und minus 60% beim giftigen Kohlenmonoxid. Wirtschaftlich zu betreiben sind die Hybridbusse aufgrund ihrer deutlich höheren Anschaffungskosten dennoch nicht. Doch Technik ist nicht alles: Auf die Fahrerin oder den Fahrer kommt es an. Durch bewusst sparsames Fahren lässt sich bei den Bussen der Dieselverbrauch um bis zu 20 Prozent verringern. Daher wird das Personal regelmäßig geschult. Und die SSB planen außerdem ein monetäres Anreiz-System für ihre Fahrer. Zum Abschluss besichtigten wir die Werkstatt und konnten von oben die Technik eines Hybrid-Busses inspizieren. Die 350 Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Batterie – die Klimaanlagen ohnehin – befindet sich auf dem Dach. Fazit dieses Termins: Mit Elektromobilität (die Stadtbahnen der SSB fahren mit Ökostrom), Hybrid- und Brennstoffzellen-Hybridbussen sowie gut gewarteten Partikelfiltern sind die SSB auf einem guten und innovativen Weg.
Station 3: Gespräch mit dem Auto Club Europa (ACE)
„Der ACE Auto Club Europa ist mit mehr als 590.000 Mitgliedern einer der führenden Automobilclubs in Deutschland, seinen Sitz hat er in Stuttgart. Zu seinen Kernleistungen gehört die Pannenhilfe.“ So heißt es auf der Homepage des ACE – einer von vielen Gründen für mich, das Gespräch zu suchen. Entstanden ist der Club 1965 aus der Gewerkschaftsbewegung heraus. Auch wenn der ACE was Wort „Auto“ in seinem Namen trägt und die Schutzbriefe neben den Mitgliedsbeiträgen und dem Reisegeschäft die wichtigsten Finanzierungssäulen darstellen, vertritt er ganzheitliche Mobilitätskonzepte. So vertreibt er – bislang in Hamburg, und das äußerst erfolgreich – Jobtickets für den öffentlichen Nahverkehr. Eine Ausweitung dieser Tätigkeit auf den Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) ist in Planung. Außerdem in Planung befindet sich eine Mobilitätsberatung für Unternehmen. Dabei soll es beispielsweise darum gehen, wie Unternehmen die Bildung von Fahrgemeinschaften fördern und Kosten für die Bereitstellung von Parkraum sparen können. Der ACE wirkt auch politisch, wenngleich er damit weniger öffentliche Aufmerksamkeit erregt als der durch viele Skandale gebeutelte noch immer viel größere ADAC. Der ACE lehnt wie wir Grünen die PKW-Maut der CSU ab und fordert stattdessen die Ausweitung der LKW-Maut. In der Debatte um eine mögliche Zulassung der Gigaliner teilen ACE und Grüne ihre Skepsis. Beim Thema „Tempolimit auf Autobahnen“ hingegen schien mir die Position des ACE etwas schwammig zu sein. Aber zugegeben: Ganz so forsch wie früher sind auch wir Grünen in dieser Sache heute nicht mehr.
Station 4: Besuch beim Hauptsitz von car2go in Leinfelden-Echterdingen
Der Firmensitz für die weltweiten Aktivitäten von car2go, das zum Daimler-Konzern zählt, befindet sich seit April 2014 in Leinfelden-Echterdingen und damit in meinem Wahlkreis. Klar, dass ich dort hin musste! 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen inzwischen, 250 davon auf den Fildern. Dass ein weiter anhaltendes starkes Wachstum erwartet wird, lässt sich an den vielen noch leeren Schreibtischen in der riesigen Büroetage direkt an der Autobahn A 8 ablesen. 13.000 Fahrzeuge stehen weltweit zur Verfügung, davon 3.700 in den großen deutschen Metropolen (ab ca. 500.000 Einwohner). Eine davon ist Stuttgart. In der Landeshauptstadt und der Umgebung stellt das Unternehmen mehr als 500 ihrer Autos zur Verfügung, alles Elektro-Smarts. Weltweit werden aktuell eine Millionen Nutzer gezählt, mehr als ein Viertel davon in Deutschland. Car2go setzt auf das Free-Floating-Modell des CarSharings. Dies bedeutet, dass die Autos keine festen Standorte haben. Über eine App kann das nächste freie Auto lokalisiert und nach Gebrauch irgendwo in einem abgegrenzten Gebiet abgestellt werden. 90 Prozent der Kunden nutzen das car2go-Fahrzeug nur für eine Strecke. Die durchschnittliche Dauer eines Mietvorgangs beträgt daher auch nur 20 bis 40 Minuten und der typische Weg ist 5 bis 15 Kilometer weit. Jedes Auto wird pro Tag etwa 5–10 Mal verliehen. Die Ladeinfrastruktur in der Region Stuttgart wird von den EnBW bereitgestellt. Das anfängliche Problem, dass die Parkplätze an den Ladestationen allzu häufig durch konventionell angetriebene Autos zugeparkt werden, hat sich durch massive Kontrollen inzwischen verringert. Interessant finde ich auch die Aussage der car2go-Leute, wonach die ÖPNV-Anbindung für den Erfolg von CarSharing wichtig sei: Wo der öffentliche Nahverkehr gut ausgebaut ist und CarSharing zur Verfügung steht, sind die Leute am ehesten zum Verzicht auf ein eigenes Auto bereit.