Thementag „Mobil in der Region Stuttgart“

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Hybridbus 12.02.2015         13.02.2015

Der The­men­tag ist ein Ver­an­stal­tungs­for­mat, bei dem ich einer mir sel­ber gestell­ten Fra­ge­stel­lung durch meh­re­re Vor-Ort-Besu­che nach­ge­he. Das Mot­to lau­te­te dies­mal „Mobil in der Regi­on Stutt­gart“. Und gleich der Auf­takt zeig­te eines der gra­vie­rends­ten Pro­ble­me auf: Die Unzu­ver­läs­sig­keit der S‑Bahn. Mei­ne S‑Bahn blieb auf ihrem Weg nach Stutt­gart erst im Wald und spä­ter mehr­fach im Tun­nel wegen Stre­cken­über­las­tung ste­cken.

Station 1: Pedelec-Station Bietigheim-Bissingen

Mei­ne Ankunft erfolg­te wegen des ver­pass­ten Zug­an­schlus­ses eine hal­be Stun­de spä­ter als geplant. Umso schö­ner war es, dass mit Ober­bür­ger­meis­ter Jür­gen Kes­sing, Rai­ner Gess­ler von „Nach­hal­tig mobi­le Regi­on Stutt­gart“ (NAMOREG) und wei­te­ren Per­so­nen, die mich über den Pedelec-Ver­leih infor­mie­ren konn­ten, so lan­ge war­te­ten. Die im Okto­ber 2013 eröff­ne­te Pedelec-Sta­ti­on in Bie­tig­heim war die ers­te in der Regi­on. Dort ste­hen – geschützt in einem eigens dafür errich­te­ten Gebäu­de der Stadt  – zehn Pedelecs zum Ver­leih bereit. Wei­te­re zehn pri­va­te Pedelecs kön­nen unter­ge­stellt und deren Akkus auf­ge­la­den wer­den. Die der­zeit ein­ge­setz­ten Pedelecs haben ihre Tücken: Sie müs­sen durch Ent­nah­me des Akkus auf­ge­la­den wer­den. Für den Betrei­ber (dies ist die Fir­ma next­bike aus Leip­zig) die­ser und der ande­ren Ver­leih­sta­tio­nen stellt dies einen hohen Auf­wand dar. Daher sol­len im nächs­ten Jahr neue Pedelecs ange­schafft wer­den, die sich beim Abstel­len in der Sta­ti­on selbst­stän­dig auf­tan­ken. An man­chen Tagen, so berich­te­te Ober­bür­ger­meis­ter und Ver­tre­ter von next­bike, sei­en alle zehn Räder ver­lie­hen. Häu­fig wer­den die Pedelecs für tou­ris­ti­sche Zwe­cke, ins­be­son­de­re für Rad­wan­der­tou­ren ent­lang der Enz, aus­ge­lie­hen. Die durch­schnitt­li­che Ver­leih­dau­er liegt denn auch bei rund neun Stun­den. Die Ent­lei­hun­gen sind rund um die Uhr mög­lich. Vor­aus­set­zung dafür ist, dass man sich bei next­bike regis­triert oder einen VVS-Mobil­pass besitzt. Die Ver­leih­ge­bühr liegt bei 1,50 bis 2 Euro pro Stun­de und 12 bis 16 Euro am Tag. Der­ar­ti­ge Ver­leih­sta­tio­nen sind in bis zu 17 Kom­mu­nen in der Regi­on Stutt­gart bereits vor­han­den bzw. vor­ge­se­hen. Die Rück­ga­be der Pedelecs soll dann an jeder der Sta­tio­nen mög­lich sein.

Station 2: Busbetriebshof der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB)

Der Betriebs­hof ist nicht leicht zu fin­den. Da dort nor­ma­ler­wei­se kei­ne Besu­cher emp­fan­gen wer­den, ist er nicht aus­ge­schil­dert. Das heißt aber nicht, dass es dort nichts zu erfah­ren und nichts Inter­es­san­tes zu sehen gibt. Schwer­punkt­the­men waren die Res­sour­cen­ef­fi­zi­enz, die Luft­rein­hal­tung und ganz kon­kret die Hybrid­tech­nik für Bus­se im Lini­en­ver­kehr. Die SSB haben der­zeit 12 Hybrid­bus­se im Ein­satz. Der Wech­sel zwi­schen kon­ven­tio­nel­lem und elek­tri­schem Antrieb der Bus­se erfolgt auto­ma­tisch. Die Bus­se wer­den nicht im Depot auf­ge­la­den, son­dern durch den Die­sel-Motor und die Ener­gie­rück­ge­win­nung bei Brems­vor­gän­gen. Die Treib­stoff­ein­spa­run­gen wer­den von den SSB mit 18 Pro­zent ange­ge­ben. Bei den Schad­stof­fen sind die Ein­spa­run­gen im Ver­gleich mit her­kömm­li­chen Euro III-Bus­sen gra­vie­ren­der: Minus 47% bei NOx und minus 60% beim gif­ti­gen Koh­len­mon­oxid. Wirt­schaft­lich zu betrei­ben sind die Hybrid­bus­se auf­grund ihrer deut­lich höhe­ren Anschaf­fungs­kos­ten den­noch nicht. Doch Tech­nik ist nicht alles: Auf die Fah­re­rin oder den Fah­rer kommt es an. Durch bewusst spar­sa­mes Fah­ren lässt sich bei den Bus­sen der Die­sel­ver­brauch um bis zu 20 Pro­zent ver­rin­gern. Daher wird das Per­so­nal regel­mä­ßig geschult. Und die SSB pla­nen außer­dem ein mone­tä­res Anreiz-Sys­tem für ihre Fah­rer. Zum Abschluss besich­tig­ten wir die Werk­statt und konn­ten von oben die Tech­nik eines Hybrid-Bus­ses inspi­zie­ren. Die 350 Kilo­gramm schwe­re Lithi­um-Ionen-Bat­te­rie – die Kli­ma­an­la­gen ohne­hin – befin­det sich auf dem Dach. Fazit die­ses Ter­mins: Mit Elek­tro­mo­bi­li­tät (die Stadt­bah­nen der SSB fah­ren mit Öko­strom), Hybrid- und Brenn­stoff­zel­len-Hybrid­bus­sen sowie gut gewar­te­ten Par­ti­kel­fil­tern sind die SSB auf einem guten und inno­va­ti­ven Weg.

Station 3: Gespräch mit dem Auto Club Europa (ACE)

„Der ACE Auto Club Euro­pa ist mit mehr als 590.000 Mit­glie­dern einer der füh­ren­den Auto­mo­bil­clubs in Deutsch­land, sei­nen Sitz hat er in Stutt­gart. Zu sei­nen Kern­leis­tun­gen gehört die Pan­nen­hil­fe.“ So heißt es auf der Home­page des ACE – einer von vie­len Grün­den für mich, das Gespräch zu suchen. Ent­stan­den ist der Club 1965 aus der Gewerk­schafts­be­we­gung her­aus. Auch wenn der ACE was Wort „Auto“ in sei­nem Namen trägt und die Schutz­brie­fe neben den Mit­glieds­bei­trä­gen und dem Rei­se­ge­schäft die wich­tigs­ten Finan­zie­rungs­säu­len dar­stel­len, ver­tritt er ganz­heit­li­che Mobi­li­täts­kon­zep­te. So ver­treibt er – bis­lang in Ham­burg, und das äußerst erfolg­reich – Job­ti­ckets für den öffent­li­chen Nah­ver­kehr. Eine Aus­wei­tung die­ser Tätig­keit auf den Ver­kehrs- und Tarif­ver­bund Stutt­gart (VVS) ist in Pla­nung. Außer­dem in Pla­nung befin­det sich eine Mobi­li­täts­be­ra­tung für Unter­neh­men. Dabei soll es bei­spiels­wei­se dar­um gehen, wie Unter­neh­men die Bil­dung von Fahr­ge­mein­schaf­ten för­dern und Kos­ten für die Bereit­stel­lung von Park­raum spa­ren kön­nen. Der ACE wirkt auch poli­tisch, wenn­gleich er damit weni­ger öffent­li­che Auf­merk­sam­keit erregt als der durch vie­le Skan­da­le gebeu­tel­te noch immer viel grö­ße­re ADAC. Der ACE lehnt wie wir Grü­nen die PKW-Maut der CSU ab und for­dert statt­des­sen die Aus­wei­tung der LKW-Maut. In der Debat­te um eine mög­li­che Zulas­sung der Giga­li­ner tei­len ACE und Grü­ne ihre Skep­sis. Beim The­ma „Tem­po­li­mit auf Auto­bah­nen“ hin­ge­gen schien mir die Posi­ti­on des ACE etwas schwam­mig zu sein. Aber zuge­ge­ben: Ganz so forsch wie frü­her sind auch wir Grü­nen in die­ser Sache heu­te nicht mehr.

Station 4: Besuch beim Hauptsitz von car2go in Leinfelden-Echterdingen

Der Fir­men­sitz für die welt­wei­ten Akti­vi­tä­ten von car2go, das zum Daim­ler-Kon­zern zählt, befin­det sich seit April 2014 in Lein­fel­den-Ech­ter­din­gen und damit in mei­nem Wahl­kreis. Klar, dass ich dort hin muss­te! 600 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt das Unter­neh­men inzwi­schen, 250 davon auf den Fil­dern. Dass ein wei­ter anhal­ten­des star­kes Wachs­tum erwar­tet wird, lässt sich an den vie­len noch lee­ren Schreib­ti­schen in der rie­si­gen Büro­eta­ge direkt an der Auto­bahn A 8 able­sen. 13.000 Fahr­zeu­ge ste­hen welt­weit zur Ver­fü­gung, davon 3.700 in den gro­ßen deut­schen Metro­po­len (ab ca. 500.000 Ein­woh­ner). Eine davon ist Stutt­gart. In der Lan­des­haupt­stadt und der Umge­bung stellt das Unter­neh­men mehr als 500 ihrer Autos zur Ver­fü­gung, alles Elek­tro-Smarts. Welt­weit wer­den aktu­ell eine Mil­lio­nen Nut­zer gezählt, mehr als ein Vier­tel davon in Deutsch­land. Car2go setzt auf das Free-Floa­ting-Modell des Car­Sha­rings. Dies bedeu­tet, dass die Autos kei­ne fes­ten Stand­or­te haben. Über eine App kann das nächs­te freie Auto loka­li­siert und nach Gebrauch irgend­wo in einem abge­grenz­ten Gebiet abge­stellt wer­den. 90 Pro­zent der Kun­den nut­zen das car2­go-Fahr­zeug nur für eine Stre­cke. Die durch­schnitt­li­che Dau­er eines Miet­vor­gangs beträgt daher auch nur 20 bis 40 Minu­ten und der typi­sche Weg ist 5 bis 15 Kilo­me­ter weit. Jedes Auto wird pro Tag etwa 5–10 Mal ver­lie­hen. Die Lade­infra­struk­tur in der Regi­on Stutt­gart wird von den EnBW bereit­ge­stellt. Das anfäng­li­che Pro­blem, dass die Park­plät­ze an den Lade­sta­tio­nen all­zu häu­fig durch kon­ven­tio­nell ange­trie­be­ne Autos zuge­parkt wer­den, hat sich durch mas­si­ve Kon­trol­len inzwi­schen ver­rin­gert. Inter­es­sant fin­de ich auch die Aus­sa­ge der car2­go-Leu­te, wonach die ÖPNV-Anbin­dung für den Erfolg von Car­Sha­ring wich­tig sei: Wo der öffent­li­che Nah­ver­kehr gut aus­ge­baut ist und Car­Sha­ring zur Ver­fü­gung steht, sind die Leu­te am ehes­ten zum Ver­zicht auf ein eige­nes Auto bereit.