Die Ernährung des Menschen, neue diesbezügliche Trends und die Zusammenhänge von Ernährung mit dem Tierschutz haben mich schon immer interessiert. Grund genug, diesen Fragestellungen mit meinem ersten Thementag und vielen erkenntnisreichen Stationen auf den Grund zu gehen …
Auf dem Großmarkt
6 Uhr früh am Morgen. Eine kleine Gruppe trifft sich in Stuttgart. Der kühle Wind bläst den Gestank von Modrigem in unsere Nasen. Wir stehen an der Pforte des drittgrößten Großmarktes für Obst und Gemüse in Deutschland. Der Geschäftsführer wartet mit einigen Zahlen und Fakten auf: Der Markt, der seit 1957 besteht, hat an allen Wochentagen geöffnet und wird rund um die Uhr beliefert. Erzeuger bieten dreimal pro Woche ihre Waren feil. 4.000 Kunden besitzen eine Berechtigungskarte als Voraussetzung, um auf dem Großmarkt einkaufen zu dürfen. Dabei handelt es sich überwiegend um Einzelhändler. Das Einzugsgebiet ist groß, auch solche vom Bodensee kommen nach Stuttgart. Die nächsten Großmärkte befinden sich in Karlsruhe und Mannheim. 2.000 Menschen arbeiten auf dem Großmarkt, davon nur 50 bei der städtischen Betreiber-GmbH. Und dann folgen einige Einschätzungen: „Discounter wie Aldi machen die Preise auf dem Lebensmittelmarkt kaputt. Den Gewinn machen einige wenige, das Risiko wird auf die Erzeuger verlagert.“ Klare Worte, denen niemand widerspricht. Wir fragen nach den Resten, wie viel vom Obst und Gemüse bleibt unverkauft? Genaue Zahlen bekommen wir nicht, aber es sind „große Mengen“. Die riechen wir ja auch. Zunächst aber wird die unverkaufte Ware Tafelläden, Zoos und Kleintierzüchtern angeboten. Der Rest wandert in die Kompostierung.
Wir laufen durch die Hallen und sprechen mit einigen der Händler. Die Nachfrage nach regionalen Produkten steigt, erfahren wir erfreut. Die meisten Produkte stammen demnach aus dem Ländle. Zugleich hält aber der Trend an, dass viele Verbraucher zu jeder Zeit alles haben wollen. Also auch die berühmten Erdbeeren im Winter. Dem Trend zum Regionalen steht ein widersprüchlicher gegenüber: Immer mehr kommt aus China.
Zum Schluss äußert der Geschäftsführer noch seinen Wunsch: Die Menschen sollen bereit sein, mehr für gute Lebensmittel auszugeben. Auch diesmal kein Widerspruch.
Urban Gardening
Was macht eine Gruppe von Menschen, die mit der Stadtbahn angefahren kamen, auf dem oberen Deck eines Parkhauses? Ganz einfach: Die 70 Gemüse- und Blumenbeete eines Urban-Gardening-Projektes anschauen! Seit zwei Jahren säen, jäten und ernten hier rund 100 Personen, die überwiegend rund um das Züblin-Parkhaus in der Stuttgarter Innenstadt wohnen. Dazwischen stehen zwei Bienenstöcke. Von hier oben hat man eine wunderbare Aussicht auf die Stadt. Kein Wunder, dass das Parkdeck nicht nur gärtnerisch, sondern bisweilen auch kulturell genutzt wird. Dieses Projekt ist nur eines von vielen in der Landeshauptstadt. Die Stadt hat eigens eine Stelle geschaffen, um Ideen wie diese zu fördern und zu begleiten. Dabei geht es nicht um eine reiche Erne. Vielmehr spielt auch der Gedanke eines generationsübergreifenden und interkulturellen Zusammenwirkens eine große Rolle.
Tafelladen
Unser Weg führt uns raus aus der Stadt nach Nürtingen in den Tafelladen. Betrieben wird dieser von der Caritas. 600 Ausweise an Berechtigte wurden ausgegeben. Ohne einen solchen kommt niemand an vergünstigtes Obst, Gemüse, Brot oder auch an Wurst, Käse und Trockenwaren. Im Gegensatz zu anderen Tafelläden wird in Nürtingen nicht über mangelnde Lebensmittelspenden von Einzelhändlern und Bäckereien geklagt. Der Tafelladen kann auf die stolze Zahl von 60 Ehrenamtlichen blicken, die die Lebensmittel in den Geschäften abholen, sortieren, in die Regale räumen und am Verkauf mitwirken. Wir diskutieren, ob Tafelläden einen Beitrag gegen Armut leisten oder diese eher noch verfestigen. „Wir sind Lebensmittelretter“, so die Antwort. Und: Wichtig ist der kirchlichen Institution, den Tafelladen mit anderen Hilfeangeboten zu verknüpfen. Die politische Lobbyarmut gegen Armut werde parallel dazu betrieben, so die Verantwortlichen.
Vegetarisches Restaurant
Im „Iden“, gelegen im Zentrum der Landeshauptstadt, verbinden wir das Nützliche mit dem Praktischen: Unser Gespräch mit dem Inhaber und Koch des vegetarischen Restaurants nutzen wir, um uns zugleich zu stärken. Dabei berichtet der Mann, der schon auf die 70 zugeht, dass fleischloses Essen im Trend liegt. Obwohl sich inzwischen mehrere Restaurants auf vegetarische oder auch vegane Speisen spezialisiert haben, verspürt er einen Gästezuwachs. Und die Gäste seien jünger geworden. Von dem, was er anbiete habe sich nicht viel geändert, sagt er. Höchstens, dass heute mehr mit Kokos gekocht werde. Er selber glaubt an die fleischfreie Ernährung: „Das, was ich heute leiste, könnte ich nicht, wäre ich Fleischesser.“ Einige kritische Punkte bringt er aber auch zur Sprache: Beispielsweise, dass er keine Köche ausbilden darf, weil diese bei ihm nicht zu Fleischzubereitung lernen können.
Vegan einkaufen
Der Trend zur fleischfreien Ernährung hat auch ein neues Einzelhandelskonzept entstehen lassen. Zwei junge Frauen haben vor 1,5 Jahren mit einem veganen Supermarkt den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Inzwischen können sie auf viele Stammkunden verweisen. Außerdem bieten sie einen Lieferdienst an. Eine der Besonderheiten: Nicht nur die Lebensmittel selber, sondern auch alles, was indirekt damit zu tun hat, ist vegan. So auch der Kleber, der die Etiketten auf den Flaschen der Limonaden hält. Die Produkte werden denn auch von einer – bezogen auf die kleine Verkaufsfläche – großen Anzahl an Lieferanten eingekauft. Die beiden Inhaberinnen, selbstverständlich überzeugte Veganerinnen, bemühen sich auch um einen hohen Anteil an Bio- und fair gehandelten Produkten.
Direktvermarktung ab Hof
Gab es im Jahr 1955 schon landwirtschaftliche Biobetriebe? Ja, einen davon in Stuttgart-Möhringen. Dort führt Herr Simpendörfer inmitten des alten Ortskernes einen Demeterhof mit Hofladen. „Wir wollen unsere bäuerliche Arbeit der Bevölkerung vermitteln“. Dazu bekommt er häufig Besuch von Kitas und Schulen. Und er hat regelmäßig Praktikanten von Waldorfschulen. Die nimmt er aber nur, wenn die Schulen mindestens 50 Kilometer entfernt liegen und während der Praktika bei seiner Familie wohnen: „Die Schüler sollen sich voll auf die Arbeit einlassen“. Erzeugt werden Milch und Rindfleisch, Joghurt, Eis, Kartoffeln und 30 Gemüsesorten. Drei Viertel wird über den Hofladen verkauft. Probleme bereitet dem Biolandbau der zunehmende Maisanbau für die Biogasanlagen, weil dadurch die Pachtpreise steigen.
Der Thementag klang für mich auf dem landwirtschaftlichen Hauptfest auf dem Cannstatter Wasen gemütlich aus.