Top-Thema Deutschland-Takt

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Übersicht

Den Kern des von der Initia­ti­ve „Deutsch­land-Takt“ erar­bei­ten Kon­zepts bil­det der soge­nann­te „Inte­gra­le Takt­fahr­plan“. Des­sen Grund­ge­dan­ke ist, ein Ver­kehrs­sys­tem nicht nur durch schnel­le Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Metro­po­len „schnell“ zu machen, son­dern im Beson­de­ren auch durch das Redu­zie­ren der War­te­zei­ten beim Umsteigen.[i]

Ein Takt­fahr­plan ist dabei grund­sätz­lich dadurch gekenn­zeich­net, dass alle Fahr­ten einer ver­tak­te­ten Linie den Tag über im glei­chen Rhyth­mus ver­keh­ren. Zwi­schen zwei Fahr­ten der glei­chen Linie und der glei­chen Rich­tung liegt dabei also immer die glei­che Takt­zeit.[ii] Übli­che Takt­zei­ten im Fern- und Regio­nal­ver­kehr sind dabei 30, 60 oder 120 Minu­ten.

Liegt für jede ein­zel­ne Linie für sich genom­men ein Takt­fahr­plan vor (so wie dies heu­te im Regio­nal- und Fern­ver­kehr auf nahe­zu allen Linie der Fall ist), bedeu­tet dies aber noch nicht, dass zwi­schen den ein­zel­nen Lini­en in den Bahn­hö­fen auch güns­ti­ge Umstei­ge-bezie­hun­gen bestehen. Hier kommt der Inte­gra­le Takt­fahr­plan ins Spiel. Wer­den die Tak­te inner­halb der ein­zel­nen Lini­en so mit­ein­an­der ver­knüpft, dass die Züge aller Lini­en zur sel­ben Zeit auf einen Bahn­hof zulau­fen und dann alle gleich­zei­tig im Bahn­hof ste­hen (Ren­dez­vous-Prin­zip), ent­steht ein Inte­gra­ler Takt­fahr­plan (ITF) an die­sem Bahn­hof. Die Rei­sen­den kön­nen nun nahe­zu ohne Umstei­ge­war­te­zeit in ihre Anschluss­zü­ge umstei­gen. Sind die Rei­sen­den umge­stie­gen, ver­las­sen alle Züge den Bahn­hof wieder.[iii] Ein Bahn­hof, in dem die­ses Fahr­plan­kon­zept umge­setzt wird, heißt dann ITF-Kno­ten, und der Zeit­punkt, in dem alle Züge in die­sem ITF-Kno­ten ste­hen, wird als Sys­tem­zeit des ITF an die­sem Kno­ten bezeich­net. Im Inter­es­se der Kun­den­freund­lich­keit wird als Sys­tem­zeit vor­zugs­wei­se die vol­le oder die hal­be Stun­de gewählt (Österreich/Schweiz: Minu­ten 28 und 58)

Das fol­gen­de Bild zeigt den ITF am Bei­spiel der Hal­te­stel­le „Fil­der­stadt Bahn­hof“. Die Bus- und Zug­fahr­plä­ne wur­den dabei so abge­stimmt, dass in jeder Stun­de zur Minu­te 0 und zur Minu­te 30 alle Umstei­ge­be­zie­hun­gen mit mini­ma­ler War­te­zeit für die Rei­sen­den erreicht wer­den.

Abbil­dung 1: Der ITF an der Sta­ti­on „Fil­der­stadt Bahn­hof“ (eige­ne Dar­stel­lung, Daten­quel­le: VVS)

Sehr vor­teil­haft für die Rei­sen­den wird der ITF beson­ders dann, wenn man ihn an mög­lichst vie­len Kno­ten umsetzt. Um dies jedoch zu ermög­li­chen, müs­sen die Fahr­zei­ten zwi­schen den ein­zel­nen ITF-Kno­ten ganz bestimm­te Wer­te anneh­men. Gelingt eine ent­spre­chen­de Anpas­sung der Fahr­zei­ten nicht, müs­sen die „zu schnel­len“ Lini­en in den ITF-Kno­ten auf die „zu lang­sa­men“ war­ten. Die dabei ent­ste­hen­de – und ohne einen ITF unnö­ti­ge – War­te­zeit, bezeich­net man als Syn­chro­ni­sa­ti­ons­szeit.[iv] Bei man­gel­haf­ter Anpas­sung wer­den die­se Syn­chro­ni­sa­ti­ons­zei­ten immer grö­ßer, je mehr ITF-Kno­ten in das Sys­tem auf­ge­nom­men wer­den.

Idea­ler­wei­se gilt die Sys­tem­zeit an einem ITF-Kno­ten für alle dort ver­keh­ren­den öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel: Fern­ver­kehr, Nah­ver­kehr, Bus­se, Schif­fe etc. Für Ver­kehrs­mit­tel, die all­ge­mein mit sehr kur­zen Takt­zei­ten ver­keh­ren (z.B. U‑Bahnen, S‑Bahnen), ist eine Ein­be­zie­hung in den ITF jedoch meist nicht sinn­voll, da die Qua­li­täts­stei­ge­rung für die Rei­sen­den gering ist.[v]

Man kann den ITF an den Kno­ten auch nur für ein­zel­ne Ver­kehrs­an­ge­bo­te umsetz­ten. So zum Bei­spiel nur für den Nah­ver­kehr – der Fern­ver­kehr erreicht den Kno­ten dann nicht zur Sys­tem­zeit.

Anforderungen des ITF an die Strecken – und passende Maßnahmen

Die Fahr­zeit zwi­schen zwei ITF-Kno­ten bezeich­net man als Kan­ten­zeit. Sie setzt sich aus der rei­nen Fahr­zeit zwi­schen den Kno­ten samt Puf­fer­zei­ten und Zuschlä­gen, den Hal­te­zei­ten in (nicht-ITF) Zwi­schen­bahn­hö­fen und der jewei­li­gen hal­ben Hal­te­zeit in den bei­den angren­zen­den ITF-Kno­ten zusammen.[vi]

Für die­se Kan­ten­zeit – und damit die Fahr­zeit auf den jewei­li­gen Stre­cken – erge­ben sich zwei Grund­be­din­gun­gen um einen idea­len ITF mathe­ma­tisch mög­lich zu machen[vii] [viii]:

  • Die Kan­ten­zeit einer Linie zwi­schen zwei ITF-Kno­ten muss immer der hal­ben oder einem Viel­fa­chen der hal­ben Takt­zeit ent­spre­chen, denn nur zu die­sen Zeit­punk­ten kön­nen sich die Züge einer Linie (Hin- und Rück­rich­tung) gleich­zei­tig tref­fen.
  • Ein im ITF-Netz im Kreis fah­ren­der Zug darf nur nach Ablauf eines Viel­fa­chen der Takt­zeit sei­nen Aus­gangs­bahn­hof wie­der errei­chen. Dies muss für alle theo­re­tisch im Netz mög­li­chen Krei­se gel­ten.

Erfül­len die Kan­ten­zei­ten auf ein­zel­nen Stre­cken jedoch nicht die­se Bedin­gun­gen, so ste­hen fol­gen­de Mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung:

  • Ertüch­ti­gung der „zu lang­sa­men“ Stre­cken[ix]
    • Aus­las­sen von Zwi­schen­hal­ten
    • Ver­kür­zung der Hal­te­zei­ten in Zwi­schen­hal­ten (niveau­glei­cher Ein­stieg, zügi­ges Abfer­ti­gungs­ver­fah­ren, gro­ße Brei­te sowie Anzahl und Anord­nung der Türen, Wege­lei­tung am Bahn­steig)
    • Ein­satz von Fahr­zeu­gen mit höhe­rer Höchst­ge­schwin­dig­keit
    • Bei vie­len Zwi­schen­hal­ten: Ein­satz von Fahr­zeu­gen mit bes­se­rem Beschleu­ni­gungs- und Brems­ver­hal­ten
    • Kur­ven­rei­che Stre­cken: Ein­satz von Nei­ge­tech­nik
    • Aus­bau der Stre­cken­in­fra­struk­tur für höhe­re Geschwin­dig­keit

 

  • Ver­län­ge­rung der Fahr­zeit auf den „zu schnel­len“ Stre­cken [x] (Anm.: es gilt beim ITF gene­rell nicht mehr „so schnell wie mög­lich“, son­dern „so schnell wie nötig“)
    • Lang­sa­mer fah­ren (kann zu Ener­gie­ein­spa­rung füh­ren und wird bis zu einem bestimm­ten Grad von Rei­sen­den kaum nega­tiv bewer­tet)
    • Ein­fü­gen von Zwi­schen­hal­ten
    • Ver­län­ge­rung der Hal­te­zei­ten in Hal­ten zwi­schen den ITF-Kno­ten (stark nega­tiv bewer­tet)
  • man lässt die Züge von „zu schnel­len“ Stre­cken in den ITF-Kno­ten auf die Ankunft der „zu lang­sa­men“ war­ten. Dies führt zu Unmut bei Durch­rei­sen­den, schafft jedoch Puf­fer­zeit, die sich bei Stö­run­gen als hilf­reich erwei­sen kann.[xi]

Sind sol­che Anpas­sung jedoch auch nicht mög­lich, so müs­sen betrof­fe­ne ITF-Kno­ten oder Kan­ten aus dem Sys­tem ent­fernt wer­den. Man kann sich dann jedoch immer noch bemü­hen, mög­lichst gute Anschlüs­se für die Rela­tio­nen mit star­ken Umstei­ge­strö­men in den betrof­fe­nen Kno­ten zu ermög­li­chen – soge­nann­te Rich­tungs­an­schlüs­se.[xii]

Fazit: Beim ITF muss sich also im Gegen­satz zur kon­ven­tio­nel­len Fahr­plan­er­stel­lung die Infra­struk­tur an den Fahr­plan anpas­sen.

 

Anforderungen des ITF an die Bahnhöfe – und passende Maßnahmen

Sol­len alle an einem ITF-Kno­ten ver­keh­ren­den Lini­en in den ITF ein­be­zo­gen wer­den, so müs­sen zwangs­läu­fig so vie­le Bahn­steig­glei­se vor­han­den sein, wie Züge auf den Kno­ten zulau­fen[xiii] (Züge aus Hin- und Rück­rich­tung aller Lini­en müs­sen zur glei­chen Zeit im Bahn­hof ste­hen kön­nen). Soll­te dies nicht mög­lich sein, so ist eine Dop­pel­be­le­gung von Bahn­steig­glei­sen – wenn betrieb­lich zuläs­sig – zu überlegen.[xiv] Dies ist beson­ders bei im ITF-Kno­ten wen­den­den Zügen sinn­voll, schränkt aller­dings die Fle­xi­bi­li­tät im Stö­rungs­fall wei­ter ein.

Wei­ter­hin müs­sen kurz vor der Sys­tem­zeit alle Züge in den Bahn­hof ein­lau­fen und nach der Sys­tem­zeit wie­der aus­lau­fen kön­nen. Hier­bei ist im Sin­ne des ITF anzu­stre­ben, dass die Ankünf­te und Abfahr­ten so nah wie mög­lich an der Sys­tem­zeit lie­gen, da ansons­ten wie­der Umstei­ge­war­te­zei­ten auf­tre­ten. Folg­lich müs­sen die Fahr­stra­ßen im Bahn­hof so umge­setzt wer­den, dass mög­lichst vie­le Züge gleich­zei­tig und behin­de­rungs­frei ein- und aus­fah­ren kön­nen. Dazu sind neben bau­li­chen Maß­nah­men auch siche­rungs­tech­ni­sche Maß­nah­men zur Redu­zie­rung der Fahr­stra­ßen­aus­schluss­zeit mög­lich (die Zeit, in der sich zwei Fahr­stra­ßen gegen­sei­tig blo­ckie­ren, wird also z.B. durch höhe­re Aus­fahr­ge­schwin­dig­kei­ten ver­rin­gert).

Aus betrieb­li­chen Grün­den soll­ten unver­meid­ba­re Fahr­stra­ßen­kreu­zun­gen immer in den Bereich der Aus­fahr­ten ver­legt werden.[xv] So kann der betrof­fe­ne Zug am Bahn­steig auf die Aus­fahrt war­ten, anstatt auf der frei­en Stre­cke auf die Ein­fahrt zu war­ten. Dies offen­bart sich dem Rei­sen­den dann als zusätz­li­che Umstei­ge­zeit und dient zudem als Puf­fer bei Stö­run­gen. Wei­ter­hin sind Hal­te auf frei­er Stre­cke auf­grund von Sicher­heits­be­stim­mun­gen grund­sätz­lich zu ver­mei­den.

Neben die­sen betrieb­li­chen Punk­ten, ist auch die Bahn­strom­ver­sor­gung des Bahn­ho­fes evtl. anzu­pas­sen, da kurz nach der Sym­me­trie­zeit vie­le Züge gleich­zei­tig mit Voll­last anfahren.[xvi] Zudem muss sicher­ge­stellt wer­den, dass wäh­rend der kur­zen Hal­te­zei­ten in den ITF-Kno­ten die nöti­gen Ser­vice­leis­tun­gen an den Fahr­zeu­gen mög­lich sind (Per­so­nal­wech­sel, Betan­ken von die­sel­be­trie­be­nen Zügen, Rei­ni­gung, Belie­fe­rung von Bord­re­stau­rants, Lee­ren von Toi­let­ten). Hier­für ist bei einem ITF-Kno­ten mehr Per­so­nal vor­zu­hal­ten, als üblich.

Wei­ter­hin sind im Inter­es­se kur­zer Hal­te­zei­ten der Züge im Bahn­hof kur­ze Wege­zei­ten im Bahn­hof und zum ÖPNV anzustreben.[xvii] Dazu die­nen neben kur­zen Wegen eine gute Wege­lei­tung und Ein­rich­tun­gen für mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Rei­sen­den. Unbe­dingt ist auch zu beach­ten, dass der Bahn­hof in nur sehr kur­zer Zeit ein erheb­li­ches Auf­kom­men an Rei­sen­den zu bewäl­ti­gen hat. Daher sind Bahn­stei­ge und Wege breit anzu­le­gen und zudem die Ver­füg­bar­keit von Ser­vices für Roll­stuhl­fah­rer zu gewähr­leis­ten (aus­rei­chend vie­le Auf­zü­ge, bes­ser Ram­pen). Zudem ist auf­grund der Kon­zen­tra­ti­on der Zug­fahr­ten mehr Ser­vice- und Schal­ter­per­so­nal nötig.

Beson­de­res geeig­net als ITF-Kno­ten sind Sta­tio­nen mit star­ken, aus­ge­wo­ge­nen Umsteig­strö­men, die denen der durch­fah­ren­den Fahr­gäs­te entsprechen.[xviii] Domi­nie­ren nur ein­zel­ne Umstei­ge­re­la­tio­nen, lässt sich für den Groß­teil der Fahr­gäs­te auch ohne ITF eine gute Umstei­ge­mög­lich­keit erreichen.[xix]

Alte Kopf­bahn­hö­fe eig­nen sich oft­mals sehr gut für die Umset­zung eines ITF. Zum einen ver­fü­gen sie meist von vorn­her­ein über eine aus­rei­chen­de Anzahl an Bahn­steig­glei­sen. Zum ande­ren haben durch­fah­ren­de Fahr­gäs­te bei Kopf­bahn­hö­fen eine grö­ße­re Akzep­tanz für die län­ge­re Hal­te­zeit als bei Durchgangsbahnhöfen.[xx]

 

Vorteile eines ITF-Fahrplankonzepts

  • Kür­ze­re Rei­se­zei­ten für Rei­sen­de mit Umstei­ge­be­zie­hun­gen in ihrer Rei­se­ket­te
  • ein­fach zu mer­ken­des Ange­bot für die Rei­sen­den – man kann im Ide­al­fall völ­lig ohne Fahr­plan und vor­he­ri­ge Infor­ma­ti­on rei­sen. Dar­aus resul­tiert erheb­li­cher Abbau von Zugangs­hür­den: man muss nur die Sys­tem­zeit „sei­nes“ Kno­tens ken­nen, was gera­de für die Grup­pe der Kun­den, die nicht immer zur glei­chen Zeit ihren Kno­ten errei­chen, einen Vor­teil darstellt.[xxi]
  • Psy­cho­lo­gi­scher Nut­zen: Durch die sehr kur­zen War­te­zei­ten beim Umstei­gen haben die Rei­sen­den das Gefühl, dass sie zügig und gut orga­ni­siert unter­wegs sind.21
  • Bes­se­re Anbin­dung peri­phe­rer Regio­nen an den schnel­len Schie­nen­ver­kehr, da auch für Rei­sen­de an Start­bahn­hö­fen ohne Fern­ver­kehrs­an­bin­dung durch die kur­zen Umstei­ge­zei­ten an den Kno­ten der Schie­nen­fern­ver­kehr attrak­ti­ver wird. Dadurch wir eine Erschlie­ßung neu­er Kun­den­krei­se mög­lich. 21
  • Güns­ti­ge­re Bus­er­schlie­ßung der Bahn­hö­fe: die regio­na­len Zubrin­ger­bus­se und ‑bah­nen zu den ITF-Kno­ten müs­sen die­se nur noch zur ITF-Sys­tem­zeit (i.d.R. ein­mal in der Stun­de) anfah­ren. 21
  • Über­schau­bar­keit und Regel­mä­ßig­keit der Fahr­plan­kon­struk­ti­on (hat man den Fahr­plan für eine Stun­de erstellt, muss man ihn nur noch für die ande­ren Stun­den „kopie­ren“).
  • Meist bes­se­res Ange­bot in Schwach­last­zei­ten, da man ver­sucht, das ITF-Prin­zip mög­lichst den gan­zen Tag über anzu­bie­ten
  • Hohe Effi­zi­enz hin­sicht­lich der Fahr­zeug- und Per­so­nal­um­lauf­pla­nung durch die Sym­me­trie. 21
  • Zwang zur ratio­na­le­ren Infra­struk­tur­pla­nung: der ITF ori­en­tiert sich am betrieb­li­chen Opti­mum („mög­lich vie­le Rei­sen­den haben mög­lichst kur­ze Rei­se­zei­ten“). Aus den Anfor­de­run­gen des ITF kann man einen ein­deu­ti­gen Maß­nah­men­ka­ta­log ablei­ten und so unko­or­di­nier­te Bau­maß­nah­men ver­mei­den.21 Es gilt beim ITF die Maxi­me: „die Infra­struk­tur passt sich an den gewünsch­ten Fahr­plan an“ und nicht mehr wie kon­ven­tio­nell „der Fahr­plan passt sich an die Infra­struk­tur an“. Auch wenn man auch bis­her – wie gesetz­lich vor­ge­schrie­ben – bei Infra­struk­tur­bau­maß­nah­men die Netz­wir­kung berück­sich­tigt hat, so kann der ITF eine „Spa­ten­stich­po­li­tik“ womög­lich ein­däm­men.
  • Vor­teil bei Stö­run­gen: man kann „Mus­ter­lö­sun­gen“ für bestimm­te Stör­fäl­le ent­wi­ckeln, da die Fahr­plä­ne jede Stun­de wei­test­ge­hend gleich sind. Zudem erleich­tert dies dem Per­so­nal den Erfah­rungs­auf­bau hin­sicht­lich der Bewäl­ti­gung von Stö­run­gen („was um 15 Uhr als Maß­nah­me gut geklappt hat, funk­tio­niert auch um 19 Uhr wie­der“). Dies gilt aber auch für „kon­ven­tio­nel­le“ Takt­fahr­plä­ne.
  • Finan­zie­rung und Umset­zung wird durch kla­re, leicht dar­zu­stel­len­de Stra­te­gie des ITF ein­fa­cher, da der Nut­zen ein­zel­nen von Bau­maß­nah­me gegen­über Bür­gern und Ent­schei­dungs­trä­gern leich­ter ver­mit­telt wer­den kann.[xxii]

 

Nachteile eines ITF-Fahrplankonzepts

  • falls es nicht gelingt Syn­chro­ni­sa­ti­ons­war­te­zei­ten zu ver­mei­den: län­ge­re Rei­se­zeit für Rei­sen­de ohne Umstei­ge­be­zie­hun­gen in ihrer Rei­se­ket­te
  • Ver­hin­de­rung von Schritt­in­no­va­tio­nen: beson­ders wenn gro­ße und lang­fris­ti­ge Infra­struk­tur­aus­ga­ben für die Umset­zung des ITF getä­tigt wur­den, ist es unwahr­schein­lich, dass man die­se vor Ablauf ihrer Abschrei­bungs­zeit beim Auf­tau­chen neu­er Inno­va­tio­nen (schnel­le­re Züge, bes­se­re Betriebs­ver­fah­ren) wie­der „umwirft“, auch wenn dadurch eigent­lich ein gro­ßer Nut­zen für das Sys­tem zu errei­chen wäre. Es erfolgt ein „Zemen­tie­ren eines Fahr­plan­kon­zepts für meh­re­re Jahrzehnte“[xxiii]
  • Eini­ge Autoren schla­gen sogar vor, die Sied­lungs­struk­tur sei zukünf­tig an den ITF anzupassen[xxiv] – hier­bei zeigt sich die­ses Dilem­ma wohl beson­ders deut­lich.
  • Anpassung/Optimierung ein­zel­ner Stre­cken sind nicht ein­fach mög­lich, da dies Aus­wir­kung auf alle ande­ren Stre­cken hät­te
  • star­re (kaum ver­än­der­ba­re) Fahr­pl­an­la­gen der Tak­te: z.B. Anpas­sung an lang­fris­tig ver­än­der­te Nach­fra­ge (Werks­schlie­ßun­gen, demo­gra­phi­scher Wan­del) schwierig[xxv]
  • schwie­ri­ge Anpas­sung von nicht ver­tak­te­ten Zügen (z.B. Güter- oder HVZ-Ver­stär­ker­zü­ge, Schü­ler­ver­keh­re, Son­der­zü­ge) an das Fahr­plan­ge­fü­ge
  • teil­wei­se erheb­lich höhe­rer Infra­struk­tur­auf­wand, da Belas­tung der Kno­ten zur Sys­tem­zeit sehr hoch à gro­ße Bau­maß­nah­men in (!) den Städ­ten
  • Aus­las­tungs­lü­cken auf den Stre­cken und den Kno­ten: da die Züge alle zur Sys­tem­zeit in den Kno­ten sein müs­sen ergibt sich sowohl für Stre­cken als auch für die Kno­ten eine inef­fi­zi­en­te Aus­las­tung hin­sicht­lich Infra­struk­tur und Per­so­nal. Die Belas­tun­gen für das Per­so­nal (Fahr­dienst­lei­ter, Ser­vice­per­so­nal, Schal­ter­per­so­nal) ist zur Sys­tem­zeit sehr hoch, sonst eher gering. [xxvi]
  • hohe Anfor­de­run­gen an die Bahn­strom­ver­sor­gung der ITF-Kno­ten: bei Abfahrt aller Züge zur Sys­tem­zeit muss kurz­zei­tig ein hoher Spit­zen­be­darf zur Ver­fü­gung stehen[xxvii]
  • Die kur­zen Umstei­ge­zei­ten bedeu­ten eine Stress­be­las­tung für mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Men­schen (beleg­te Auf­zü­ge!) und mit dem Sys­tem Bahn unver­trau­te Men­schen
  • Höhe­re Ver­spä­tungs­an­fäl­lig­keit: durch die Aus­las­tungs­spit­zen zur Sys­tem­zeit in den Kno­ten, die kur­zen Halt­zei­ten und das Fah­ren mit der Min­dest­zug­fol­ge­zeit beim Aus­fah­ren aus Kno­ten wer­den Fol­ge­ver­spä­tun­gen schnell im Netz aus­ge­brei­tet. Des­halb sind mehr Puf­fer­zei­ten vor­zu­se­hen, was jedoch die Effi­zi­enz senkt und die Reis­zei­ten ver­län­gert.25
  • Durch die stren­gen Restrik­tio­nen des ITF-Sys­tems gel­ten für zwei­glei­si­ge Stre­cken zwi­schen zwei Kno­ten aus fahr­plan­tech­ni­scher Sicht nahe­zu die­sel­ben Bedin­gun­gen wie wenn dort eine ein­glei­si­ge Stre­cke vor­lie­gen wür­de – mit allen Kon­se­quen­zen für den täg­li­chen Betrieb und die lang­fris­ti­ge Flexibilität.[xxviii]

In Deutschland umgesetzte Taktverkehre

Der Fern­ver­kehr in Deutsch­land wird heu­te nahe­zu über­all ver­tak­tet ange­bo­ten, wäh­rend der Nah­ver­kehr inner­halb der Bun­des­län­der sogar wei­test­ge­hend als ITF orga­ni­siert ist. Die Ein­bin­dung des Fern­ver­kehrs in den ITF des Nah­ver­kehrs fehlt aber oft­mals.

Vor­rei­ter bezüg­lich ITF im Nah­ver­kehr waren in Deutsch­land die Bun­des­län­der Baden-Würt­tem­berg, Bay­ern und Rhein­land-Pfalz. Man kon­zen­trier­te sich hier­bei zunächst auf die ganz­tä­gi­ge Ver­tak­tung der Lini­en und ver­knüpf­te sie zudem im Sin­ne des ITF-Kon­zepts in aus­ge­wähl­ten Kno­ten. Hier­zu wur­den teil­wei­se infra­struk­tur­sei­ti­ge Beschleu­ni­gungs­maß­nah­men ergrif­fen, meist jedoch fahr­zeug­sei­ti­ge. Zudem wur­den z.B. in Rhein­land-Pfalz still­ge­leg­te Stre­cke reak­ti­viert und Takt­fre­quen­zen deut­lich erhöht (Ange­bots­aus­wei­tung in Rhein­land-Pfalz: 37%). Auch der regio­na­le ÖPNV mit Bus­sen wur­de, wo mög­lich, in den ITF inte­griert. Eine Inte­gra­ti­on des Fern­ver­kehrs gelang aber nur in weni­gen Fäl­len. Zudem wur­den die IRE-Leis­tun­gen oft­mals eher als Anschluss an den Fern­ver­kehr in den Fahr­plan ein­ge­legt. Eine wich­ti­ge Rol­le spiel­te auch die offen­si­ve Ver­mark­tung der neu­en Ange­bo­te („Rhein­land-Pfalz-Takt“, „Drei-Löwen-Takt“) und ein wei­te­rer Abbau von Zugangs­hür­den, durch ver­ein­fach­te Ticket­an­ge­bo­te (Ländertickets).[xxix]

 

Das ITF-System in der Schweiz

In der Schweiz exis­tiert seit 1982 ein Takt­fahr­plan mit zunächst ein­zel­nen ITF-Kno­ten. In meh­re­ren Pha­sen wur­de dann im Rah­men des Pro­gramms Bahn 2000 der ITF auf immer wei­te­re Tei­le des Net­zes aus­ge­wei­tet, indem suk­zes­si­ve auf den ein­zel­nen Kan­ten die benö­tig­ten Kan­ten­fahr­zei­ten ange­passt wur­den. Hier­zu nutz­te man neben Infra­struk­tur­aus­bau auch Anpas­sun­gen der Siche­rungs­tech­nik und Nei­ge­tech­nik­fahr­zeu­ge. Stu­fen­wei­se wur­den immer mehr Bahn­hö­fe in das ITF-Sys­tem auf­ge­nom­men und der Fahr­plan wei­ter ver­fei­nert, wobei man sich stets an ein früh fest­ge­leg­tes Aus­bau­kon­zept hielt, jedoch den­noch auf Inno­va­tio­nen reagier­te. Neben der SBB und ein­zel­ner Pri­vat­bah­nen, wur­den auch wei­te­re Trans­port­un­ter­neh­men und die Post­bus­se in den ITF inte­griert.

Zwi­schen 1982 und 2004 konn­ten so das Ange­bot wie auch die Nach­fra­ge um ca. 60% gestei­gert wer­den. Da der ITF aller­dings mit­un­ter auch zu einer Effi­zi­enz­stei­ge­rung führ­te wur­de trotz des Mehr­auf­wands eine Erlös­stei­ge­rung von 72% erreicht. Aller­dings muss erwähnt wer­den, dass neben dem ITF hier­zu wohl auch ein umfas­sen­des Reno­vie­rungs­pro­gramm für die Bahn­hö­fe sowie die Ein­füh­rung attrak­ti­ver Fahr­kar­ten­an­ge­bo­te (Gene­ral­abon­ne­ment) bei­getra­gen haben.[xxx]

 

[i] Initia­ti­ve Deutsch­land-Takt (2012): Deutsch­land-Takt. Ren­dez­vous im Bahn­hof. S.1.

[ii] Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54, S. 690.

[iii] Weis, P. (2006): Inte­grier­ter Stun­den­takt für das süd­öst­li­che Mit­tel­eu­ro­pa. Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 55, S. 23.

[iv] Pachl, J. (2013): Sys­tem­tech­nik des Schie­nen­ver­kehrs. Wies­ba­den. S. 232.

[v] For­schungs­ge­sell­schaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S.5, S.20.

[vi] Weis, P. (2006): Inte­grier­ter Stun­den­takt für das süd­öst­li­che Mit­tel­eu­ro­pa. Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 55, S. 23.

[vii] Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54, S. 696.

[viii]Lichtenegger, M. (1991): Der inte­grier­te Takt­fahr­plan? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 40. S.172.

[ix] For­schungs­ge­sell­schaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S. 12.

[x] For­schungs­ge­sell­schaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S. 12.

[xi] Pachl, J. (2013): Sys­tem­tech­nik des Schie­nen­ver­kehrs. Wies­ba­den. S. 232.

[xii] For­schungs­ge­sell­schaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S. 15.

[xiii]Weis, P. (2006): Inte­grier­ter Stun­den­takt für das süd­öst­li­che Mit­tel­eu­ro­pa. Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 55. S.24.

[xiv] Pachl, J. (2013): Sys­tem­tech­nik des Schie­nen­ver­kehrs. Wies­ba­den. S.232.

[xv] Pachl, J. (2013): Sys­tem­tech­nik des Schie­nen­ver­kehrs. Wies­ba­den. S.233.

[xvi] Weis, P. (2006): Inte­grier­ter Stun­den­takt für das süd­öst­li­che Mit­tel­eu­ro­pa. Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 55. S.24.

[xvii]Forschungsgesellschaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S.13f.

[xviii] Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54. S.700.

[xix] For­schungs­ge­sell­schaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S. 20.

[xx] Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54. S.700.

[xxi] Weis, P. (2006): Inte­grier­ter Stun­den­takt für das süd­öst­li­che Mit­tel­eu­ro­pa. Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 55. S. 24.

[xxii] Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54. S.699.

[xxiii] Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54. S. 699f.

[xxiv] For­schungs­ge­sell­schaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S.10.

[xxv] Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54. S.700.

[xxvi] Pachl, J. (2013): Sys­tem­tech­nik des Schie­nen­ver­kehrs. Wies­ba­den. S.232, vgl. Lieb­chen, C. (2005): Fahr­plan­op­ti­mie­rung im Per­so­nen­ver­kehr-muss es immer ITF sein? Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 54. S.700.

[xxvii] Weis, P. (2006): Inte­grier­ter Stun­den­takt für das süd­öst­li­che Mit­tel­eu­ro­pa. Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 55. S.24.

[xxviii] Pachl, J. (2013): Sys­tem­tech­nik des Schie­nen­ver­kehrs. Wies­ba­den. S.231.

[xxix] For­schungs­ge­sell­schaft für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen (2001): Merk­blatt zum Interg­ra­len Takt­fahr­plan. Köln. S. 31f.

[xxx] Weis, P. (2006): Inte­grier­ter Stun­den­takt für das süd­öst­li­che Mit­tel­eu­ro­pa. Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau. Bd. 55, S. 29f.