Die Tunnelidee kostet Zeit und wirft Fragen auf
Statt dass es beim Ausbau der Gäubahn mal endlich vorangeht, bremst das Bundesverkehrsministerium mit mehr als fragwürdigen neuen Planungsideen den Ausbau aus. So ist ein elf Kilometer langer Tunnel an den Flughafen vorgesehen. Mit allerlei Tricksereien wurde das Projekt künstlich und zu Lasten von Steuerzahlenden und Reisenden wirtschaftlich gerechnet.
Die nachfolgenden Informationen entstammen meiner Antwort auf eine Presseanfrage und wurden für diesen Beitrag überarbeitet und um weitere Informationen und Einschätzungen ergänzt.
Was spricht aus Ihrer Sicht für, was gegen den Gäubahntunnel?
Der Nutzen des Gäubahntunnels an den Flughafen ist höchst fraglich. Hier wird ein Tunnel angedacht, der im Vergleich zu anderen Ausbaumaßnahmen entlang der Gäubahnstrecke keinen wirklichen Nutzen erbringt. Aus unserer Sicht ist die Flughafenanbindung nicht zwingend erforderlich und rechtfertigt schon gar keine Milliardeninvestition. Am Regionalbahnsteig in Stuttgart-Vaihingen lässt es sich gut von den Gäubahnzügen in die S‑Bahnen an den Flughafen umsteigen. Völlig widersinnig ist, die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Singen mit aller Gewalt um 20 Minuten verkürzen zu wollen. Selbst die von der Bundesregierung beauftragten Gutachter sagen, dass eine Fahrzeitverkürzung um 11 Minuten ausreicht, um die Anschlüsse der Reisenden in Stuttgart und Zürich zu sichern.[1] Genau dies ist der Grundgedanke des Deutschlandtaktes und Maßstab aller Infrastrukturplanungen.
Die Bundesregierung will aber unbedingt ihren Tunnel an den Flughafen haben. Weil dieser das Gesamtprojekt des Gäubahnausbaus unwirtschaftlich macht, lässt man die Halte der Gäubahnzüge in Böblingen und Singen (Hohentwiel) entfallen. Dadurch verkürzt sich die Reisezeit und im Rechenmodell zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit steigt der Nutzen über die Kosten. Diese Trickserei der Bundesregierung geht zulasten der Steuerzahlenden und der Reisenden. Hinzu kommt, dass Güterzüge angenommen wurden, für die es keinen realistischen Hintergrund gibt (Anfragen an die Bundesregierung laufen).
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass eine Bahnbrücke über den Neckar (Horb – Sulz) nur eingleisig gebaut werden soll?
Die Gäubahn war in ihrer langen Geschichte bereits zweigleisig ausgebaut. Wer Verkehrswende ernst meint und wirklich Verkehr – insbesondere den Güterverkehr – auf die Bahn verlagern will, der braucht eine leistungsfähige Infrastruktur. Anstatt das Geld also in einen elf Kilometer langen Tunnel zu investieren, sollte das Geld besser für einen Ausbau der Kapazität auf der Gäubahn investiert werden. Spätestens seit der Sperrung der Rheintalbahn ist zudem klar, dass die Gäubahn auch für den Güterverkehr eine wichtige Rolle spielt. Insbesondere ärgerlich ist, dass das veröffentlichte Gutachten zu der Gäubahn bereits neue Engpässe aufweist (vgl. dazu S. 17). Zukunftsfähige Infrastruktur muss Kapazitäten für weitere Verkehre haben und nicht auf Kante genäht sein.
Der Stuttgarter OB Nopper und der VCD haben einen öffentlichen Gäubahn-Gipfel angeregt. Was halten Sie von dieser Idee? Was kann ein solcher Gipfel leisten, was nicht?
Ein Gipfel kann nur dann Sinn machen, wenn das für die Strecke verantwortliche Bundesverkehrsministerium sich dazu bereit erklärt und die Vorgehensweise der Gutachter offenlegt. Das kann Oberbürgermeister Nopper gerne mit seinen Parteifreunden klären. Dann könnten Sie auch besprechen, ob es wirklich zu rechtfertigen ist, die Gäubahn in einem „Interimszustand“ von mehreren Jahren einfach von Stuttgart abzuhängen. Es hätte hierzu Lösungen gegeben, der Vorschlag vom BMVI verschlimmbessert dies aber nur, obwohl die Zeit drängt. Daher muss jetzt eine zeitnahe Lösung gefunden werden. Ob diese von der CDU jedoch wirklich gewollt wird, kann bezweifelt werden. Die Veröffentlichung des Gutachtens zur Gäubahn sollte wohl dem Wahlkampf der CDU auf den letzten Metern ein wenig nachhelfen. Dass das nicht funktioniert hat, ist spätestens seit Sonntag offensichtlich. Jetzt ist die Zeit reif, sich endlich auf sinnvolle Lösungen zu verständigen, mit denen die Verkehrswende möglich ist.
Wir sind immer Gesprächsbereit. Dann haben wir aber auch unsere eigenen Themen, die besprochen werden müssen. Dazu gehört eine Ergänzungsstation am zukünftigen Hauptbahnhof. Es braucht Änderungen, um einen leistungs- und zukunftsfähigen Bahnknoten in Stuttgart zu schaffen.
Mein Fazit
Das Geld für den Bau eines Tunnels an den Flughafen wäre im Bau einer Ergänzungsstation am Hauptbahnhof und der Anbindung der „Panoramabahntrasse“ (Gäubahn) an den zukünftigen Stuttgarter Hauptbahnhof deutlich besser angelegt. Dies wäre ein echter Beitrag für einen leistungsfähigeren und damit zukunftsfähigeren Bahnknoten, der Entwicklungspotentiale aufweist statt schon mit dem Tag der Inbetriebnahme einen Engpass darzustellen.
[1] Ich habe die Bundesregierung mehrfach auf diesen Widerspruch angesprochen und gefragt, weshalb man mit Milliardenaufwand eine Fahrzeitverkürzung um 20 Minuten erreichen möchte, wenn 11 Minuten für die Anschlusssicherung ausreichen. Meine jüngste Frage: „Weshalb behauptet die Bundesregierung, die Fahrzeitverkürzung auf der Gäubahn um 11 Minuten beziehe sich nicht auf den dritten Zielfahrplan für den Deutschlandtakt?“ Antwort der Bundesregierung: „Dem dritten Gutachterentwurf des Zielfahrplans Deutschlandtakt liegt konventionelle Technik statt Neigetechnik zugrunde.“ (Frage und Antwort gekürzt, aber nicht sinnentstellend) Man sieht: Die Bundesregierung weicht aus, sie beantwortet die gestellte Frage nicht. Dagegen habe ich Beschwerde eingelegt. Im zweiten Teil der Antwort bestätigt sie aber, dass der Entfall der beiden Halte den rechnerischen Nutzen des Projektes erhöht: „Reisezeitverkürzungen erhöhen den Nutzenbeitrag.“