Unfallbilanz: Ziele definieren, Maßnahmen angehen!

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Rad im Straßenverkehr 3 19.08.2015

Das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt hat die Unfall­zah­len für das Jahr 2014 vor­ge­legt. Dem­nach star­ben im ver­gan­ge­nen Jahr bei Ver­kehrs­un­fäl­len in Deutsch­land 396 Men­schen, die auf dem Fahr­rad unter­wegs waren. Dar­un­ter waren 39 Benut­zer von Pedelecs. Wei­ter­hin wur­den bei Ver­kehrs­un­fäl­len 77.900 Fahr­rad­fah­rer ver­letzt. Damit waren 12% der bei Ver­kehrs­un­fäl­len Getö­te­ten und 20% der Ver­letz­ten als Rad­fah­rer unter­wegs. 58% der getö­te­ten Fahr­rad­be­nut­zer star­ben bei Unfäl­len inner­halb geschlos­se­ner Ort­schaf­ten, 42% außer­orts. Von den 396 getö­te­ten Fahr­rad­be­nut­zern waren 71% männ­lich und 29% weib­lich. Über die Hälf­te (57%) der getö­te­ten Rad­fah­rer waren min­des­tens 65 Jah­re alt. Soweit die Zah­len des ver­gan­ge­nen Jah­res.

Hier eini­ge Aspek­te zur Ein­ord­nung die­ser Zah­len:

  • Ins­ge­samt stieg die Zahl der Ver­kehrs­to­ten im Ver­gleich zum Vor­jahr um 1%, im Rad­ver­kehr aber um 12%. Ein Teil davon dürf­te sich durch die all­ge­mei­ne Zunah­me des Rad­ver­kehrs erklä­ren las­sen. Auf kei­nen Fall darf dies dazu füh­ren, dass man sich an stei­gen­de Zah­len von Unfall­to­ten im Rad­ver­kehr gewöhnt. Der Rad­ver­kehr muss siche­rer wer­den!
  • Nur 42% der Rad­fah­rer ver­schul­de­ten „ihren“ Unfall selbst. Dies macht deut­lich, dass für eine Ver­kehrs­si­cher­heits­stra­te­gie der gesam­te Ver­kehrs­raum mit allen Ver­kehrs­ar­ten betrach­tet wer­den muss.
  • Pedelecs und E‑Bikes fal­len mit einem Anteil von zehn Pro­zent in der Unfall­sta­tis­tik nicht beson­ders auf. Dies hat­ten bereits zuvor auch Gut­ach­ten fest­ge­stellt.

Ver­kehrs­to­te – ein ver­dräng­tes Pro­blem

Welt­weit ster­ben jähr­lich 1,4 Mil­lio­nen Men­schen im Stra­ßen­ver­kehr – mehr als durch Krieg und Ter­ror. In Deutsch­land ist die Zahl der Unfall­to­ten in den letz­ten Jahr­zehn­ten deut­lich gesun­ken. Sie ist aber mit 3.377 im Jahr 2014 noch immer inak­zep­ta­bel hoch. Und es wird kaum dar­über gere­det. Statt­des­sen wird die­ser Umstand weit­ge­hend ein­fach so hin­ge­nom­men. Wirk­sa­me Maß­nah­men – allen vor­an Absen­kun­gen der zuläs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­kei­ten – wer­den als Ein­grif­fe in die per­sön­li­che Frei­heit viel­fach abge­lehnt. Man stel­le sich vor: Jemand möch­te eine neue, Kom­fort und ande­re Annehm­lich­kei­ten ver­spre­chen­de Tech­no­lo­gie ein­füh­ren. Er preist die­se an, muss dann aber ein­räu­men, dass die Neben­wir­kun­gen die­ser Tech­no­lo­gie Jahr für Jahr eini­ge Tau­send Men­schen das Leben kos­ten wür­de. Ich ver­mu­te, dass die­je­ni­gen, die den hohen Preis nicht in Kauf zu neh­men bereit sind, schnell die Ober­hand gewin­nen. Im Stra­ßen­ver­kehr ist es anders. Man hat sich längst an die vie­len Opfer – Tote wie schwer Ver­wun­de­te mit blei­ben­den Schä­den – gewöhnt. Wir Grü­nen gehö­ren zu denen, die sich dar­an nicht gewöh­nen wol­len und kön­nen. Wir ver­fol­gen die „Visi­on Zero“, die Visi­on einer Mobi­li­täts­kul­tur, die kei­ne Toten kennt. In Schwe­den hat das Par­la­ment bereits vor Jah­ren beschlos­sen, die­se Visi­on zu ver­fol­gen. Und das Land im Nor­den setzt die­se Visi­on Schritt für Schritt um. Grund­la­ge sind wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se, die aus der inten­si­ven Aus­wer­tung eines jeden schwe­ren Unfal­les gewon­nen wer­den. Zwei Maß­nah­men, die in Deutsch­land, wenn sie gefor­dert wer­den, immer wie­der Empö­run­gen aus­lö­sen, sind strikt über­wach­te Tem­po­li­mits und die Bekämp­fung von Alko­hol im Stra­ßen­ver­kehr. Es geht aber auch dar­um, den Ver­kehrs­raum so zu gestal­ten, dass es zu mög­lichst weni­gen Unfäl­len kommt. Die Sta­tis­tik gibt den Schwe­den Recht: Auf 100.000 Ein­woh­ne­rIn­nen ver­un­glü­cken 2,8 Men­schen pro Jahr töd­lich. In Deutsch­land liegt die­ser Wert bei über vier Toten.

End­lich han­deln – Vor allem zum Schutz der Rad­fah­ren­den

Wir sind uns sicher: Mehr Rad­ver­kehr und den­noch weni­ger ver­un­glü­cken­de Rad­fah­ren­de ist mög­lich! Dazu for­dern wir kurz­fris­tig fol­gen­de zwei Maß­nah­men:

1. Den Kom­mu­nen soll das Recht ein­ge­räumt wer­den, inner­halb von bebau­ten Ort­schaf­ten auto­nom über die Aus­wei­sung von Tem­po 30 ent­schei­den zu dür­fen. Bis­lang sto­ßen sie damit häu­fig auf Gra­nit, wenn es sich um Lan­des- oder Bun­des­stra­ßen han­delt. Die Schwe­re von Unfall­fol­gen steigt aber bei Geschwin­dig­kei­ten jen­seits der 30 Stun­den­ki­lo­me­ter dra­ma­tisch an!

2. Dem Rad­ver­kehr muss im Ver­kehrs­raum mehr und siche­re­rer Platz ein­ge­räumt wer­den – und zwar ohne, dass es zu Kon­flik­ten mit Fuß­gän­ge­rin­nen und Fuß­gän­gern kommt. Auf stark befah­re­nen Stra­ßen braucht es aus­rei­chend brei­te, hin­der­nis­freie Spu­ren für den Rad­ver­kehr. Kopen­ha­gen macht dies vor.

Ein Indiz für attrak­ti­ve und vor allem siche­re Rad­we­ge und Rad­ver­kehrs­ver­bin­dun­gen stel­len übri­gens radeln­de Kin­der und älte­re Men­schen dar. Ich wün­sche mir vie­le Kin­der sowie Senio­rin­nen und Senio­ren, die in den Städ­ten wie auch in länd­lich gepräg­te Räu­men ger­ne und mit dem Gefühl, sicher unter­wegs zu sein, mit ihren Fahr­rä­dern die Stra­ßen bevöl­kern.