06.08.2018, ergänz am 18.08.2018
Totgesagte leben länger – und manchen wird es zu eng
1992 befand sie sich in einem erbärmlichen Zustand, wies pro gerade einmal noch 260.000 Jahresfahrgäste auf und sollte stillgelegt werden. Heute befördert die Usedomer Bäderbahn jährlich 3,6 Millionen Fahrgäste auf und über die Insel und sogar bis in den polnischen Teil der Urlaubsinsel.
Die Infrastruktur war zu DDR-Zeiten verrottet und ließ nur noch eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometer zu. Die Züge waren schrottreif. Auch nach der Wende sah es zunächst alles andere als positiv für die gute alte Bahn aus, man setzte auf den Straßenbau und das Auto als zentrales Verkehrsmittel. Wer mit der Bahn fuhr, musste ein Stück zu Fuß gehen, um vom Festland auf die Insel oder umgekehrt zu gelangen.
1993 taten sich einige Leute zusammen, die an die Zukunft der Inselbahn glaubten. An deren Spitze stand Jörgen Boße, der 1994 Geschäftsführer der neu gegründeten Usedomer Bäderbahn (UBB), einer hundertprozentigen Tochter der Deutschen Bahn, wurde. Ein Fahrplankonzept wurde erstellt und zunächst mit Schienenbussen umgesetzt. Im Jahr 2000 folgte die Anbindung ans Festland. Die Fahrgastzahlen stiegen und stiegen und übertrafen alle Erwartungen.
Während eines Inselaufenthaltes fuhr ich nicht nur mit der Bäderbahn (und auch nicht erstmalig), sondern sprach (telefonisch) mit dem Geschäftsführer, Herrn Boße, der sogleich auf die „kapazitative Grenze“ der Bahn hinwies. Nach dem Bau eines kürzlich realisierten Kreuzungsbahnhofs Schmollensee sei ein weiterer erforderlich, um ein noch besseres Betriebskonzept, möglichweise mit einer Verdichtung des Taktes von derzeit 30 auf 20 Minuten, umsetzen zu können. Ein differenziertes Bahnangebot, bestehend aus schnelleren und langsameren Angeboten, scheitere an der Eingleisigkeit der Strecke und werde daher nicht verfolgt.
Eine Streckenelektrifizierung sei kein Thema, wohl aber alternative Antriebe, deren Entwicklungen mit großem Interesse verfolgt würden. Oberleitungen zumindest für Neben- und auch Ballungsnetze seien ein Auslaufmodell, so die (aus meiner Sicht) kühne These.
Weshalb die Nutzung der Bahn- und Busangebote (die UBB betreibt auch Busse) nicht mit der Entrichtung der Kurtaxe ohne den gesonderten Kauf eines Fahrscheines möglich ist, wollte ich wissen. Antwort: In Heringsdorf, im Osten der Insel gelegen, kann im Rahmen eines Pilotkonzeptes neuerdings der Bus mitgenutzt werden. Auf Lösungen, wie sie beispielsweise vom Bodensee oder dem Schwarzwald bekannt sind, konnten sich die Kommunen auch nach vielen Jahre der Debatte leider nicht verständigen. Traurig, wie ich meine. Denn die Insel hat massive Verkehrsprobleme. Darüber wurde kürzlich überregional berichtet: “Es ist nicht so, dass alle auf der Insel vom Tourismus profitieren. Deren Tagesablauf wird im Sommer praktisch lahmgelegt, weil die Straßen unpassierbar sind”. Die Bahn aber hat, jedenfalls nach einem Ausbau, wieder freie Kapazitäten. Auch bei der Bahnverbindung von Berlin nach Usedom scheint Handlungsbedarf zu bestehen: Berichtet wird von stark überfüllten Zügen, die Fahrgäste auf den Bahnsteigen zurücklassen mussten.