Verkehrsministerium legt Verkehrsprognose 2051 vor

05.03.2023

Fortschreibung von Entwicklungen statt aktiver Gestaltung

Nun liegt die lan­ge erwar­te­te Ver­kehrs­pro­gno­se vor. Sie ist ein zen­tra­ler Schritt für die Bedarfs­plan­über­prü­fung. Anhand der Pro­gno­se soll über­prüft wer­den, ob die geplan­te Ent­wick­lung der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur ange­mes­sen ist.

Die Bedarfs­plan­über­prü­fung ist gesetz­lich vor­ge­ge­ben. Es soll über­prüft wer­den, ob die in den Bedarfs­plä­nen (fälsch­li­cher­wei­se häu­fig als „Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plan“ bezeich­net) vor­ge­se­he­nen Aus­bau­maß­nah­men in den Berei­chen Stra­ße, Schie­nen­we­ge und Was­ser­stra­ßen den ange­nom­me­nen Bedar­fen ent­spre­chen.[1] Grund­la­ge ist die Ver­kehrs­pro­gno­se. Eine sol­che wur­de nun vom Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um vor­ge­legt. Erstellt wur­de die Pro­gno­se von Intra­plan. Wesent­li­che Grund­an­nah­men und Ver­kehrs­er­war­tun­gen fas­se ich hier stich­wort­ar­tig zusam­men. Wei­ter unten folgt mei­ne poli­ti­sche Bewer­tung.

  • - Im Güter­ver­kehr wur­den Stra­ßen, Was­ser­we­ge und Schie­ne mit 25 Güter­grup­pen berück­sich­tigt
  • - Im Per­so­nen­ver­kehr wur­den Auto/MIV, Eisenbahn/Öffentlicher Stra­ßen­per­so­nen­ver­kehr, Luft­ver­kehr sowie Fahr­rad- und Fuß­ver­kehr berück­sich­tigt.
  • - Im Per­so­nen­ver­kehr wur­den fol­gen­de Mobi­li­täts­an­läs­se berück­sich­tigt: Beruf, Aus­bil­dung, Ein­kauf, Geschäft, Urlaub und Pri­vat
  • - Unter­stellt wer­den ein Bevöl­ke­rungs­wachs­tum, jedoch eine sin­ken­de Anzahl Erwerb­tä­ti­ger sowie ein BIP-Wachs­tum von jähr­lich 1,3 Pro­zent
  • - Es wur­den Trends im Per­so­nen­ver­kehr berück­sich­tigt, wie bspw. anhal­tend mehr Home­of­fice als vor Coro­na, weni­ger Geschäfts­rei­sen auf­grund von Video­kon­fe­ren­zen als vor Coro­na und Ver­la­ge­rung von Per­so­nen- hin zum Güter­ver­kehr durch Online­ein­käu­fe
  • - Trends im Güter­ver­kehr gehen von einem Weg­fall von Koh­le und einer Zunah­me bei den Güter­grup­pen „Nahrung/Genussmittel“ sowie „Maschinen/Anlagen“ aus. Ein star­kes Wachs­tum wird bei Sam­mel- und Post­gü­tern erwar­tet.
  • - Ange­nom­men wird die voll­stän­di­ge Umset­zung aller in den Bedarfs­plä­nen als vor­dring­lich ein­ge­stuf­ten Ver­kehrs­pro­jek­te plus einem Teil des Wei­te­ren Bedarfs. Der Deutsch­land­takt wird ent­spre­chend des Ziel­fahr­plans als umge­setzt unter­stellt.
  • -  Unter­stellt wer­den bspw. die Ein­füh­rung einer Pkw-Maut, die spür­ba­re Erhö­hung von Park­ge­büh­ren, die Ver­knap­pung von Park­raum und die Aus­wei­tung von Tem­po 30 in den Städ­ten die Aus­wei­tung der Lkw-Maut
  • - Bei den Ver­kehrs­an­tei­len (Modal Split) im Güter­ver­kehr gewinnt die Stra­ße (plus 4 Pro­zent­punk­te) und es ver­lie­ren Schie­ne und Bin­nen­schiff­fahrt (minus je 2 Pro­zent­punk­te)
  • - Bei den Ver­kehrs­an­tei­len (Modal Split) im Per­so­nen­ver­kehr ver­liert der Pkw vier Pro­zent­punk­te, wäh­rend die Bahn drei Punk­te zulegt. Eine Detail­be­trach­tung zeigt zudem star­ke Gewin­ne beim Flug­ver­kehr und beim Fahr­rad, mäßi­ge­re Gewin­ne beim Bus sowie Ver­lus­te beim Fuß­ver­kehr auf.
  • - Im Per­so­nen­ver­kehr wer­den bei den Fahrt­zwe­cken „Pri­vat“ und „Urlaub“ Zuwäch­se erwar­tet, wäh­rend „Beruf“ als Anlass für Mobi­li­tät in Auf­kom­men wie Leis­tung an Bedeu­tung ver­liert.
  • - Aus öko­lo­gi­scher Sicht ist vor allem der mas­si­ve Anstieg bei der Güter­ver­kehrs­leis­tung um 46 Pro­zent (2019 bis 2051) rele­vant. Die Leis­tung der Lkw steigt um 54, die der Bahn um 33 Pro­zent. Dadurch kommt es zu den nega­ti­ven Ver­schie­bun­gen beim Modal Split hin zur Stra­ße. Die zurück­ge­leg­ten Wege wer­den beim Per­so­nen- und noch mehr im Güter­ver­kehr immer län­ger.
  • - Im Güter­ver­kehr schrump­fen ten­den­zi­ell die „schie­nen­af­fi­nen“ Güter und es wer­den star­ke Wachs­tums­ra­ten bei Gütern erwar­tet, die bis­her über­wie­gend auf der Stra­ße trans­por­tiert wer­den.

Mat­thi­as Gastel, in der Bun­des­tags­frak­ti­on Bünd­nis 90/Die Grü­nen zustän­dig für Bahn, Güter­ver­kehr & Logis­tik, erklärt zur heu­te vor­ge­leg­ten Ver­kehrs­pro­gno­se:

„Die­se Pro­gno­se kann und wird für kei­ne Infra­struk­tur­pla­nun­gen die Grund­la­ge sein. Es wur­den weit­ge­hend Ent­wick­lun­gen aus der Ver­gan­gen­heit in die Zukunft über­tra­gen, statt Ent­wick­lun­gen nach einem Kon­zept zu steu­ern. Der Koali­ti­ons­ver­trag ver­folgt poli­ti­sche Zie­le für die Ver­la­ge­rung von Per­so­nen- und Güter­ver­keh­ren auf die Schie­ne. Wir haben dazu auch kon­kre­te Maß­nah­men ver­ein­bart, so erheb­lich höhe­re Inves­ti­tio­nen in die Schie­ne als in die Stra­ße. Die­se Ver­la­ge­rungs- und Kli­ma­zie­le hat der Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter lei­der igno­riert. Er möch­te mit immer mehr Stra­ßen einem Zuwachs an Last­wa­gen den roten Tep­pich aus­rol­len. Sei­ne Auf­ga­be wäre jedoch, für ein leis­tungs­fä­hi­ge­res Schie­nen­netz zu sor­gen und die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Güter­bahn zu stär­ken. Der Minis­ter muss end­lich anfan­gen zu regie­ren statt zu ver­wal­ten. Regie­ren heißt, ein Ziel vor Augen zu haben und ent­spre­chend aktiv zu gestal­ten. Wir brau­chen eine Ver­kehrs­pro­gno­se, die Ver­la­ge­rungs­po­ten­tia­le durch die Stär­kung der Schie­ne berück­sich­tigt, statt die geschei­ter­te Ver­kehrs­po­li­tik ver­gan­ge­ner Jahr­zehn­te fort­zu­set­zen.“

[1] Hin­weis: Die Bedarfs­plan­über­prü­fung bedeu­tet NICHT, dass jedes ein­zel­ne Pro­jekt über­prüft wird. Aus einer Ant­wort des Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums auf mei­ne Anfra­ge: „Der Fokus der Bedarfs­plan­über­prü­fung (BPÜ) liegt auf der Über­prü­fung der drei Bedarfs­plä­ne (Stra­ße, Schie­ne, Was­ser­stra­ße) als Gan­zes. Die gegen­wär­tig lau­fen­den Unter­su­chun­gen zur BPÜ erfol­gen nicht für ein­zel­ne Maß­nah­men, son­dern betrach­ten vor dem Hin­ter­grund des gesetz­li­chen Auf­trags die Gesamt­ent­wick­lung des Ver­kehrs in Deutsch­land.“