Verlängerung der S 2 nach Neuhausen
Sehr geehrter Herr C.,
die SSB schlagen grundlegende Änderungen der Planungen für die Verlängerung der S‑Bahn-Linie S 2 nach Neuhausen vor. Statt einer ursprünglich geplanten zweigleisigen Trasse soll die Strecke teilweise nur eingleisig gebaut werden. Zentrale Ziele sind aus meiner Sicht die Schaffung einer leistungsfähigen, zuverlässigen Anbindung nach Neuhausen und die Aufrechterhaltung der Option einer späteren Verlängerung ins Neckartal. Daran muss sich die Planung – und auch die sich abzeichnende Änderung – messen lassen.
Die erschwerenden Rahmenbedingungen sind mir selbstverständlich bekannt: Es muss trotz deutlich gestiegener Kosten ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis gehalten werden. Zugleich stehen die Vertragspartner wegen des im Jahr 2019 auslaufenden Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes des Bundes, für das eine Nachfolgeregelung noch nicht absehbar ist, unter massivem Zeitdruck.
Bevor ich konkrete Fragen formuliere, noch einige grundsätzliche Anmerkungen:
Erstens hat sich aus meiner Sicht die Nutzen-Kosten-Berechnung allgemein nicht bewährt. Entgegen des Anscheins handelt es sich dabei um kein objektives Bewertungskriterium. Unser Ziel als Grüne ist es, die Haushaltsordnung zu ändern, um den Einfluss des Nutzen-Kosten-Verhältnisses zu verringern und stattdessen zusätzliche Kriterien wie Verlagerungseffekte sowie die Netzwirksamkeit einer verkehrlichen Baumaßnahme – und damit den Gesamtnutzen für die Fahrgäste – zu berücksichtigen.
Zweitens müssen die Baustandards kritisch hinterfragt werden. Sie wurden in den letzten Jahren immer höher geschraubt und machen Straßen- wie Schienenprojekte immer teurer. Zu dem, was an Standard kritisch hinterfragt werden muss, zählt im Bereich der Schienenwege der zwingende Verzicht auf niveaugleiche Bahnübergänge. Ob der Bau einer Brücke oder eines Tunnels – wie im konkreten Fall der Verlängerung der S 2 auf Höhe der Firma Thyssen – tatsächlich notwendig ist oder mit einer anderen Lösung ebenfalls die Verkehrssicherheit gewährleistet werden kann, wird bei den jetzigen Rechtslage überhaupt nicht überprüft.
Ich bitte Sie um Beantwortung der folgenden Fragen:
1. Auf welche Höhe werden die Einsparungen durch den ein- statt zweigleisigen Bau der Strecke zwischen Sielmingen und Neuhausen geschätzt?
2. Von welchem Planungszeitraum gehen die SSB aus, wenn nachträglich ein durchgängig (mit Ausnahme auf Höhe Thyssen) zweites Gleis gebaut werden soll?
3. Laut dem Gutachten von Dr. Uwe Steinborn von der TU Dresden würde die Leistungsfähigkeit der gesamten Strecke von Bernhausen nach Neuhausen durch die Eingleisigkeit zwischen Sielmingen und Neuhausen nicht beeinträchtigt. Aus der Sitzungsvorlage Nr. 61/2015 des Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart vom 24.06.2015 geht hervor, dass Verspätungen sogar im „großem Umfang” abgebaut werden können. Wie viele Minuten Verspätung können denn konkret abgebaut werden mit
a. zweigleisiger und
b. eingleisiger Bauausführung wie aktuell diskutiert?
4. An der bisherigen Endhaltestelle in Bernhausen entsteht mit dem Ausbau der Bahnstrecke ein verlängerter Durchrutschweg. Dadurch können die S‑Bahnen schneller an den Bahnhof heranfahren und die Fahrtzeit zwischen Stuttgart und Bernhausen verkürzt sich geringfügig.
a. Um wie viel wird sich die Fahrtzeit von Stuttgart nach Bernhausen verkürzen?
b. Wurde diese Fahrtzeitverkürzung bzw. die frühere Abfahrt in Bernhausen in die Berechnung des möglichen Verspätungsabbaus auf der eingleisigen Strecke nach Neuhausen eingerechnet und wie wirkt sich die Fahrtzeitverkürzung darauf aus?
5. Auf die in der bisherigen Planung vorgesehenen doppelte Überleitverbindung zwischen Bernhausen und Sielmingen soll verzichtet werden. Aus welchen Gründen sind diese bislang vorgesehen?
6. In Bernhausen ist in aller Regel aus betrieblichen Gründen eine S‑Bahn abgestellt. Wenn die S‑Bahn aus Richtung Stuttgart mit ca. sechs oder mehr Minuten Verspätung ankommt, kann die „Ersatz-S-Bahn” pünktlich abfahren. Damit kann häufig gewährleistet werden, dass sich Verspätungen nicht fortsetzen. Mit der abgestellten S‑Bahn kann also nicht selten ein Beitrag zur Stabilität im System geleistet werden.
Wie kann die betriebliche Stabilität durch eine „Ersatz-S-Bahn” gewährleistet werden, wenn die Strecke zwischen Sielmingen und Neuhausen inklusive des Bahnhofes in Neuhausen eingleisig ausgeführt werden soll? Wann und wo wird nach Inbetriebnahme der Strecke nach Neuhausen eine „Ersatz-S-Bahn” bereitgestellt?
7. Wie wird seitens der SSB die Chance auf eine mögliche Verlängerung der S‑Bahn von Neuhausen ins Neckartal bewertet, wenn die Strecke nach Neuhausen teilweise eingleisig ausgeführt werden soll? Welche fahrplantechnischen Berechnungen wurden dazu durchgeführt?
Und noch zwei Fragen, die unabhängig von der Diskussion um eine mögliche eingleisige Ausführung zu sehen sind:
8. Welche Standards bzw. Ausführungen sind für die Haltestellen Sielmingen und Neuhausen vorgesehen? Sollen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität Aufzüge oder Rampen gebaut werden (wie viele und an welchen Stellen?), wird es eine Überdachung der Bahnsteige auf voller Länge geben, wie werden in Sielmingen die Führung des Radweges und die Zufahrten zu den privaten Grundstücken geplant?
9. Wie werden die Leit- und Sicherungstechnik sowie das vorgesehene eigene Stellwerk in das bestehende Netz eingebunden?
Ich freue mich auf Ihre Antwort und bin anschließend auch an einem Gespräch mit Ihnen interessiert.
Mit freundlichen Grüßen