Vom Umweltbewusstsein von Menschen mit Migrationshintergrund

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14.04.2017

Geziel­te Anspra­che emp­feh­lens­wert

Wie steht es um das Umwelt­be­wusst­sein der hier leben­den Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund? Und wie um deren poli­ti­sches Inter­es­se und ihre Betei­li­gungs­be­reit­schaft? Dar­über durf­te ich kürz­lich refe­rie­ren. Hier eine Kurz­über­sicht:

Das Inter­es­se von in Deutsch­land leben­den Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund an poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen in Deutsch­land ist in etwa gleich groß wie an die­sen The­men in deren jewei­li­gen Her­kunfts­län­dern. Ein star­kes Drit­tel ist dar­an sehr inter­es­siert, ein knap­pes Drit­tel über­haupt nicht. Wenig Inter­es­se zei­gen for­mal gering Gebil­de­te, Frau­en und die­je­ni­gen in der Alters­grup­pe der 18- bis 29-Jäh­ri­gen. Ein beson­ders gro­ßes Inter­es­se an poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen in Deutsch­land zei­gen Asia­ten, Per­so­nen aus der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on, Rumä­nen und Grie­chen. Ein beson­ders gerin­ges Inter­es­se an poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen in Deutsch­land zei­gen Tür­ken und Men­schen aus dem ara­bi­schen Raum. Die Betei­li­gung von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund an deut­schen Wah­len ist leicht unter­durch­schnitt­lich. Hier muss aller­dings hin­zu­ge­fügt wer­den, dass die Wahl­be­tei­li­gung unter allen Wahl­be­rech­tig­ten umso höher ist, je älter die Alters­grup­pe ist. Und der Bevöl­ke­rungs­an­teil mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ist jün­ger als der Durch­schnitt der Gesamt­be­völ­ke­rung. Kei­ne extre­men Auf­fäl­lig­kei­ten gibt es bei den Par­tei­prä­fe­ren­zen. Am deut­lichs­ten fal­len die stär­ke­re Gewich­tung der SPD und der schwä­che­re Zuspruch für die AfD und FDP auf.

Als wich­tigs­te Pro­blem­fel­der benen­nen Migran­ten (in die­ser Rei­hen­fol­ge): Wirt­schafts­po­li­tik, Bil­dung, Inne­re Sicher­heit, Inte­gra­ti­on, Arbeits­plät­ze, Sozia­les, Flücht­lin­ge, Umwelt­po­li­tik, Steu­er­po­li­tik.

Die Umwelt­po­li­tik lan­det weit hin­ten, ist aber doch immer­hin noch 32% der Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund wich­tig. Dies gilt vor allem für die­je­ni­gen aus Rumä­ni­en, der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on und Polen.

Ins­ge­samt gibt es sehr weni­ge wis­sen­schaft­lich fun­dier­te Quel­len mit aus­sa­ge­kräf­ti­gen Daten zum Umwelt­be­wusst­sein von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. So fin­det sich im umfang­rei­chen Zah­len­werk des Bun­des­um­welt­mi­nis­te­ri­ums „Umwelt­be­wusst­sein in Deutsch­land 2016“ kein Wort dazu. Und wenn es Stu­di­en gibt, dann ist nicht immer ein direk­ter Ver­gleich mit Men­schen, die schon seit vie­len Gene­ra­tio­nen in Deutsch­land leben, mög­lich. Eine der Stu­di­en befasst sich spe­zi­ell mit Men­schen aus der Tür­kei.

Dem­nach ist bei Immi­gran­ten aus der Tür­kei eine aus­ge­präg­te Sen­si­bi­li­tät gegen­über Umwelt­schutz­the­men vor­han­den. Die Not­wen­dig­keit, mehr für die Umwelt zu tun, wird jedoch eher als künf­tig wahr­zu­neh­men­de Auf­ga­be gese­hen. Kon­kret wer­den der Ver­kehr, die Ver­mül­lung und die Luft­qua­li­tät als Hand­lungs­fel­der gese­hen. Befra­gun­gen erbrach­ten, dass recht wenig an kom­ple­xem Wis­sen um die Pro­ble­me bzw. deren Zusam­men­hän­ge bekannt ist. Es besteht die weit ver­brei­te­te Annah­me, alle Pro­ble­me könn­ten durch die Anwen­dung moder­ner Tech­nik gelöst wer­den.

Anders als bei Deut­schen konn­te kein linea­rer Zusam­men­hang mit dem Grad der for­ma­len Bil­dung fest­ge­stellt wer­den.

Wie las­sen sich die Ergeb­nis­se erklä­ren? Bis­lang gibt es wenig Ein­be­zie­hung von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund in die Umwelt­kom­mu­ni­ka­ti­on. Und auch Migran­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen befas­sen sich sel­ten mit Umwelt­the­men.

Als Hand­lungs­fel­der, um Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund stär­ker zu sen­si­bi­li­sie­ren und sie als Akteu­re zu gewin­nen, wer­den gese­hen: Die Nut­zung der deut­schen und tür­ki­schen Medi­en (TV und Zei­tun­gen), per­sön­li­che Gesprä­che unter Kol­le­gen und Nach­barn sowie Mul­ti­pli­ka­to­ren aus (tür­ki­schen) Ver­bän­den, Events und die Ein­be­zie­hung von Pro­mi­nen­ten, Infor­ma­tio­nen in Kitas, Schu­len (auch Eltern­aben­de) sowie die The­ma­ti­sie­rung bei Stra­ßen­fes­ten und ande­ren Zusam­men­künf­ten. Für weit­ge­hend sinn­los gehal­ten wer­den Bro­schü­ren, Fly­er und Pla­ka­te. Hilf­reich hin­ge­gen sind Infor­ma­tio­nen in der Hei­mat­spra­che der Migran­ten. Dies aber nicht unbe­dingt, weil die deut­sche Spra­che nicht ver­stan­den wird, son­dern weil die Spra­che des Her­kunfts­lan­des die Auf­merk­sam­keit erhöht. Gera­ten wird außer­dem, die finan­zi­el­len Aspek­te und per­sön­li­chen Vor­tei­le dar­aus, die Umwelt zu schüt­zen, her­vor­he­ben. Dies dürf­te bei Deut­schen genau­so wich­tig sein.

Was gibt es bereits an vor­zeig­ba­ren Pro­jek­ten? In Ber­lin gibt es das Tür­kisch-Deut­sche Umwelt­zen­trum; in eini­gen Städ­ten wird in inter­kul­tu­rel­le Gär­ten gemein­sam gegärt­nert und dann kann noch auf die Initia­ti­ve des Bun­des­ver­bands Deut­scher Gar­ten­freun­de „Mit­ein­an­der leben – Inte­gra­ti­on im Klein­gar­ten“ ver­wie­sen wer­den. Man­cher­orts gibt es dar­über hin­aus Men­to­ren­pro­jek­te, in denen Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund zu „Umwelt­be­ra­tern“ qua­li­fi­ziert wur­den, um ihren Lands­leu­ten bei­spiels­wei­se Tipps zum Ener­gie­spa­ren zu ver­mit­teln. Die meis­ten die­ser vor­bild­li­chen Ange­bo­te stel­len aller­dings den eben­so wich­ti­gen Aspekt der Inte­gra­ti­on und Ver­stän­di­gung in den Mit­tel­punkt.

Quel­len:

„Poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on und Inte­gra­ti­on von Migran­ten in Bay­ern“, Hanns Sei­del-Stif­tung, 2017, 2.042 Tele­fon­in­ter­views (größ­te Grup­pe aus ehem. SU, zweit­größ­te Grup­pe sind Men­schen aus der Tür­kei)

und

„Umwelt­be­wusst­sein und Umwelt­ver­hal­ten der tür­ki­schen Migran­ten in Deutsch­land“, UNESCO-Ver­bin­dungs­stel­le für Umwelt­er­zie­hung, 500 telef. Befra­gun­gen und Gesprä­che mit 30 Ver­bän­den

sowie

Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung