Von der Regierung in die Opposition – spannende Einblicke in die politische Arbeit

Aus der Stadt mit der Zwei­sys­tem-Stadt­bahn Karls­ru­he ging es in die Bun­des­haupt­stadt Ber­lin mit ihrem impo­san­ten Haupt­bahn­hof. Durch den Ampel­bruch im Novem­ber 2024 stand mein ursprüng­lich im Mai/Juni anvi­sier­tes Prak­ti­kum auf wacke­li­gen Bei­nen. Als im April die Mail mit dem erneu­ten Ange­bot kam, zöger­te ich nicht lan­ge mit der Zusa­ge. Ein sechs­wö­chi­ges Prak­ti­kum im Deut­schen Bun­des­tag bei dem Bahn­ex­per­ten der Grü­nen? Eine ein­ma­li­ge Gele­gen­heit, für die ich auch ger­ne das Schrei­ben mei­ner Bache­lor­ar­beit unter­bre­che.

Mit mei­nem Stu­di­um Mensch und Umwelt: Psy­cho­lo­gie, Öko­no­mie, Kom­mu­ni­ka­ti­on an der Rhein­land-Pfäl­zi­schen Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät (RPTU) Kai­sers­lau­tern-Land­au befin­de ich mich auf der Ziel­ge­ra­den. Inhalt­lich zeich­net sich mein Stu­di­um durch die Inter­dis­zi­pli­na­ri­tät aus, wobei Umwelt­wis­sen­schaf­ten eine eben­so bedeu­ten­de Rol­le spie­len. Anders als die meis­ten Mitarbeiter*innen im Büro Gastel bin ich also kein Ver­kehrs­in­ge­nieur. Aller­dings besit­ze ich ein gro­ßes Inter­es­se an Bahn­the­men. Funk­tio­nie­ren­de Bahn­rei­sen im Inland und euro­päi­schen Aus­land oder auch mein Pen­deln zwi­schen Karls­ru­he und Land­au zeig­ten mir – irgend­wie kommt man immer an. Anstatt sich immer nur zu beschwe­ren, möch­te ich kon­struk­tiv an das The­ma Bahn her­an gehen. Denn als umwelt­freund­li­ches Mobi­li­täts­mit­tel schlum­mert in ihr gro­ßes Poten­zi­al. Auch auf das Framing – also die Beto­nung und Rah­mung – der Bahn kommt es an. So ist nicht alles an der Bahn schlecht! Das wur­de auch in mei­nem Prak­ti­kum unter Beweis gestellt.

Die ers­te Woche mei­nes Prak­ti­kums fühl­te sich an, wie ein lan­ger Tag vol­ler neu­er Ein­drü­cke. Schnell wur­de mir klar, dass die Arbeit im Bun­des­tag alles ande­re als ein­tö­nig ist. Als Abgeordnete*r und Mitarbeiter*in benö­tigt man eine gewis­se Resi­li­enz gegen­über Stress und eine enor­me Geduld. Eben­so dür­fen Durch­hal­te­ver­mö­gen und Ver­hand­lungs­ge­schick nicht feh­len. Wäh­rend mei­ner Zeit durf­te ich Mat­thi­as in die Arbeits­grup­pen Tou­ris­mus und Mobi­li­tät, inklu­si­ve Gesprä­che mit Stake­hol­dern beglei­ten. Die Gesprä­che zeig­ten mir, dass die Grü­nen sehr bemüht dar­um sind, die Inter­es­sen der Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (NGO) und Ver­bän­de mit Verkehrs‑, Umwelt- und/oder Nach­hal­tig­keits­be­zug mit in die Arbeit und Debat­ten des deut­schen Bun­des­tags zu neh­men. Zudem durf­te ich an Sit­zun­gen des Fach­be­reichs 2 und an den Frak­ti­ons­sit­zun­gen teil­neh­men. Gele­gent­lich hat­te ich bei den Sit­zun­gen den Ein­druck, dass sich die Frak­ti­on in einer Über­gangs­pha­se von der Regie­rung in die Oppo­si­ti­on befin­det. Als Oppo­si­ti­on besitzt man eine ande­re Ver­ant­wor­tung, die eige­nen Lösungs­we­ge (inklu­si­ve Kli­ma- und Umwelt­schutz!) auf­zu­zei­gen und ein­flie­ßen zu las­sen. Eben­so war das Büro lei­der von Per­so­nal­ab­schie­den geprägt, was mir noch­mal beson­ders zeig­te, wie wich­tig und essen­zi­ell die Arbeit des Teams im Hin­ter­grund einer abge­ord­ne­ten Per­son ist.

Bei mei­nen Beglei­tun­gen und Auf­ga­ben konn­te ich nicht nur mehr über die par­la­men­ta­ri­sche Arbeit, son­dern auch inhalt­lich dazu­ler­nen. Von der Recher­che und Auf­be­rei­tung aktu­el­ler poli­ti­scher The­men- und Fra­ge­stel­lun­gen bis hin zur Vor­be­rei­tung von Mat­thi­as Unter­neh­mens­be­su­chen hat­te ich vie­ler­lei inter­es­san­te Auf­ga­ben. Das ein­drück­li­che gra­fi­sche Bei­spiel einer mei­ner Auf­ga­ben zeigt, dass die Gro­ße Koali­ti­on die Schie­ne nicht prio­ri­siert. Bis 2029 zeich­net sich ein Defi­zit von 1,4 Mil­li­ar­den €. Das muss man bei einem Son­der­ver­mö­gen von 500 Mil­li­ar­den € erst ein­mal schaf­fen. Außer­dem war mir der Deutsch­land­takt schon bekannt, aber die Trag­wei­te und Umset­zung nicht ganz bewusst. So konn­te ich auch hier viel dazu ler­nen. Der Deutsch­land­takt ver­steht sich viel­mehr als Kon­zept, das Fahr­plä­ne flä­chen­de­ckend und schon heu­te Schritt für Schritt ver­bes­sert. Nicht nur die Groß­städ­te sol­len davon pro­fi­tie­ren, auch das Land wird einen auf­ge­wer­te­ten Schie­nen­nah­ver­kehr erhal­ten. Zusätz­lich konn­te ich bei mei­nen Auf­ga­ben auch mei­ne Skills durch Fil­men und die Auf­be­rei­tung von Social Media Inhal­ten erwei­tern. Ins­be­son­de­re die Orga­ni­sa­ti­on der Hos­pi­ta­ti­on bei DB Sicher­heit sowie des­sen Vor- und Nach­be­rei­tung hat mir dabei viel Spaß gemacht. Den Bericht der Hos­pi­ta­ti­on fin­dest Du dem­nächst auf die­ser Home­page. Wäh­rend mei­ner Prak­ti­kums­zeit hat­te ich vie­le wei­te­re High­lights, mit denen ich hier den Rah­men spren­gen wür­de.

Low­light war ganz klar das Auf­tre­ten der AfD live und in Far­be mit­zu­er­le­ben. All­ge­mein hat mich die Arbeits­wei­se der AfD sehr erschro­cken. Durch eine hohe Anzahl an Anfra­gen und belei­di­gen­den Zwi­schen­ru­fen hal­ten sie die Arbeit im Deut­schen Bun­des­tag auf und ändern den Umgangs­ton. Die vie­le Rede­zeit, die sie durch ihr hohes Wahl­er­geb­nis zuge­schrie­ben bekom­men, nut­zen die AfD-Politiker*innen als Mit­tel zum Zweck, ihr Welt­bild für Social Media zu pro­pa­gie­ren. Die Reden der AfD sind vol­ler Vor­ur­tei­le, Zuspit­zun­gen und Hass. Mei­ne Prak­ti­kums­zeit zeig­te mir noch­mal umso deut­li­cher, dass die­se rechts­extre­me Par­tei kei­ne Alter­na­ti­ve ist! In Zei­ten der sich stär­ken­den Rän­dern ist es eine Not­wen­dig­keit poli­tisch zu blei­ben und Far­be zu beken­nen.

Alles in allem brach­te jeder Tag – ins­be­son­de­re in den Sit­zungs­wo­chen – neue Her­aus­for­de­run­gen und span­nen­de Ein­bli­cke. Mein Prak­ti­kum im Bun­des­tag war eine äußerst berei­chern­de Erfah­rung. Ich konn­te nicht nur die Arbeits­wei­se eines Abge­ord­ne­ten ken­nen­ler­nen, son­dern auch einen tie­fen Ein­blick in die poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­se gewin­nen. Beson­ders beein­druckt hat mich die Viel­sei­tig­keit der Auf­ga­ben, sowie die Bedeu­tung von Team­ar­beit und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Als abge­ord­ne­te Per­son benö­tigt man eine gewis­se Fle­xi­bi­li­tät in der Gestal­tung des Arbeits­all­ta­ges. Schnell dreht sich der Wind im Ple­num – das konn­te ich auch am letz­ten Tag mit dem Schei­tern der Wahl der Bundesverfassungsrichter*innen live mit­er­le­ben. Dabei kann es schon­mal dazu kom­men, dass die Pla­nung des Arbeits­ta­ges über den Hau­fen gewor­fen wird. Dabei gilt: Immer einen küh­len Kopf bewah­ren!

Ein herz­li­ches Dan­ke­schön an Jonas, Jan­ne, Ben­net, Ant­je, Dani­el und Mat­thi­as für die Unter­stüt­zung und die Mög­lich­keit, Teil die­ses span­nen­den poli­ti­schen All­tags zu sein. Es ist nicht selbst­ver­ständ­lich als Prak­ti­kant über die Auf­ga­ben hin­aus eine gewis­se Selbst­stän­dig­keit in der Arbeits­all­tags­ge­stal­tung zu erhal­ten. So konn­te ich je nach Inter­es­se unter­schied­li­che par­la­men­ta­ri­sche Ver­an­stal­tun­gen besu­chen. Das habe ich sehr wert­ge­schätzt. Dan­ke für die­se ein­zig­ar­ti­ge Zeit in Ber­lin!

Wenn Du mehr über den Deutsch­land­takt https://www.deutschlandtakt.de/, die Bun­des­tags­frak­ti­on der Grü­nen https://www.gruene-bundestag.de/ oder mei­nen Stu­di­en­gang https://psy.rptu.de/aes/sozial-umwelt-und-wirtschaftspsychologie/mensch-und-umwelt-psychologie-kommunikation-oekonomie erfah­ren möch­test.

Eben­so sind die Ein­drü­cke von den letz­ten Praktikant*innen inter­es­sant:

https://www.matthias-gastel.de/koalitionsende-wahlkampfbeginn-und-mein-praktikum/

https://www.matthias-gastel.de/von-der-theorie-zur-praxis-spannende-wochen-im-bundestag/

https://www.matthias-gastel.de/zwei-wochen-gruene-bahnpolitik-ein-praktikumsbericht/

https://www.matthias-gastel.de/das-bswag-startet-endlich-und-mein-praktikum-geht-leider-zu-ende/