Von Posern und Rasern

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unfallkreuz-117.10.2016

Härtere Strafen gegen gefährliches Rasen, den “neuen Trendsport“?

Poser und Raser, die­se zwei Begrif­fe tau­chen in den letz­ten Mona­ten ver­mehrt in den Medi­en auf. Es geht um meist jun­ge Män­ner, die ihre Autos auf­mot­zen, tunen und sich damit auf den Stra­ßen zur Schau stel­len, die Moto­ren auf­heu­len las­sen und sich mit­ten in den Städ­ten Ren­nen lie­fern. Die Tages­schau sprach von einem „neu­en Trend­sport“. Was für die einen Spaß und Hob­by ist, ist für die ande­ren ner­vig und vor allem – auch für Unbe­tei­lig­te – gefähr­lich.

Die Grü­nen im Bun­des­tag haben sich per Klei­ner Anfra­ge mit die­sem The­ma beschäf­tigt. Wie vie­le Unfäl­le deutsch­land­weit durch ille­ga­le Stra­ßen­ren­nen ver­ur­sacht wer­den, kann die Bun­des­re­gie­rung nicht sagen, da „ille­ga­le Stra­ßen­ren­nen“ in der Unfall­sta­tis­tik nicht als Merk­mal erfasst wer­den. Der Bun­des­re­gie­rung liegt kein bun­des­wei­tes Lage­bild vor, wie vie­le Ver­kehrs­teil­neh­mer durch ille­ga­le Auto­ren­ne zu Scha­den kamen.

Doch bekann­te Bei­spie­le zei­gen, dass es Opfer die­ses Phä­no­mens gibt. Im April 2015 starb eine 19-jäh­ri­ge Stu­den­tin auf dem Fahr­rad, als bei einem spon­ta­nen Ren­nen in Köln ein Fah­rer die Kon­trol­le über sein Auto ver­lor. Die zwei Raser, die für den Tod der jun­gen Frau ver­ant­wort­lich sind, wur­den wegen fahr­läs­si­ger Tötung zu Bewäh­rungs­stra­fen ver­ur­teilt. In einem Fall ist die Staats­an­walt­schaft in Revi­si­on gegan­gen.

Stra­ßen­ren­nen sind in Deutsch­land grund­sätz­lich ver­bo­ten. Doch stellt die Teil­nah­me an einem ille­ga­len Ren­nen, bei dem nie­mand gefähr­det oder ver­letzt wird, nur eine Ord­nungs­wid­rig­keit dar. Die­se kann mit einem Buß­geld von 400 Euro, zwei Punk­ten in Flens­burg und einem Monat Fahr­ver­bot geahn­det wer­den. Das Buß­geld für die Orga­ni­sa­ti­on eines uner­laub­ten Ren­nens beträgt 500 Euro. Und selbst wenn Unbe­tei­lig­te bei einem Ren­nen zu Scha­den kamen, gab es bis­lang, wenn über­haupt, Bewäh­rungs­stra­fen, sie­he oben. Aus der Sicht der Poli­zei wird die­ses Straf­maß der Gefahr, die von einem sol­chen Ren­nen aus­geht, nicht gerecht und auch die erwünsch­te Abschre­ckungs­wir­kung kann hier ange­zwei­felt wer­den. Im Sep­tem­ber hat der Bun­des­rat deut­li­che Straf­ver­schär­fun­gen gefor­dert. Die Teil­nah­me an ille­ga­len Auto­rennen soll dem­nach mit Gefäng­nis­stra­fen von bis zu zwei Jah­ren und damit als Straf­tat geahn­det wer­den kön­nen.

Die Bun­des­re­gie­rung sieht jedoch bezüg­lich der Sank­tio­nie­rung von ille­ga­len Auto­rennen der­zeit kei­nen Hand­lungs­be­darf und ver­weist auf die Mög­lich­keit, ille­ga­le Stra­ßen­ren­nen nach dem Straf­tat­be­stand der Gefähr­dung des Stra­ßen­ver­kehrs zu bestra­fen. So wären in bestimm­ten Fäl­len Frei­heits­stra­fen von bis zu fünf Jah­ren oder Geld­stra­fen mög­lich.

Ein aktu­el­ler Fall aus Ber­lin zeigt, dass es noch ande­re Mög­lich­kei­ten der Sank­tio­nie­rung geben könn­te, wenn unbe­tei­lig­te Per­so­nen durch Unfäl­le bei ille­ga­len Wett­ren­nen zu Scha­den kom­men: Anfang Febru­ar die­sen Jah­res hat­ten sich zwei Raser auf dem Ku‘damm ein Ren­nen gelie­fert. Dabei wur­de das Auto eines unbe­tei­lig­ten Man­nes gerammt, der dabei sein Leben ver­lor. Die bei­den betei­lig­ten Fah­rer wur­den wegen Mor­des ange­klagt, was bei ent­spre­chen­der Ver­ur­tei­lung für bei­de eine lebens­lan­ge Haft­stra­fe bedeu­ten könn­te. Dies ist der ers­te Fall eines ille­ga­len Auto­ren­nens, bei dem die Staats­an­walt­schaft auf Mord plä­diert. Ein Urteil steht aus.

Ein ande­res Bei­spiel für den Kampf gegen Raser ist die „Soko Ren­nen“, die in Köln gegrün­det wur­de. Die­se Ein­heit fahn­det gezielt mit Blitz­ak­tio­nen, Groß­kon­trol­len und Zivil­strei­fen nach Rasern. Im ers­ten Jahr wur­den so 270 Autos sicher­ge­stellt, gut 650 Fahr­ver­bo­te erteilt und mehr als 110 Ren­nen ange­zeigt. Trotz­dem, so heißt es von dort, kön­ne nicht fest­ge­stellt wer­den, dass die Sze­ne klei­ner gewor­den sei. Hier besteht also wei­ter­hin Hand­lungs­be­darf. Die Akzep­tanz der Bevöl­ke­rung für die­ses Vor­ge­hen der Poli­zei zeigt die Schil­de­rung eines Poli­zis­ten der „Soko Ren­nen“, der mit­ten in Köln einen zu lau­ten Audi R8 sicher­stell­te und Bei­fall von der Men­ge erhielt, als das Auto auf den Abschlepp­wa­gen gela­den wur­de.

In Mann­heim ist es bis jetzt zum Glück noch zu kei­nem schlim­men Vor­fall im Zusam­men­hang mit Stra­ßen­ren­nen gekom­men. Damit dies so bleibt, geht die Poli­zei seit eini­ger Zeit ver­stärkt gegen Poser und deren getun­te Autos vor. Inner­halb von weni­ger als zwei Mona­ten im Som­mer die­ses Jah­res wur­den 423 Fahr­zeu­ge kon­trol­liert und es gab 130 Ver­fah­ren wegen Erlö­schen der Betriebs­er­laub­nis. Autos mit Ver­dacht auf ille­ga­les Tuning wer­den sofort aus dem Ver­kehr gezo­gen und abge­schleppt. Dann über­prüft ein Gut­ach­ter das Fahr­zeug. Stellt er die Unre­gel­mä­ßig­keit des Fahr­zeu­ges fest, erlischt die Betriebs­er­laub­nis. Getun­te Fahr­zeu­ge stel­len auch eine enor­me Lärm­be­läs­ti­gung für Anwoh­ne­rin­nen und Anwoh­ner der als Renn­pis­ten miss­brauch­ten Stra­ßen dar. Auch hier hat in den letz­ten Mona­ten die Stadt Mann­heim mit Schwer­punkt­kon­trol­len für Schlag­zei­len gesorgt. Sie hat dabei eine gan­ze Rei­he von Autos und Motor­rä­dern sicher­ge­stellt. Auch zu die­ser The­ma­tik gab sich die Bun­des­re­gie­rung, hier auf eine Anfra­ge von mir, unwis­send und ver­wies schlicht auf die Zustän­dig­keit der Bun­des­län­der.

Durch Mani­pu­la­tio­nen an Fahr­zeu­gen kann bei­spiels­wei­se ein Auto Lärm mit einer Laut­stär­ke von 135 Dezi­bel ver­ur­sa­chen. Das ist lau­ter als ein star­ten­der Düsen­jet (120 Dezi­bel) und kann sogar eine Schä­di­gung des Innen­ohrs her­bei­füh­ren. Bei Autos ist abhän­gig vom Modell ein Pegel von etwa 70 Dezi­bel zuläs­sig.

 

Quel­len:

Klei­ne Anfra­ge „Gefähr­dung der Ver­kehrs­si­cher­heit durch ille­ga­le Stra­ßen­ren­nen“: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/089/1808993.pdf

„Mit hun­dert durch die Stadt“ aus FAZ-Sonn­tags­zei­tung, 12.06.2016

„Jagd auf Poser und Raser“ aus Die Zeit, 29.09.2016

Staats­an­zei­ger Baden-Würt­tem­berg, 19.08.2016